BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2645 21. Wahlperiode 23.12.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Richard Seelmaecker und Philipp Heißner (CDU) vom 17.12.15 und Antwort des Senats Betr.: Situation der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge in Hamburg Minderjährige Flüchtlinge zieht es zu Hunderten nach Hamburg; bislang durften sie dort bleiben wo sie ankamen, meist in Großstädten. Dies hat sich erfreulicherweise geändert, auch jugendliche Flüchtlinge werden nun gleichmäßiger in Deutschland verteilt. Am 1. November 2015 trat die gesetzliche Regelung zur bundesweiten Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Kraft. Es ist davon auszugehen, dass sich dadurch die Zahl der dauerhaft in Hamburg verbleibenden jungen Flüchtlinge reduzieren und Hamburg spürbar entlastet wird. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge welchen Alters befinden sich aktuell in Hamburg a. in welchen Erstversorgungseinrichtungen? b. in welcher Folgeunterbringung? Bitte nach Altersgruppe, Aufenthaltsdauer und Herkunftsland sowie getrennt nach rechtlicher Grundlage der Hilfe zur Erziehung bei den Folgeunterbringungen darstellen. Siehe Anlage und Drs. 21/2599. Die Verweildauer von unbegleiteten Minderjährigen in Hamburg in Hilfen zur Erziehung als Folgeunterbringung wird statistisch nicht erfasst. Eine Einzelauswertung und Überprüfung von 400 Fallakten ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die sich im Rahmen einer normalen Erstversorgungseinrichtung als pädagogisch kaum zugänglich gezeigt hatten, sind zurzeit jeweils in welchen Erstversorgungseinrichtungen untergebracht? Bezüglich der pädagogischen Erreichbarkeit werden keine statistisch auswertbaren Informationen gesammelt. Wenn bei einem unbegleiteten Minderjährigen mit stark abweichendem Verhalten in der Erstversorgung eine pädagogische Erreichbarkeit nur schwer oder unzureichend hergestellt wird, kommt eine Betreuung in der hierfür spezialisierten Einrichtung am Bullerdeich in Betracht. Dort sind zurzeit 15 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Im Übrigen siehe Drs. 20/14388 und Drs. 20/14451. Drucksache 21/2645 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur bundesweiten Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bereits in andere Bundesländer verteilt ? Mit Stichtag 17. Dezember 2015 wurden seit dem 1. November 131 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Jugendämtern in anderen Ländern übergeben. 4. Mit welchem Bestand in der Erstaufnahme und Erstversorgung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge rechnet die zuständige Behörde für das Jahr 2016? Eine Prognose ist kaum möglich, da der Zuzug nach Deutschland und Hamburg nicht einschätzbar ist. Der für die Erstaufnahme und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zuständige Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) geht daher zunächst weiterhin von rund 1.500 Personen aus. 5. Ist die Einrichtung weiterer Erstversorgungseinrichtungen geplant? Falls ja, an welchen Standorten mit jeweils wie vielen Plätzen? Folgende Einrichtungen werden aktuell geplant: Langenhorner Chaussee 140 77 Krausestraße 57 28 von Haeften-Straße 1 48 Stapelfelder Straße 7 48 Auf dem Königslande 92 32 Oehleckerring 20 48 6. Laut Angaben des Senats in der Drs. 20/14626 enden Amtsvormundschaften in der Regel mit Vollendung des 18. Lebensjahres, in Ausnahmefällen je nach Herkunftsland mit Vollendung des 21. Lebensjahres. a. Um was für Ausnahmefälle und welche Herkunftsländer handelt es sich bei den Amtsvormundschaften, die auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus bestehen? b. Auf welcher rechtlichen Grundlage endet eine Amtsvormundschaft erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres? c. Wie viele dieser Ausnahmefälle bestehen aktuell und welche Kosten werden dadurch verursacht? d. Gelten diese Ausnahmefälle dann noch bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge? Nach Artikel 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) richtet sich die Rechts- und Geschäftsfähigkeit einer Person nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Für die Frage, ob ein ausländisches Kind oder ein Jugendlicher als voll geschäftsfähig zu gelten hat, ist daher stets das Heimatrecht zu prüfen. Unabhängig von den privatrechtlichen Regelungen bestehen die Altersregelungen zum Antragsrecht des Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe ) fort, sodass alle jungen Flüchtlinge, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, Volljährigenhilfe beantragen können. Für folgende Länder ist ein vom Deutschen Recht abweichendes Volljährigkeitsalter bekannt: Algerien: 19, Japan, Südkorea, Thailand: 20, Ägypten, Argentinien, Bahrein, Burundi, Elfenbeinküste, Guinea, Honduras, Kamerun, Lesotho, Monaco, Philippinen, Swasiland: 21. Eine festgelegte Altersgrenze für die Volljährigkeit kann jedoch nicht für alle Staaten benannt werden. Laut JUS-IT trifft ein abweichendes Volljährigkeitsalter aktuell für 136 junge Flüchtlinge zu, diese stammen aus Ägypten (120), Algerien (acht) und Guinea (acht). Da diese jungen Flüchtlinge ab Vollendung des 18. Lebensjahres Hilfen nach § 41 SGB VIII erhalten, werden keine höheren Kosten verursacht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2645 3 7. Wie viele Verfahren zur medizinischen Alterseinschätzung wurden seit dem zweiten Halbjahr 2014 jeweils mit welchen Ergebnissen durchgeführt ? Seit Juli 2014 wurden 1.024 Altersfeststellungsverfahren durchgeführt. 562 beziehungsweise 55 Prozent führten zum Ergebnis „18.Lebensjahr noch nicht vollendet“, 462 beziehungsweise 45 Prozent zum Ergebnis „18.Lebensjahr vollendet“. 8. Wie viele Asylanträge wurden seit dem 1. November 2014 von in Hamburg lebenden minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen gestellt? a. Wie vielen dieser Asylanträge wurde seit dem 1. November 2014 stattgegeben? b. Wie viele dieser Asylanträge wurden seit dem 1. November 2014 abgelehnt? Das gemäß § 5 Asylgesetz für die Durchführung der Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet und auf freiwilliger Grundlage aufgrund der anhaltenden Arbeitsbelastung aktuell nicht in der Lage, Parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. 9. Wie hat sich die Anzahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, die als Intensivtäter ausgeschrieben sind, seit Beginn des Jahres entwickelt ? Bitte monatsweise darstellen. Die Polizei erhebt statistische Daten im Sinne der Fragestellung jeweils am letzten Werktag eines Monats. Durch Neueinstellungen und Löschungen von Personen unterliegen diese Zahlen täglichen Schwankungen. Die Entwicklung der Zahlen ist in der folgenden Tabelle dargestellt (Stichtag 17. Dezember 2015): Monat Anzahl Januar 30 Februar 31 März 41 April 42 Mai 43 Juni 49 Juli 46 August 47 September 46 Oktober 45 November 47 Dezember 48 a. Wie viele der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, die als Intensivtäter ausgeschrieben sind, wurden seit Beginn des Jahres ausgewiesen? Drei Personen. Mehrere der als Intensivtäter ausgeschriebenen Personen befinden sich derzeit noch in laufenden Asylverfahren, welche einer Aufenthaltsbeendigung vorübergehend entgegenstehen . Weitere sind nach negativem Abschluss ihrer Asylverfahren bereits vollziehbar ausreisepflichtig und stehen damit auch ohne Ausweisung zur Aufenthaltsbeendigung an, die in vielen Fällen jedoch vorerst an der Klärung der Identität beziehungsweise der Beschaffung von Passersatzpapieren scheitert. b. Wie viele Anträge für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die als Intensivtäter ausgeschrieben sind, wurden seit Beginn des Jahres beim Familiengericht auf eine Genehmigung zur geschlossenen Unterbringung gemäß § 34 SGB VIII i.V.m. § 1631b BGB gestellt? c. Wie vielen dieser Anträge hat das Familiengericht stattgegeben? Drucksache 21/2645 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 d. Wie viele der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, die als Intensivtäter ausgeschrieben sind, sind in welchen Einrichtungen geschlossen untergebracht? Im erfragten Zeitraum ist kein Antrag zur Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung gemäß §§ 1631b BGB zur Unterbringung in einer Einrichtung gestellt worden . e. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge befinden sich seit Januar 2015 in der Zuständigkeit des Familieninterventionsteams (FIT)? Bitte monatsweise darstellen. Jan Feb März Apr Mai Jun Jul Aug Sept Okt Nov Dez 29 32 35 31 36 41 42 42 34 32 26 26 Die in der Tabelle aufgeführten Daten sind jeweils Stichtagserhebungen am Ende des Monats. 10. Medienberichten zufolge haben sich Bremen und Hamburg auf die Errichtung einer geschlossenen Unterbringung auf dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt Blockland in Bremen geeinigt. a. Über wie viele Plätze wird die Einrichtung verfügen und wie viele dieser Plätze wird der Senat für Hamburger Kinder und Jugendliche beanspruchen können? b. Wann ist mit der Inbetriebnahme der geschlossenen Unterbringung zu rechnen? Siehe Drs. 21/2126. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2645 5 Anlage Mittlere Verweildauer von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Inobhutnahme (laufende Fälle in Tagen): Quelle: LEB Herkunftsland Alter unter 12 12 13 14 15 16 17 Afghanistan 90 58 111 109 129 126 187 Ägypten 168 74 11 107 101 229 285 Albanien 174 145 163 220 Algerien 78 88 115 261 Äthiopien 240 32 Benin 183 135 228 Burkina-Faso 250 Elfenbeinküste 99 Eritrea 54 291 153 158 140 159 Gambia 21 125 172 228 Ghana 166 Guinea 7 141 263 156 172 239 Guinea-Bissau 225 Indien 170 Irak 124 173 87 66 152 Iran 21 71 59 Libanon 20 Libyen 156 Marokko 65 69 167 Niger 131 Nigeria 69 Pakistan 81 105 159 Palästina 5 61 235 Russische Föderation 271 Sierra Leone 215 Somalia 193 236 112 146 235 Syrien 87 78 119 97 98 109 111 Tschad 261 Tunesien 133 Türkei 100 Ukraine 68 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Hilfen zur Erziehung als Folgeunterbringung nach Altersgruppen: Quelle: JUS-IT (Stichtag 18.12.2015) Altersgruppe Summe: 6 bis u.9 2 9 bis u.12 2 12 bis u.15 28 15 bis u.18 368 gesamt 400