BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/255 21. Wahlperiode 21.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 15.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Bluttat an der Nelson-Mandela-Schule – Hintergründe und Erkenntnisse Am späten Vormittag des 14. April 2015 ereignete sich im Bereich der Außenstelle der Nelson-Mandela-Stadtteilschule in der Prassekstraße in Hamburg-Wilhelmsburg eine Tragödie. Nach bisherigen Erkenntnissen erstach ein 17 Jahre alter Schüler einen gleichaltrigen Mitschüler. Beide sollen afghanischer Herkunft und im Rahmen einer sogenannten Internationalen Vorbereitungsklasse (IVK) unterrichtet worden sein. Die genauen Umstände und Hintergründe dieses Vorfalls sind bislang nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie lautet der aktuelle Ermittlungsstand? Der Beschuldigte wurde nach seiner Festnahme am späten Nachmittag des 15. April 2015 dem Amtsgericht Hamburg zugeführt. Gegen ihn erging Haftbefehl wegen Mordes . Er befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen stehen noch am Anfang und dauern an. 2. In welcher Beziehung standen Täter und Opfer? Der Senat sieht im Hinblick auf die mögliche Beeinträchtigung der Ermittlungen von einer Antwort ab. 3. Welcher Nationalität war das Opfer und ist der Täter? Opfer und Täter haben beide die afghanische Staatsangehörigkeit. 4. Handelt es sich bei Opfer und Täter um Flüchtlinge? Wenn ja, mit welchem Aufenthaltsstatus? In welchem Stadium befindet sich das entsprechende Verfahren? Beide sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das Opfer und der Beschuldigte waren jeweils als Asylbewerber im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Für beide Asylverfahren liegt noch keine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor. 5. In welcher Einrichtung waren Täter und Opfer jeweils seit wann und unter welchen räumlichen Verhältnissen untergebracht? Der Beschuldigte war nach seiner Einreise in Hamburg zunächst bei einem Familienangehörigen untergebracht. Beide Minderjährige waren in Einrichtungen „Ambulant betreutes Wohnen“ nach § 30 SGB VIII untergebracht. Das Opfer wohnte seit Juli 2014 in einer Jugendwohnung des Landesbetriebes Erziehung und Beratung (LEB) mit insgesamt 13 Jugendlichen und jungen Volljährigen. Der Beschuldigte wohnte seit August 2014 in einem regionalen Wohnprojekt des Trägers Hamburger Kinder- und Jugendhilfe e.V. mit neun Plätzen in Drucksache 21/255 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 drei Wohneinheiten in einem eigenen Zimmer und einem im Haus wohnenden internen Betreuer. 6. Handelt es sich um minderjährige unbegleitete Flüchtlinge oder sind beziehungsweise waren sie durch Familienangehörige begleitet untergebracht ? Siehe Antworten zu 4. und zu 5. 7. Wurden Täter oder Opfer seit Ihrer Ankunft in Deutschland wegen ihrer Fluchterlebnisse psychologisch betreut oder befanden sich in traumatherapeutischer Behandlung? Wenn ja, wann, wo und wie lange? Nein. 8. Welche schulischen Einrichtungen oder Kurse in Hamburg besuchten Täter und Opfer seit ihrer Einreise nach Deutschland? Das Opfer wurde im Juni 2014 durch das Schulinformationszentrum (SIZ) in das Hamburger Schulsystem aufgenommen, der Nelson-Mandela-Schule zugewiesen und seit dem 1. Juli 2014 dort beschult. Der Beschuldigte wurde im Dezember 2013 im Hamburger Institut Berufliche Bildung (HIBB) in die Datenbank aufgenommen und ab Januar 2014 bis zu den Sommerferien zunächst in einer Berufsvorbereitungsmaßnahme für Migrantinnen und Migranten an einer Handelsschule unterrichtet. Ab dem Schuljahr 2014/2015 besuchte er eine Vorbereitungsklasse der Nelson-Mandela-Schule. 9. Sind Täter oder Opfer vor der Tat bereits in der Unterkunft auffällig geworden oder polizeilich in Erscheinung getreten? Wenn ja, wann und in welchem Zusammenhang. Über das Opfer liegen über die erkennungsdienstliche Behandlung im Mai 2014 im Zusammenhang mit der Asylantragstellung hinaus keine weiteren polizeilichen Erkenntnisse vor. Der Beschuldigte wurde im November 2013 wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise in Passau und ein weiteres Mal im Dezember 2013 in Hamburg aufgrund der Asylantragstellung erkennungsdienstlich behandelt. Weitere polizeiliche Erkenntnisse liegen nicht vor. 10. Wie viele Personen wurden bei diesem Vorfall wie schwer verletzt? Bitte nach Schülern, Lehrkräften und sonstigen Personen aufschlüsseln. Das Tatopfer wurde durch zahlreiche Messerstiche getötet. Der Beschuldigte erlitt eine Schnittverletzung an der Hand. Verletzungen weiterer Personen sind nicht bekannt. Eine Schülerin erlitt einen Schock und wurde ins Krankenhaus gebracht. 11. Fand die Tat in einem Schulcontainer statt? Wenn ja, war dieser Container räumlich vom Schulhof der Grundschule getrennt? Wenn ja, wie? Die Tat fand im Erdgeschoss eines zweigeschossigen Schulcontainers statt. Der Schulhof der Grundschule ist durch eine Hecke mit Durchgang von den mobilen Klassenräumen der Internationalen Vorbereitungsklassen (IV-Klassen) „abgetrennt“. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/255 3 12. Zu wie vielen gewalttätigen Auseinandersetzungen in oder im unmittelbaren Umfeld von Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) und Alphabetisierungsklassen (ABC) ist es seit 2011 mit welchen Folgen gekommen? Bitte jahresweise und nach Schulstandorten sowie unter Angabe der Zahl der geschädigten Personen aufschlüsseln. Bei der Staatsanwaltschaft liegen keine Erkenntnisse zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen in oder im Umfeld von IV-Klassen und Alphabetisierungsklassen (ABC) vor. Im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA wird der Umstand, ob eine Tat im Zusammenhang mit dem Unterricht in den beiden genannten Klassenformen steht, nicht registriert. Zur Beantwortung dieser Frage müssten daher jedenfalls sämtliche wegen des Vorwurfs einer vorsätzlichen Körperverletzung beziehungsweise vorsätzlichen Tötung geführten Verfahren aus den Aktenzeichenjahrgängen 2011 bis 2015 händisch ausgewertet werden. Angesichts der Vielzahl der Verfahren und der Kürze der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit ist weder eine Beiziehung der Akten noch eine Verfahrensauswertung möglich. Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Für die Beantwortung wäre eine händische Auswertung von über 100.000 Vorgängen erforderlich. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Gewaltmeldungen der Hamburger Schulen werden nicht nach Klassenformaten wie „IV-Klassen“ oder nach Personenmerkmalen wie „Flüchtlingskind“ bei der Dokumentation kodiert, sondern nur nach Schulstandorten, Namen und Altersangaben beziehungsweise Klassenstufen. Eine händische Auswertung dieser Fragestellung ist in der Kürze für die Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. Vorherige Meldungen der Schule über Gewalttaten in dieser Klasse, insbesondere des Tatverdächtigen oder des Opfers, liegen der zuständigen Behörde nicht vor. 13. Stehen Schulen, die IVK- oder ABC-Klassen führen, gesonderte Mittel zur Gewaltprävention zur Verfügung? Wenn ja, welche und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Sämtliche Nachfragen der Schulen mit entsprechenden Klassenformaten werden über die Regelaufgaben der zuständigen Behörde (zum Beispiel Beratung, Einzelhilfe, Fortbildungsangebote, Präventionskonzepte) beziehungsweise über den vorhandenen Etat abgedeckt, siehe auch Drs. 20/5972. Das gilt auch für die Unterstützungsangebote des Landesinstituts für Lehrbildung und Schulentwicklung (LI). So werden beispielsweise von der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung des LI regelhaft Beratungen und Fortbildungen für alle pädagogischen Fachkräfte auch der IV-Klassen zum Thema „Interkulturelle Konflikte und Konfliktprävention“ angeboten.