BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2681 21. Wahlperiode 12.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 04.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Flüchtlingsunterbringung in den Nachbarländern der Metropolregion Hamburg Bereits vor gut zehn Jahren hatte Hamburg Probleme mit der Zentralen Erstaufnahme von Flüchtlingen, wenn auch in anderer Dimension. Von aus heutiger Sicht gerade einmal 500 Plätzen in der Erstaufnahme waren in den Jahren 2002 bis 2005 durchschnittlich nur knapp über die Hälfte belegt. Zwar war Hamburg rechtlich verpflichtet, eine Erstaufnahme für Asylbewerber vorzuhalten , doch die damaligen Überkapazitäten kosteten viel Geld. Doch Hamburg war mit diesem Problem nicht allein. Auch andere Bundesländer hielten zu viele Plätze vor, die nicht der „Nachfrage“ entsprachen. 2006 einigte sich der Hamburger Senat unter Bürgermeister Ole von Beust mit der rotroten Regierung in Mecklenburg-Vorpommern darauf, dass Hamburg 350 Plätze im nur 65 Kilometer entfernten mecklenburgischen Nostorf/Horst gegen entsprechende Übernahme der Fixkosten und einer je nach Nutzung variablen Kostenbeteiligung nutzen durfte. Auf hamburgischem Territorium wurden nur noch 40 Plätze vorgehalten. Zum 30. September 2012 kündigte Schwerin allerdings den Vertrag und meldete wegen inzwischen leicht angestiegener Flüchtlingszahlen einen höheren Eigenbedarf an. 200 statt 350 Plätze sieht der auch im Bereich der Finanzierung geänderte Vertrag vor. Dieser hat eine Laufzeit bis zum 30. September 2017, verlängert sich aber automatisch um ein Jahr, so er nicht bis zum 30. September 2016 gekündigt wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Angesichts der beschränkten Flächenverfügbarkeiten in Hamburg wird eine Unterbringung von Hamburg zugewiesenen Flüchtlingen in anderen Ländern als sinnvoll erachtet. Die Möglichkeiten für eine solche Unterbringung wurden daher im Rahmen verschiedenster Anlässe von Vertretern Hamburgs mit Vertretern anderer Länder angesprochen. Hinsichtlich der Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat eine Initiative Hamburgs hier zu neuen Verteilungsregelungen geführt, die Hamburg wesentlich entlasten. Hinsichtlich weiterer Unterbringungen erforderten die bisherigen und die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen ein Einvernehmen für ein vom Königsteiner Schlüssel abweichendes Verteilungsverfahren ebenso wie für eine Unterbringung in anderen Ländern im bestehenden Verteilungsverfahren. Ein solches Einvernehmen war, auch angesichts der in allen Ländern sehr angespannten Unterbringungssituation, bisher abgesehen von Nostorf/Horst, nicht herstellbar . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/2681 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie viele Plätze wurden 2015 von dem zur Verfügung gestellten Kontingent in Mecklenburg-Vorpommern in Anspruch genommen? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. Das Kontingent in Nostorf/Horst wurde zu jeder Zeit voll ausgenutzt. Die folgende Übersicht zeigt die Belegung jeweils zum Monatsende. Leichte Abweichungen nach unten resultieren in tagesaktuellen Abgängen, die in der Regel bereits am nächsten Tag wieder aufgestockt wurden. Monat Belegung (zum Monatsende) Januar 2015 191 Februar 2015 200 März 2015 195 April 2015 174 Mai 2015 200 Juni 2015 200 Juli 2015 200 August 2015 197 September 2015 200 Oktober 2015 200 November 2015 200 Dezember 2015 200 2. Wurden noch an einem anderen Ort in Mecklenburg-Vorpommern Flüchtlinge untergebracht? Wenn ja, wo und wie viele und zu welchen Konditionen? In Hamburger Zuständigkeit: nein. 3. Ist bekannt, ob Mecklenburg-Vorpommern die Absicht hat, den 2017 auslaufenden Vertrag zu verlängern? Wenn nein, soll er dann ganz aufgekündigt werden oder soll er geändert werden? Wenn Änderungen geplant sind, wie sehen diese aus? Über die Absichten der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns zur Fortsetzung der Verwaltungsvereinbarung liegen keine Informationen vor. 4. Gab es im Rahmen der steigenden Flüchtlingszahlen seit Januar 2012 bis heute Gespräche mit der Landesregierung in Schwerin über zusätzlich dort aufzunehmende Flüchtlinge aus Hamburg? Wenn ja, wann, zwischen wem genau, mit welchem Inhalt und welche Ergebnisse wurden erzielt? Werden die Gespräche fortgesetzt, wenn ja, wann? Im Verlauf des Jahres 2014 gab es Gespräche der zuständigen Behörde auf Staatsrats -, Abteilungsleitungs- und Referentenebene mit Vertretern des Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns über eine Erhöhung des hamburgischen Kontingents in Nostorf/Horst beziehungsweise einen Ausbau der dortigen Unterbringungskapazitäten , die im Ergebnis erfolglos verliefen. Im Übrigen siehe Drs. 20/13014, 21/604 und 21/1851. 5. Wurden im Jahr 2015 in einem anderen Bundesland nach dem Königsteiner Schlüssel Hamburg zugeteilte Flüchtlinge untergebracht? Wenn ja, wo, wann, wie viele und zu welchen Bedingungen und auf Grundlage welcher Vereinbarungen? Nein. 6. Gab es in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015 Gespräche mit anderen Bundesländern über den Abschluss von Verträgen zur Aufnahme von Hamburg zugeteilten Flüchtlingen außerhalb der Stadtgrenzen? Wenn ja, wann, zwischen wem genau, mit welchem Inhalt und welchen Ergebnissen? Sollen weitere Gespräche geführt werden? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2681 3 Im Dezember 2013 gab es ein Gespräch zwischen der für die Erweiterung der Zentralen Erstaufnahme zuständigen Projektleiterin mit Vertretern der Gemeinde Seevetal (Niedersachsen), einem Eigentümervertreter und einem Architekten/Stadtplaner über die Unterbringung von rund 100 Personen in einem Gebäude der dortigen Kirchengemeinde . Seitens der Gemeindevertreter wurde deutlich, dass eine Unterbringung von Flüchtlingen aus Hamburg nicht gewünscht war. Im Herbst 2014 bestand Gesprächskontakt auf Abteilungsleiterebene zwischen der zuständigen Behörde und dem Landrat des Landkreises Harburg bezüglich einer möglichen Nutzung eines ehemaligen Hotels für rund 100 Personen. Der Landkreis entschied später, das Gebäude selbst zur Unterbringung nutzen zu wollen. Die Vertreter Hamburger Behörden nutzten seitdem verschiedene Anlässe, um die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen in anderen Ländern zu erörtern. Weiterführende Gespräche mit dem Land Schleswig-Holstein sowie mit Niedersachsen gab es Ende 2015 auf politischer Leitungsebene sowie auf Abteilungs- und Referatsleitungsebene . Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 20/13014, 21/604 und 21/1851. 7. Wie ist die Rechtslage, wenn private Eigentümer der Stadt Hamburg Flächen oder Gebäude außerhalb von Hamburg zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Erstaufnahme oder Folgeunterbringung anbieten? Welche Vereinbarungen müssten zur Realisierung mit wem geschlossen werden? Nach § 45 Absatz 2 Asylgesetz ist in diesem Fall eine Vereinbarung zwischen dem Land, das die Asylbegehrenden entsprechend seiner Aufnahmequote aufzunehmen hat, und dem Land, in dem die Unterbringung erfolgen soll, erforderlich. 8. Wurden dem Senat entsprechende Angebote von privaten Grundstückseigentümern oder Kommunen unterbreitet? Wenn ja, wann und vom wem und wie wurde damit seitens des Senats verfahren? Woran scheiterte im Einzelfall eine Realisierung der Flüchtlingsunterbringung auf solchen Flächen? Siehe Antwort zu 6. 9. Im Jahr 1949 eigentlich zur Finanzierung von Forschungseinrichtungen erdacht, wird der Königsteiner Schlüssel seit 1981 auch zur bundesweiten Umverteilung von Asylbewerbern verwendet. Allerdings spielt die für die Flüchtlingsunterbringung wichtige Aspekt der vorhandenen Fläche bei dem Schlüssel, der zu zwei Dritteln die jeweiligen Steuereinahmen und zu einem Drittel den Bevölkerungsanteil berücksichtigt, gar keine Rolle. Dieser Umstand benachteiligt Stadtstaaten wie Hamburg enorm, das nur 0,2 Prozent der Fläche bundesweit aufweist, aber 2,5 Prozent der Asylbewerber zugeteilt bekommt. Laut § 45 Absatz 1 AsylG ist der Königsteiner Schlüssel bei der Berechnung von Aufnahmequoten keineswegs alternativlos. Er ist vielmehr eine Notlösung, so denn ein anderer Verteilschlüssel nicht zustande kommt. Hat der Senat bisher versucht , eine Alternative zum Königsteiner Schlüssel zu verhandeln und durchzusetzen? Gab es Gespräche mit einzelnen oder allen Bundesländern oder mit Vertretern des Bundes hierzu? Wenn ja, wann, zwischen wem genau, mit welchem Inhalt und welchem Ergebnis? Sind weitere Verhandlungsversuche geplant, wenn ja, wann? Für eine Änderung des Verteilungsschlüssels besteht auch weiterhin keine hinreichende Akzeptanz. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 20/13014 und 21/1851.