BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2433 21. Wahlperiode 08.12.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 30.11.15 und Antwort des Senats Betr.: Kostenexplosion der Baumaßnahmen in der JVA Glasmoor – Nachfragen Der offene Vollzug muss dringend erweitert werden, da die Haftplätze in Glasmoor seit Jahren bis zum Anschlag belegt sind. Aus diesem Grund beschloss die Bürgerschaft im Frühjahr 2013 die Drucksache zur Neustrukturierung des Hamburger Justizvollzugs und bewilligte 17 Millionen Euro für die Um- und Neubaukosten in der JVA Glasmoor. Am 6. November 2015 verkündete der Justizsenator en passant unter dem TOP „Verschiedenes“, an einem Freitagabend, dass diese 17 Millionen Euro bei Weitem nicht ausreichen und sich Mehrbedarfe in zweistelliger Millionenhöhe ergeben. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage, Drs. 21/2151 gibt der Senat an, dass die zuständige Behörde nach derzeitigem Planungsstand mit einem Mehrbedarf in „niedriger zweistelliger Millionenhöhe“ rechne. Diese ungenaue Angabe erscheint ungewöhnlich; ebenso wie der Umstand, dass der Justizbehörde seit über eineinhalb Jahren Hinweise vorlagen, dass die geplanten rund 17 Millionen nicht ausreichen könnten. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, weshalb der Senat so lange mit der Wahrheit hinter dem Berg hielt und sie jetzt noch immer zu verschleiern versucht. Das Parlament und der Fragesteller als Abgeordneter haben das verfassungsverbriefte Recht, zeitnah, wahrheitsgemäß und umfassend informiert zu werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nachdem die konkreten Gesamtkosten als ungeprüfte Haushaltsunterlagen Bau vorlagen , hat die Leitung der zuständigen Behörde bewertet, welche Konsequenzen dies für die Fortführung der Überlegungen zur Neustrukturierung des Hamburger Justizvollzugs hat. Hierzu gehörte insbesondere die Frage, ob es infolge der Beendigung des Vollzugs der Abschiebungshaft in der JVA Billwerder aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs im Juli 2014 sowie vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages , der die Prüfung einer weiteren Verdichtung des geschlossenen Vollzuges vorsieht , durch eine neue Berechnung der Haftplatzkapazitäten zu kompensatorischen Kostenminderungen, gegebenenfalls aber auch zu weiteren Kostensteigerungen kommen würde. Die gegenwärtig bekannten Mehrbedarfe stellen vor diesem Hintergrund noch einen vorläufigen Stand dar, der sich erst nach Abschluss der Überplanung der Maßnahme und der Entscheidung über die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Haushaltsmittel endgültig konkretisieren wird. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Anfrage wie folgt: 1. Was versteht die zuständige Behörde konkret unter einem Mehrbedarf „in niedriger zweistelliger Millionenhöhe“? Drucksache 21/2433 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Aus welchem Grund gibt der Senat keinen konkreten Betrag nach derzeitigem Planungsstand an? 3. Seit Frühjahr 2014 lagen der zuständigen Behörde Hinweise darauf vor, dass die geplanten rund 17 Millionen Euro nicht ausreichen könnten. a. Welche Hinweise lagen der zuständigen Behörde vor? Gemäß den Entwürfen der Haushaltsunterlagen-Bau vom 4. Juli 2014 (Neubau Hafthaus III) und 29. April 2015 (Umbau Hafthaus I) besteht ein Mehrbedarf von 16,2 Millionen Euro, wobei die berücksichtigten Kostensteigerungen auf dem seinerzeit für 2015 geplanten Baubeginn des Hafthauses III mit anschließender Umsetzung des Umbaus des Hafthauses I beruhen und entsprechend fortgeschrieben werden müssten . Ein weiterer Mehrbedarf kann sich gegebenenfalls durch die Überlegungen einer weiteren Verdichtung des geschlossenen Vollzuges und der damit verbundenen Haftplatzkapazitäten im offenen Vollzug ergeben. Im Zuge der Entwurfsplanung des Hafthauses III wurde deutlich, dass die Anfang 2012 vorgelegte Realisierungsstudie unvollständig und fehlerhaft war. So waren diverse Einheitspreise und die Kosten für die technische Gebäudeausrüstung (Heizung , Sanitär, vor allem Elektro- und Sicherheitstechnik) zu gering kalkuliert sowie Konstruktions- und Installationsflächen zu gering bemessen worden. Die Kosten für die technische Gebäudeausrüstung in den Außenanlagen wurden ebenfalls nur unvollständig berücksichtigt. Außerdem lagen den Berechnungen noch nicht die Grundsätze der Drucksache Kostenstabiles Bauen von Ende 2012 zugrunde, sodass weder Kostenvarianz noch Preissteigerungen einbezogen wurden. Im Rahmen der Abstimmungsgespräche zu öffentlich-rechtlichen Belangen des Bauordnungs -, Stadtplanungs- und Naturschutzrechts wurde zudem deutlich, dass die vorhandene Zuwegung nicht wie geplant zunächst als Baustraße genutzt und nach Beendigung der Baumaßnahmen instandgesetzt werden darf, sondern eine neue Straße zu errichten ist. Auch bedarf es einer Planungsänderung der Stellplatzanlage, da denkmal- und naturschutzrechtliche Anforderungen zu beachten sind. Darüber hinaus hat die Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) 2013 zu höheren Honoraransprüchen geführt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/2151. b. Wann wurde die Behördenleitung darüber informiert? Siehe die Antworten zu 3. c. bis 3. f. c. Wann wurde Staatsrat Dr. Hill darüber informiert? Mit Vermerk vom 22. Mai 2014 wurde Staatsrat Dr. Hill darüber informiert, dass beim Neubau des Hafthauses III in der JVA Glasmoor deutliche Termin- und Kostenrisiken bestehen. Über deren Höhe auf Grundlage einer Kostenberechnung wurde er am 11. Juli 2014 mündlich und am 29. Juli 2014 schriftlich informiert. Zugleich erfolgte die Information, dass noch nicht bezifferbare Kostenrisiken für den Umbau des Hafthauses I bestehen. Über deren Höhe auf Grundlage einer Kostenberechnung wurde er im Frühjahr 2015 informiert. d. Wann wurde Senatorin Schiedek darüber informiert? Senatorin Schiedek wurde jeweils zeitnah von Staatsrat Dr. Hill unterrichtet. Wann dies der Fall war, lässt sich mangels Aufzeichnung der Gespräche im Nachhinein nicht mehr feststellen. e. Wann wurde Staatsrätin Günther darüber informiert? f. Wann wurde Senator Dr. Steffen darüber informiert? Eine erste Information, dass die in der 20. Legislaturperiode veranschlagten Kosten voraussichtlich überschritten werden würden, erfolgte im Zuge des Amtsantritts durch Aushändigung einer Übergabemappe. Über deren Umfang wurden Senator Dr. Steffen und Staatsrätin Günther erstmalig im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2433 3 Besprechungen mit der Leitung des Amtes für Justizvollzug und Recht konkreter informiert. In welchen Sitzungen die Kostensteigerungen im Zusammenhang mit der JVA Glasmoor erörtert wurden, lässt sich mangels Aufzeichnung der Gespräche im Nachhinein nicht mehr feststellen. g. Wann wurde die Senatskanzlei darüber in Kenntnis gesetzt, dass die rund 17 Millionen Euro nicht ausreichen werden? Die Senatskanzlei wurde im Herbst 2014 informiert. h. Aus welchem Grund erfolgte eine Information der Bürgerschaft erst über anderthalb Jahre nach Erlangung der Kenntnis, dass die 17 Millionen Euro nicht ausreichen könnten? Siehe Vorbemerkung. 4. Die Drs. 20/4930 wurde am 11. April 2013 beschlossen. a. Was ist seitdem im Hinblick auf den Umbau und die Modernisierung der JVA Glasmoor konkret in die Wege geleitet worden? Im September 2013 wurde die Instandsetzung des Daches des Hafthauses II und im Oktober 2014 die Turmsanierung des Hafthauses I beendet. Zudem lagen im Juli 2014 der Entwurf der Haushaltsunterlage – Bau und der Bauvorbescheid für die Errichtung des Hafthauses III vor. Im April 2015 wurde der Entwurf der Haushaltsunterlage -Bau für den Umbau des Hafthauses I fertiggestellt. b. Wann wird der Baubeginn nach Kenntnis der zuständigen Behörde nunmehr stattfinden? Konkrete zeitliche Planungen zum Baubeginn können erst nach Abschluss der konzeptionellen Überlegungen einer Neustrukturierung des Justizvollzuges und der damit verbundenen Festlegung des Umfangs des neu zu errichtenden Hafthauses III in der JVA Glasmoor erfolgen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antwort zu 1. bis 3. a.