BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2478 21. Wahlperiode 11.12.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 03.12.15 und Antwort des Senats Betr.: Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge – Abhilfe im Unterbringungschaos ? Am 12. Oktober 2015 hat der Senat auf Druck der Opposition die Einsetzung eines Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) bekannt gegeben, um dem Zuständigkeitschaos in der Flüchtlingsunterbringung Herr zu werden. Ziel ist es, eine leistungsfähige Struktur zu schaffen und diese weiterzuentwickeln , welche die notwendigen Kapazitäten in der erforderlichen Geschwindigkeit bereitstellt. Darüber hinaus soll die Koordination der weiteren mit der Integration der Flüchtlinge zusammenhängenden Themen wie Bildung, Arbeit Wohnen und Gesundheitsversorgung mit einbezogen werden. Der Senat hat sich sehr lange Zeit gelassen, bis organisatorisch auf das andauernde Chaos bei der Erstunterbringung und Registrierung der Flüchtlinge reagiert wurde. Umso mehr sind jetzt klare Strukturen und Verantwortlichkeiten vonnöten, um die Herausforderungen zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Aufgaben hat der Zentrale Koordinierungsstab? Bitte dezidiert darstellen. Zentrale Aufgabe des Koordinierungsstabes ist es, die erforderlichen Unterbringungskapazitäten zeitgerecht zur Verfügung zu stellen, um die Obdachlosigkeit von Flüchtlingen zu vermeiden. Der Koordinierungsstab nimmt insbesondere folgende Aufgaben wahr: Beschaffung von Flächen und Objekten für Erstaufnahme- und Folgeeinrichtungen, Erweiterung und Ausbau von Erst- und Folgeeinrichtungen, Schaffung von Notunterkünften zur kurzfristigen Abwendung von Obdachlosigkeit, operative Koordinierung der ehrenamtlichen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Erst- und Folgeeinrichtungen stehen, Themen- und Aufgabenkoordinierung für Querschnittsthemen wie Gesundheit, Arbeit und Ausbildung, Kita und Schule, soweit sie die Integration von Flüchtlingen betreffen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. 2. Ist das der Aufgabenzuweisung zugrunde liegende Konzept mit den ebenfalls zuständigen Behörden vor Einsetzung des ZKF abgestimmt worden, um weitere Reibungsverluste bei der Aufgabenerfüllung auszuschließen ? Bitte die Behörden und den Zeitpunkt der Abstimmung nennen und das Konzept der Antwort als Anlage beifügen. Drucksache 21/2478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ja, das Staatsrätegremium hat den Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge mit Wirkung zum 15. Oktober 2015 eingesetzt, um eine leistungs- und durchhaltefähige Struktur zu schaffen, die einerseits in der Lage ist, erforderliche Unterbringungskapazitäten zeitgerecht bereitzustellen und andererseits die Koordination der mit der Integration von Flüchtlingen zusammenhängenden Themen erbringen kann. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Die Ziele sind bislang lediglich sehr allgemein beschrieben worden. Zur Akzeptanz der Arbeit gehört aber auch die Benennung der konkreten messbaren Ziele. a. Welche Ziele sind mit dem Leiter des Zentralen Koordinierungsstabes vereinbart worden? Bitte die entsprechende Vereinbarung der Antwort beifügen beziehungsweise die Ziele dezidiert beschreiben. b. Bleiben die zuständigen Behörden weiterhin zuständig oder gehen Zuständigkeiten auf den Zentralen Koordinierungsstab über? 4. Wie soll verhindert werden, dass die bestehenden Reibungsverluste durch den Zentralen Koordinierungsstab noch verstärkt werden? Der Zustrom von Flüchtlingen hält unverändert an: Im November 2015 sind erneut 9.588 neue Flüchtlinge zu verzeichnen gewesen, davon sind 4.065 Personen der Stadt auch längerfristig zur Unterbringung zugewiesen. Damit sind im Jahr 2015 bisher insgesamt 55.046 Schutz Suchende (vor Verteilung) in Hamburg eingetroffen, von denen Hamburg 20.131 Personen aufgenommen hat. Zum 31. Dezember 2015 werden nach aktuellem Stand rund 39.500 Plätze in der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) und der öffentlichen Unterbringung (örU) geschaffen sein, sodass im Jahr 2016 rund 40.000 zusätzliche Plätze in Einrichtungen der ZEA und örU geschaffen werden müssen , damit Obdachlosigkeit verhindert wird (siehe auch Drs. 21/2479). Mit der Einsetzung des „Zentralen Koordinierungsstabes Flüchtlinge“ zum 15. Oktober 2015 will der Senat behördenübergreifend sicherstellen, dass diese notwendigen Kapazitäten zur Erst- und Folgeunterbringung in der erforderlichen Geschwindigkeit bereitgestellt werden und dies in einer leistungsfähigen Arbeitsstruktur wahrgenommen wird. Dafür wurden die bisher in den zwei Behörden, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und Behörde für Inneres und Sport (BIS), verankerten Projekte zum Kapazitätsaufbau von Erst- und Folgeeinrichtungen zusammengeführt und sind nunmehr eng verzahnt. Eine gemeinsame und übergreifende Planung und Standortentwicklung, gestützt durch eine übergreifende Datenplattform, umfasst seitdem gemeinsame Standortbegehungen , abgestimmte Prüf- und Entscheidungsprozesse, gemeinsam durchgeführte Standortkonferenzen und eine übergreifendes Controlling. Die sich anschließende Planung und Realisierung der Erst- und Folgeeinrichtungen wird durch eine gleichzeitige organisatorische Ausrichtung auf bezirkliche Strukturen deutlich optimiert und stärkt die Kooperation mit den Bezirken. Eine offensive und dokumentierte Öffentlichkeitsarbeit , die zentral durch den Koordinierungsstab gesteuert wird, wird auch die erforderliche Bürgerbeteiligung deutlich unterstützen. Die dem Stab übertragenen Koordinierungsaufgaben sind daher weitreichend und sollen ein abgestimmtes und zielführendes Vorgehen auch zeitnah in den die Integration von Flüchtlingen betreffenden Themenfeldern wie Bildung, Ausbildung und Arbeit sicherstellen. Die originären Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Fachbehörden bleiben dabei unberührt . 5. Welche Behörden sind derzeit für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig (Erst- und Folgeunterbringung)? Was waren die Gründe, diese Aufgabe nicht in einer Behörde zu konzentrieren, sondern mit dem Zentralen Koordinierungsstab eine weitere Stelle zu schaffen? Wann ist diese Entscheidung gefallen und wer hat das entschieden? Die Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgt in Zuständigkeit der Behörde für Inneres und Sport. Die Unterbringung in den Folgeeinrichtungen erfolgt in der Zuständigkeit der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. und 2. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2478 3 6. Im Rahmen der Ernennung des Flüchtlingskoordinators wurde mitgeteilt, dass der Stab mit Befugnissen ausgestattet sei, schnelle Entscheidungen zu treffen. Welche Befugnisse sind das genau? Die Leitung des Koordinierungstabes trifft alle Entscheidungen, die den Aufbau von Unterbringungskapazitäten (Erst- und Folgeeinrichtungen) betreffen. In allen anderen mit der Flüchtlingsthematik verbundenen Themenstellungen sind die Behörden und Dienststellen der hamburgischen Verwaltung verpflichtet, die Stabsleitung zu unterstützen , ihr die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die von ihr für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zu ergreifen. 7. Wie werden bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen den originär zuständigen Behörden und dem Zentralen Koordinierungsstab verbindliche Entscheidungen getroffen? Bitte das Verfahren darstellen. Die Letztentscheidung liegt zunächst bei den jeweils zuständigen Behörden. Die Leitung des Zentralen Koordinierungsstabes kann eine Befassung der Staatsräte veranlassen . 8. Wem ist der ZKF unterstellt und wem berichtet er? Die Leitung des Zentralen Koordinierungsstabes untersteht direkt den Staatsräten der Behörde für Inneres und Sport/Bereich Inneres und der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, denen sie neben der Senatskanzlei regelmäßig berichtet. 9. Derzeit hat der Senat keinen Überblick darüber, wie lange Flüchtlinge in der Erstaufnahme bis zur ausländerrechtlichen Erfassung, der Erfassung im Leistungssystem PROSA und der Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge warten müssen. Hat der Zentrale Koordinierungsstab die Aufgabe, diesen Prozess zu verbessern? Wenn ja mit welchen Maßnahmen? Die genannten Prozesse liegen federführend in der Zuständigkeit der Behörde für Inneres und Sport sowie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Verzögerungen bei der ausländerrechtlichen Erfassung ergaben sich aus dem Umstand, dass die hohen Zugangszahlen einerseits und die begrenzten räumlichen Kapazitäten in der zentralen Anlaufstelle der Erstaufnahme am Standort Harburger Poststraße andererseits es erforderten, neu ankommende Flüchtlinge zur Vermeidung von Obdachlosigkeit zunächst in anderen Standorten der zentralen Erstaufnahme unterzubringen, wo sie erst in den Folgetagen zur ausländerbehördlichen Erfassung aufgesucht werden konnten. Die für die Erstaufnahme zuständige Behörde hat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um künftig eine umgehende ausländerrechtliche Erfassung sicherzustellen, siehe Drs. 21/2148. Auch die leistungsrechtliche Sachbearbeitung konnte insbesondere durch die Einrichtung von Verwaltungsaußenstellen in den Bezirksämtern im September 2015 sowie weitere Einzelmaßnahmen beschleunigt werden, siehe Drs. 21/2315. 10. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat der Zentrale Koordinierungsstab zum 30. November und wie viele wird er haben, wenn der Aufbau abgeschlossen ist (bitte in Vollzeitäquivalenten darstellen)? Am 30. November verfügte der Zentrale Koordinierungsstab über 71 Vollzeitkräfte (VK). Die Planungen für eine abschließende Ausstattung sind noch nicht abgeschlossen . a. Von welchen Behörden kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ? Bitte jeweils für die einzelnen Behörden gesondert mit Ist und Soll darstellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Stand 30. November im Zentralen Koordinierungsstab tätig sind, kommen aus folgenden Behörden und Ämtern: 1 Senatskanzlei (SK) 1 Personalamt (PA) 1 Justizbehörde/Gerichte (JB) Drucksache 21/2478 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 1 Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) 1 Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG) 16 Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) 2 Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) – Jobcenter t.a.h. 4 Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) 17 Behörde für Inneres und Sport (BIS) 2 Finanzbehörde (FB) 2 Bezirksamt Hamburg-Mitte 2 Bezirksamt Hamburg-Nord 1 Bezirksamt Wandsbek 4 Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) 2 Landesbetrieb Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) 1 Landesbetrieb Zentrum für Personaldienste (ZPD) 4 Schulbau Hamburg (SBH) 1 Rechnungshof (RH) 1 Universität Hamburg Hinzu kommen sieben weitere Beschäftigte, die nicht aus Behörden und Ämtern der Freien und Hansestadt Hamburg stammen. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. b. Werden sämtliche Stellen, die im Zentralen Koordinierungsstab besetzt werden, in den abgebenden Behörden nachbesetzt? Die Stellen im Koordinierungsstab werden weitestgehend mit Beschäftigten der Hamburger Behörden besetzt. Die dadurch frei werdenden Stellen können – soweit erforderlich – nachbesetzt werden. 11. Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel möchte bei Planung und Vorbereitung von Unterkünften einen Stand erreichen, bei dem ausreichend Vorlauf für die notwendige Organisation ist. Ist absehbar, wann dieser Stand erreicht sein wird beziehungsweise gibt es einen Zeitpunkt, an dem man dieses Ziel spätestens erreicht haben will? Dieser Zeitpunkt ist davon abhängig, wie sich der Zugang an Asylsuchenden in den nächsten Monaten entwickelt. 12. Ehrenamtlichen Initiativen soll der Zugang zu Flüchtlingsunterkünften erleichtert werden. Was steht dem derzeit noch entgegen? Zu wann soll dieses Ziel umgesetzt sein? Der Zugang für ehrenamtliche Initiativen zu den Unterkünften ist grundsätzlich geregelt . Die Betreiber der Unterkünfte steuern die Zugangsvoraussetzungen zum Schutz der Bewohner und zur Vermeidung von unbefugten Zutritten. Für die in den ehrenamtlichen Initiativen engagierten Freiwilligen bedeutet dies den Abschluss einer Ehrenamtsvereinbarung mit dem Betreiber und die Vorlage eines Führungszeugnisses. Dieses Verfahren hat sich bewährt. In der laufenden Arbeit stehen den ehrenamtlichen Initiativen das Unterkunfts- und Sozialmanagement sowie die Freiwilligenkoordination der Betreiber als Unterstützung und zur Absprache von Angeboten in den Unterkünften zur Verfügung. 13. Wie viele und welche neuen Stabsstellen (Mitarbeiter und VZÄ) hat der ZKF geschaffen beziehungsweise sind diesem zugeordnet worden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2478 5 Zusätzlich zum Personalbestand zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Einsetzungsverfügung am 15. Oktober 2015 sind dem Zentralen Koordinierungsstab mittlerweile 27 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugeordnet worden. 14. Hat der ZKF ein eigenes Budget in seiner Verantwortung? Die haushaltsrechtliche Budgetverantwortung bleibt im Grundsatz bei den jeweiligen Fachämtern der Behörde für Inneres und Sport (BIS) sowie der Behörde für Arbeit, Soziales und Integration (BASFI). Der Zentrale Koordinierungsstab ist aber für den Kapazitätsaufbau der öffentlichen Folgeunterbringung sowie im Bereich der Einrichtungen der Zentralen Erstaufnahme beauftragte Durchführungseinheit im Sinne der Verwaltungsvorschriften zur LHO. Dem Zentralen Koordinierungsstab wird daher im Rahmen von Vereinbarungen ein Ressourcenrahmen zur Verfügung gestellt, der einem Fach- und Finanzcontrolling unterliegt.