BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2466 21. Wahlperiode 11.12.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien und Richard Seelmaecker (CDU) vom 03.12.15 und Antwort des Senats Betr.: Salafisten in Hamburgs Gefängnissen? Es ist nicht neu und wurde insbesondere im europäischen Ausland in der Vergangenheit immer wieder beobachtet, dass Islamisten, respektive Salafisten , versuchen, in den Justizvollzugsanstalten potenzielle Kandidaten für den Dschihad anzuwerben. Aus diesem Grund muss der Bekämpfung des islamistischen Extremismus im Hamburgischen Justizvollzug besondere Bedeutung zukommen. Hierbei sollte etwaigen Rekrutierungs- und Radikalisierungstendenzen von Inhaftierten nicht nur mit repressiven, sondern auch mit präventiven Maßnahmen und Vorkehrungen begegnet werden. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurde die Betreuung der muslimischen Gefangenen ausgebaut; das seelsorgerische Angebot dürfe sich nicht nur auf das Freitagsgebet beschränken. Ziel sei nach Angaben des Justizministers „eine religiöse Betreuung muslimischer Gefangener sicherzustellen, die auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgt“. Zur Vermeidung des Risikos, dass radikale Prediger als Seelsorger Zugang zu den Haftanstalten erlangten, werde jeder Imam vom Verfassungsschutz überprüft. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Erkenntnisse haben der Senat beziehungsweise die zuständigen Behörden über die Radikalisierung von Personen während oder nach ihrem Aufenthalt in hamburgischen Justizvollzugsanstalten? Den zuständigen Behörden liegen keine Erkenntnisse über eine Radikalisierung von Personen im Justizvollzug oder von einem vorangegangenen Haftaufenthalt ausgehend vor. 2. Anhand welcher Kriterien wird in den Justizvollzugsanstalten festgestellt, ob eine islamische Radikalisierung von Gefangenen oder Gefangenengruppen vorliegt? Die Anstalten orientieren sich an den Hinweisen im „Merkblatt des Bundeskriminalamtes für Justizvollzugsbedienstete: Indikatoren zum Erkennen islamistisch-terroristischer Zusammenhänge“ und einer Handreichung des Hamburgischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Darüber hinaus liegt eine vorläufige Liste der zuständigen Behörde mit Merkmalen vor, die Hinweise in Richtung einer möglichen Radikalisierung im Justizvollzug geben können. Zu den wesentlichen Merkmalsbereichen können Veränderungen des äußerlichen Erscheinungsbildes, Änderungen der Lebensweise, eine zunehmend größere Bedeutung der Religion für das eigene Leben, der Aufbau eines neuen sozialen Umfeldes und die Beschäftigung mit islamistischen Themen gehören. Drucksache 21/2466 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Welche Maßnahmen wurden zur Erkennung salafistischer Haltungen unter den Gefangenen getroffen? Bei der Aufnahme in den Vollzug und während der Inhaftierung werden Anhaltspunkte für eine mögliche Radikalisierung besonders beachtet. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. a. Wie werden die Bediensteten des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) im Umgang mit islamistischen Häftlingen geschult? Für die Bediensteten des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) werden Fortbildungsangebote zum Thema Islam und Islamismus in der Justizvollzugsschule Hamburg und in der Justizvollzugsschule Neumünster angeboten. Die Fortbildungen werden von fachkundigen Dozenten, in der Regel Islamwissenschaftlerinnen und Islamwissenschaftlern , geleitet. Umfassende Angebote zum Thema Islamismus stehen auch im Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) der hamburgischen Verwaltung zur Verfügung . Der Katalog des ZAF wird den Personalleitungen der Anstalten regelmäßig zugeleitet. Im Weiteren ist vorgesehen, das Thema „Religiöser Extremismus“ in den Ausbildungskanon für zukünftige Bedienstete des Allgemeinen Vollzugsdienstes aufzunehmen . Im Rahmen des Fachs Gesellschaftskunde sollen die AVD-Anwärterinnen und -Anwärter dazu von einem Experten unterrichtet werden. Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen. b. Welche entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen wurden seit dem Jahr 2012 angeboten? 2012 29.08.2012: Interkulturelle Handlungsstrategien im Vollzugsalltag 04./05.09.2012: Interkulturelle Kompetenz im Justizvollzug 24.09.2012: Umgang mit muslimischen Gefangenen 2013 26.02.2013: Interkulturelle Handlungsstrategien im Vollzugsalltag 02./03.09.2012: Interkulturelle Kompetenz im Justizvollzug 2014 04.03.2014: Interkulturelle Handlungsstrategien im Vollzugsalltag 03.04.2014: Islam – Islamismus 14.05.2014: Hintergrundinformationen zur Entwicklung in Syrien 25./26.08.2014: Interkulturelle Kompetenz im Justizvollzug 2015 03.04.2015: Islam – Islamismus 24.04.2015: Hintergrundinformationen zur Entwicklung in Syrien 28.04.2015: Hintergrundinformationen zur Entwicklung in Syrien 11.06.2015: Islamismus – eine Einführung 20.08.2015: Salafisten – Prävention und Deradikalisierung im Justizvollzug 4. Wie viele mutmaßliche Islamisten befinden sich zurzeit in hamburgischen Justizvollzugsanstalten? Derzeit befinden sich nach den Erkenntnissen der zuständigen Behörde zwei mutmaßliche Islamisten im Hamburger Justizvollzug. 5. Wie hoch ist der ungefähre Anteil an Personen muslimischen Glaubens in den hamburgischen Justizvollzugsanstalten? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2466 3 Angaben zur Konfessionszugehörigkeit werden im Datenverwaltungsprogramm des Justizvollzuges (BASIS-Web) erfasst, wenn die Gefangenen im Aufnahmegespräch darüber Angaben machen. Am 1. Dezember 2015 waren danach 21,9 Prozent der Gefangenen muslimischen Glaubens. 6. Welche Maßnahmen und Programme werden bereits gegen die islamische Radikalisierung von Personen während ihres Aufenthalts in Justizvollzugsanstalten ergriffen beziehungsweise angeboten? Inwiefern sollen diese ausgeweitet werden? Die Hamburger Justizvollzugsanstalten arbeiten zur Abwendung einer islamistischen Radikalisierung von Gefangenen eng mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes zusammen. Dazu gehören die praxisorientierte Behandlung grundsätzlicher Themen aus dem Bereich des Islamismus sowie die Beurteilung konkreter Einzelfälle. Im Jugendvollzug wird von einem Ausländerberater einmal in der Woche eine Gesprächsgruppe für Arabisch sprechende Gefangene angeboten, in der Themen des aktuellen politischen Geschehens behandelt werden. Darüber hinaus führt eine Honorarkraft arabischer Herkunft als „Integrationscoach“ zweimal in der Woche ein Gesprächsangebot für Arabisch sprechende Gefangene durch. Die Maßnahmen werden ausgebaut. Die zuständige Behörde hat mit dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. (SCHURA) eine Vereinbarung über die Durchführung von Gesprächsangeboten für muslimische Gefangene geschlossen. Ausgesuchte Imame, die für diese Aufgabe über die notwendigen Fachkenntnisse und persönlichen Voraussetzungen verfügen, sollen offene Gesprächsrunden und bei Bedarf auch Einzelgespräche mit muslimischen Gefangenen anbieten. Behandelt werden sollen die eigene Biografie, interkulturelle Erfahrungen, die Vereinbarkeit traditioneller und „moderner“ Werte, Fragen der Orientierung in einer pluralistischen Gesellschaft sowie die Unterstützung bei der Entwicklung einer Zukunftsperspektive und die Vorbereitung auf die Entlassung. Das Angebot geht damit über die religiöse Betreuung von Muslimen hinaus und dient nicht als Seelsorge im engeren Sinne. Die Maßnahme soll zunächst in der JVA Billwerder und der JVA Fuhlsbüttel umgesetzt werden. Die Auswahl und Vorbereitung der Gesprächsleiter ist abgeschlossen. Die Sicherheitsüberprüfungen wurden eingeleitet. Darüber hinaus wird geprüft, die Beratungsstelle „legato – systemische Ausstiegsberatung – Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen in die Arbeit der Vollzugsanstalten einzubinden. Die zuständige Behörde ist damit befasst, dafür ein umfassendes Konzept zu erarbeiten. 7. Wie viele muslimische Seelsorger beziehungsweise Imame sind aktuell in hamburgischen Justizvollzugsanstalten tätig? Bitte nach fest angestellten und ehrenamtlich tätigen Seelsorgern differenzieren. Derzeit sind im Hamburger Justizvollzug vier Imame als Seelsorger für Gefangene muslimischen Glaubens ausschließlich ehrenamtlich tätig. a. Wie sieht der Umfang der Betreuung durch muslimische Seelsorger beziehungsweise Imame in den hamburgischen Justizvollzugsanstalten aus? In der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt haben muslimische Gefangene wöchentlich die Möglichkeit, an einem Gottesdienst mit einem Imam teilzunehmen . In der JVA Billwerder und der Untersuchungshaftanstalt besteht dazu einmal im Monat Gelegenheit. Darüber hinaus kommen Imame zu besonderen religiösen Anlässen in die Anstalten (Opfer- und Zuckerfest). Im offenen Vollzug untergebrachte Gefangene muslimischen Glaubens haben die Möglichkeit, an seelsorgerischen Angeboten außerhalb des Vollzuges teilzunehmen. b. Inwiefern werden diese zuvor vom Verfassungsschutz überprüft? Nach § 34 Absatz 1 Satz 2 Hamburgisches Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Hmb- SÜG) und der dazu ergangenen Verordnung zur Bestimmung sicherheitsempfindlicher Drucksache 21/2466 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 öffentlicher Bereiche für Sicherheitsüberprüfungen vom 17. Februar 2004 ist eine Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei der Überprüfung von Imamen und muslimischen Seelsorgern nicht vorgesehen. 8. Liegen der zuständigen Behörde darüber Erkenntnisse vor, wie viele der Bediensteten im AVD Türkisch oder Arabisch sprechen? Falls ja, wie viele? Derzeit gibt es vier Bedienstete des AVD, die Deutsch und Türkisch sprechen. Erkenntnisse über Arabisch sprechende Bedienstete im AVD liegen der zuständigen Behörde nicht vor.