BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2690 21. Wahlperiode 29.01.16 Große Anfrage der Abgeordneten Richard Seelmaecker, Dennis Gladiator, Joachim Lenders, Dennis Thering, Michael Westenberger (CDU) und Fraktion vom 04.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Überlastung der Justiz – Zu welchen Auswirkungen führten die Verfahrensverzögerungen an den Wirtschaftsstrafkammern? Hamburgs Justiz ist komplett überlastet; seit langer Zeit gibt es klare Hilferufe aus der Staatsanwaltschaft. Der Personalrat der Staatsanwaltschaft wies den Bürgermeister am 8. September 2015 schriftlich darauf hin, dass der Justizbehörde bereits seit Anfang 2013 – damals noch unter SPD-Führung – bekannt war, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Amtsanwälte und Staatsanwälte nicht weniger als 45 Stunden beträgt. Vor einem halben Jahr schlugen dann auch die Strafrichter des Landgerichts mit einem Brandbrief an den Justizsenator Alarm. Trotz überobligatorischen Arbeitseinsatzes der Richter, Rechtspfleger, Mitarbeiter der Geschäftsstellen, Mitarbeiter des Allgemeinen Vollzugsdienstes und der Gerichtsvollzieher führt die aktuelle Situation zu verheerenden Folgen, die von der Öffentlichkeit nur selten, nämlich meist nur dann registriert werden, wenn Straftäter Gegenstand der Berichterstattung sind. Vor allem im Bereich des Strafrechts ist die zügige Durchführung des Verfahrens für die Betroffenen und für das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat von erheblicher Bedeutung. Der Grundsatz „Die Strafe folgt auf dem Fuße“ gilt zwar vornehmlich im Bereich des Jugendstrafrechts, doch ist dieser auch Leitbild in allgemeinen Strafsachen. Überlange Verfahrensdauern führen ebenso wie den Angeklagten belastend lange Verfahrensdauern dazu, dass das eigentlich verwirklichte Unrecht des Täters nur zum Teil geahndet wird. Erstinstanzlich bereits verurteilte Straftäter müssen wegen vermeidbarer Verfahrensverzögerungen aus der Haft entlassen werden, Zeugen können sich aufgrund verblassender Erinnerungen nicht mehr detailliert an Geschehnisse erinnern und die Täter erhalten im Rahmen der Strafzumessung erhebliche Strafabschläge: So werden beispielsweise aus Nichtbewährungsstrafen Bewährungsstrafen und aus Bewährungsstrafen Einstellungen. Bereits eine überlange Verfahrensdauer stellt einen eigenen Strafmilderungsgrund dar; beruht die lange Verfahrensdauer auf einer rechtsstaatswidrigen Verletzung des Beschleunigungsgebotes , wird obendrein ein Teil der verhängten Strafe als schon vollstreckt fingiert . Die Strafrichter legten mit ihrem Brandbrief eine nicht einmal vollständige Liste von 40 besonders schweren Fällen vor, die wegen „andauernder Belastungen der einzelnen Strafkammern nicht ausreichend gefördert wurden und gefördert werden können.“ Drucksache 21/2690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 In manchen Bereichen, so zum Beispiel bei den Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichts, sind trotz im Vergleich zu anderen Teilen der überlasteten Hamburger Justiz weniger hohen Eingangszahlen Komplexität und Umfang der Verfahren so immens, dass die durchschnittliche Dauer schon von vornherein länger als in „normalen“ Strafverfahren ist. Einem Bericht aus der Zeitung „Die Welt“ vom 19. August 2015 zufolge äußerte sich der ehemaliger Vorsitzende der Großen Strafkammer 8 dahin gehend, dass eine ordentliche Rechtsprechung mittlerweile nicht mehr leistbar sei: „In zahlreichen komplexen Wirtschaftsstrafsachen ist es so, dass die jeweilige Belastungssituation darüber entscheidet, ob jemand angeklagt und verurteilt wird oder nicht.“ Solche Zustände darf der Senat nicht dulden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie hat sich die Anzahl der Dezernenten-Stellen (VZÄ) bei der Staatsanwaltschaft in der für Wirtschafts- und Steuerstrafsachen zuständigen Hauptabteilung V der Staatsanwaltschaft Hamburg seit dem Jahr 2013 jährlich entwickelt? Den sechs Ermittlungsabteilungen der Hauptabteilung V waren in den Jahren 2013 bis Januar 2016 im Soll durchgehend Vollzeitäquivalente (VZÄ) von 29,5 Dezernenten zugewiesen. Diese Anzahl beinhaltet auch den Hauptabteilungsleiter sowie die Abteilungsleiter , nicht jedoch die Wirtschaftsreferenten der Wirtschaftsfachabteilung 52. Bei der Staatsanwaltschaft wird eine monatliche Vakanzenaufstellung geführt, in der regelhaft zum jeweiligen Monatsersten die tatsächliche Personalzuweisung (Ist- Besetzung) aufgeführt ist. Auf Grundlage dieser Aufstellung ergibt sich für den Zeitraum 2013 bis 2015 folgende durchschnittliche Besetzung in der Hauptabteilung V: Jahr Soll Vakanz (Jahresdurchschnitt) Ist (Jahresdurchschnitt) 2013 29,5 0,97 28,53 2014 29,5 3,91 25,59 2015 29,5 2,98 26,52 2. Wie hat sich die Eingangszahl der Ermittlungsverfahren in der Hauptabteilung V der Staatsanwaltschaft Hamburg seit dem Jahr 2013 jährlich entwickelt? Die Eingangszahlen in der Hauptabteilung V der Staatsanwaltschaft Hamburg haben sich wie folgt entwickelt: Jahr Js Verfahren UJs Verfahren OWi Verfahren 2013 2.328 112 96 2014 2.082 85 110 2015 1.919 63 75 3. Wie lange dauerte seit dem Jahr 2013 durchschnittlich ein Ermittlungsverfahren in der Hauptabteilung V vom Tag des Eingangs bis zur Erledigung durch die Staatsanwaltschaft? Durchschnittliche Verfahrensdauer der in der Hauptabteilung V bei der Staatsanwaltschaft Hamburg erledigten Verfahren in Bekanntsachen 2013 – 2015: Jahr 2013 2014 2015 Monate 6,1 6,2 6,8 4. Wie viele seit dem Jahr 2013 in der Hauptabteilung V geführte Verfahren endeten mit Einstellungen gemäß a. § 170 Absatz 2 StPO? b. § 153 StPO? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2690 3 c. § 153a StPO? d. § 154 Absatz 1 StPO? (Soweit möglich bitte nach totalen Verfahrenseinstellungen und Teileinstellungen wegen einzelner von mehreren Taten im strafprozessualen Sinne differenziert angeben.) Anzahl der Einstellungsentscheidungen in der Hauptabteilung V nach ausgewählten Einstellungsgründen bei der Staatsanwaltschaft Hamburg 2013 – 2015 Einstellungsgrund 2013 2014 2015 Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO 959 906 766 Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 1 StPO) 462 410 445 Einstellung mit Auflage nach § 153a StPO 122 102 92 Einstellung bei unwesentlicher Nebenstraftat (§ 154 Abs. 1 StPO) 203 179 175 Je erledigtem Verfahren kann es mehrere Beschuldigte geben. Dementsprechend kann es in einem Verfahren mehrere Einstellungsentscheidungen geben und zum anderen kann in einigen der hier gezählten Verfahren gegen weitere Beschuldigte Anklage erhoben worden sein. Eine Unterscheidung, ob ein Verfahren gegen einen Angeklagten von einem Gericht teilweise nach §§ 154 oder 154a StPO eingestellt wurde, wird in MESTA nicht erfasst. 5. Wie hat sich die Anzahl der Strafverfahren vor den Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht Hamburg in erster und zweiter Instanz seit dem Jahr 2013 jeweils entwickelt? (Bitte auch gegebenenfalls diejenigen Verfahren erfassen, die vor 2013 eingeleitet beziehungsweise anhängig geworden, aber noch nicht abgeschlossen sind.) Anzahl der Strafverfahren vor dem Landgericht – Verfahren in I. Instanz vor der Wirtschaftsstrafkammer 2013 2014 bis 9.20151 Neuzugänge 30 19 13 Erledigungen 22 17 15 Bestand zu Beginn des Jahres 29 37 39 Anzahl der erledigten Strafverfahren vor dem Landgericht – Berufungen vor der Wirtschaftsstrafkammer 2013 2014 bis 9.20152 Neuzugänge 34 25 26 Erledigungen 32 21 22 Bestand zu Beginn des Jahres 23 25 29 a. Wie lange dauerte jeweils durchschnittlich ein Strafverfahren vor den Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht Hamburg in erster und zweiter Instanz seit dem Jahr 2013? Wie stellt sich die Situation im Bundesdurchschnitt dar? Durchschnittliche Verfahrensdauer der erledigten Strafverfahren vor dem Landgericht in Monaten – Verfahren in I. Instanz vor der Wirtschaftsstrafkammer 2013 2014 bis 9.20153 Hamburg 15,1 13,1 15,6 Bund 13,9 16,7 k.A.4 1 Zahlen für das 4. Quartal liegen noch nicht vor. 2 Zahlen für das 4. Quartal liegen noch nicht vor. 3 Zahlen für das 4. Quartal liegen noch nicht vor. 4 Die Bundesdurchschnittswerte liegen für 2015 noch nicht vor. Drucksache 21/2690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Durchschnittliche Verfahrensdauer der erledigten Strafverfahren vor dem Landgericht in Monaten – Berufungen vor der Wirtschaftsstrafkammer 2013 2014 bis 9.20155 Hamburg 5,9 8,4 7,0 Bund 6,8 7,7 k.A.6 Die durchschnittliche Verfahrensdauer wird auf Grundlage der statistischen Erfassung der erledigten Verfahren ermittelt. Noch nicht erledigte Verfahren sind daher in diesen Zahlen nicht erfasst. Eine händische Auswertung ist in der für eine Große Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. b. Was war jeweils die maximale Dauer der Strafverfahren vor den Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht Hamburg in erster und zweiter Instanz seit dem Jahr 2013? (Bitte gegebenenfalls auch diejenigen Verfahren erfassen, die vor 2013 eingeleitet beziehungsweise anhängig geworden, aber noch nicht abgeschlossen sind.) Maximale Verfahrensdauer unter allen erledigten Strafverfahren vor dem Landgericht – Wirtschaftsstrafkammer – in Monaten 2013 2014 bis 9.20157 I. Instanz 71,6 50,4 54,9 Berufungsinstanz 19,7 26,6 31,9 Die durchschnittliche Verfahrensdauer wird auf Grundlage der statistischen Erfassung der erledigten Verfahren ermittelt. Zu noch nicht abgeschlossenen Verfahren können deshalb keine Angaben gemacht werden. Eine händische Auswertung ist in der für eine Große Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Auch die Staatsanwaltschaft erfasst die Dauer der Anhängigkeit eines Strafverfahrens bei einem Gericht nicht statistisch. Eine Überprüfung anhand des Vorgangsverwaltungs - und Vorgangsbearbeitungssystems MESTA hat ergeben, dass die dort registrierten Daten sich programmtechnisch nicht verlässlich zur Bestimmung der Dauer der Verfahrensanhängigkeit auswerten lassen. 6. Inwiefern haben sich Komplexität und Umfang der Verfahren im Bereich der Wirtschaftsstrafsachen nach Erkenntnissen der zuständigen Behörde , der Hauptabteilung V der Staatsanwaltschaft sowie der Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht Hamburg in den letzten zehn Jahren verändert ? I. Die Staatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen: Die an die Strafverfolgungsbehörden und an die Gerichte in Zusammenhang mit der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität gestellten Anforderungen sind aus den nachfolgenden Gründen gestiegen, die zwar voneinander unabhängig sind, jedoch sämtlich an die zu leistende Arbeit höhere Ansprüche stellen. Im Einzelnen: 1. Qualitativ hochwertige Strafanzeigen Im Jahre 2005 hat die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e.V. (DPR) ihre Arbeit aufgenommen. Die DPR prüft, ob der Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht eines Unternehmens im Sinne des § 342b Absatz 2 Satz 2 HGB den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und der sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungsstandards entspricht. Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen, sind von ihr der zuständigen Verfolgungsbehörde anzuzeigen (§ 342b Absatz 8 Satz 1 HGB). 5 Zahlen für das 4. Quartal liegen noch nicht vor. 6 Die Bundesdurchschnittswerte liegen für 2015 noch nicht vor. 7 Zahlen für das 4. Quartal liegen noch nicht vor. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2690 5 Zwar sind in den Abteilungen 55 und 56 (Abteilungen für umfangreiche Wirtschaftsverfahren ) lediglich vier Verfahren anhängig geworden, die auf Anzeigen der DPR zurückgehen. Die Bearbeitung hat jedoch einen erheblichen Personaleinsatz gefordert . In Zusammenhang mit dem Vorwurf der unrichtigen Darstellung (§ 331 HGB) waren Fragen der internationalen Rechnungslegung – die sich für Unternehmenskorporationen aufgrund der gemäß § 315a HGB gebotenen Berücksichtigung der International Financial Reporting Standards (IFRS) stellen – zu klären. Dies erfordert selbst für Spezialisten eine intensive Einarbeitung und führt die mit den Verfahren befassten Dezernenten/-innen trotz Einbindung des wirtschaftlichen Sachverstandes der Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft und des wirtschaftskriminalistischen Prüfdienst des LKA Hamburg an ihre Grenzen. Zur Illustration des Ermittlungsaufwandes in einem Verfahren, das auf den von der DPR mitgeteilten Verdacht einer nicht ordnungsgemäßen Bilanzierung zurückgeht, ist auf das inzwischen bei Gericht anhängige Verfahren hinzuweisen: Allein für das Bilanzdelikt standen als Beweismittel neben circa 200 Stehordnern insgesamt fünf Terrabyte Datenmaterial (Finanzbuchhaltung und ausgewählte E-Mail-Accounts) zur Verfügung. Die vorgenannte Datenmenge entspräche in ausgedruckter Form einer Papiermenge, mit der man die Autobahnstrecke „Hamburg – Hannover“ auslegen könnte. Zur Systematisierung des Beweismaterials und zum Auffinden einzelner beweisrelevanter Informationen eingesetzte computergesteuerte Suchfilter benötigten zum Teil mehr als 24 Stunden allein für das Herausfiltern der Informationen zu einem einzelnen Suchbegriff. Für die Bearbeitung des betreffenden Verfahrens waren bei der Staatsanwaltschaft über einen längeren Zeitraum ein Dezernent mit dem ganz überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft und eine Wirtschaftsreferentin mehr oder weniger vollständig ausgelastet. 2. Erhöhung der Anforderungen an die Schadensfeststellung und -berechnung bei Betrugs- und Untreuestraftaten durch die Rechtsprechung Ausgehend von der im Juni 2010 ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verschleifungsverbot zwischen Schaden und Pflichtverletzung bei Anwendung des Straftatbestandes der Untreue haben sich die Anforderungen an die Schadens- beziehungsweise Nachteilsfeststellung bei Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) erhöht. Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 2014 in einem aus der Abteilung 55 angeklagten Verfahren auf die Revisionen der Angeklagten entschieden , dass es in Fällen, in denen der Getäuschte ein Risikogeschäft eingegangen ist, für die Bestimmung des Schadens maßgeblich auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr ankommt und ein nur drohender, ungewisser Vermögensabfluss erst dann einen Schaden darstellt, wenn der wirtschaftliche Wert des gefährdeten Vermögens bereits gesunken ist. Dieser Minderwert sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkret festzustellen sowie gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Sind Taten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, Gegenstand des Verfahrens , so wird die Rückzahlungswahrscheinlichkeit und damit der Schaden beziehungsweise Nachteil je nach Zeitpunkt des Vertragsschlusses variieren. In der Praxis bedeutet dies für die Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft, dass in Fällen von Betrug und Untreue die Zahl der Verfahren angestiegen ist, in denen die Bestimmung des eingetretenen Schadens beziehungsweise Nachteils einen deutlich größerem Aufwand als früher erfordert und die Einbindung entweder des wirtschaftskriminalistischen Prüfdienstes des Landeskriminalamtes oder eines Wirtschaftsreferenten der Wirtschaftsfachabteilung der Staatsanwaltschaft geboten ist. 3. Umsatzsteuerkarusselle, Schmuggeldelikte und Außenwirtschaftsverstöße Erheblichen Aufschwung haben in den vergangenen zehn Jahren Verfahren wegen sogenannter Umsatzsteuerkarusselle genommen. Kennzeichnend für die sich dabei stellenden Herausforderungen ist ein hochprofessionelles, arbeitsteiliges und grenzüberschreitendes Handeln aufseiten der teilweise weitverzweigten Tätergruppierungen , denen durchgängig nur durch den Einsatz eines ganzen Bündels verdeckter Drucksache 21/2690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Maßnahmen (TKÜ, Verkehrsdatenabfrage, Observation, unter Umständen „kleiner Lauschangriff“ und verdeckter Ermittler) erfolgreich begegnet werden kann. Im Bereich des Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrschmuggels (§ 373 Absatz 1 AO) sowie der Hinterziehung von Einfuhrabgaben und der damit jeweils zusammenhängenden Begleitdelikte (zum Beispiel Verstöße gegen das MarkenG) ist eine Steigerung der Fallzahlen ersichtlich auch auf die EU-Osterweiterung ab dem Jahre 2004 zurückzuführen. In Bezug auf Kriminalitätsstruktur und Methoden der Sachverhaltsaufklärung gilt das zu den Umsatzsteuer-Karussellen Gesagte. Die Außenwirtschaftsdelikte (ehemals § 34 AWG; jetzt §§ 17, 18 AWG) haben nach jahrelangem Schattendasein ab dem Jahre 2009 sowohl zahlenmäßig als auch in Bezug auf die mit der Bearbeitung verbundene Arbeitsbelastung kontinuierlich an Bedeutung zugenommen. Die Schwierigkeit der Bearbeitung ergibt sich hier einerseits aus der Materie, die neben dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung eine Vielzahl von EU-Verordnungen (zum Beispiel dual-use-VO, Iran- Embargo-VO) umfasst, und zum anderen aus dem Umstand, dass es sich hierbei ganz überwiegend um Unternehmenskriminalität handelt, ein Verantwortlicher mithin erst ermittelt werden muss. Mit der Neugestaltung des Außenwirtschaftsstrafrechts durch das – am 01.09.2013 in Kraft getretene – Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts haben sich die rechtlichen Schwierigkeiten – in Gestalt komplizierter Fragen bei der Bestimmung des anzuwendenden mildesten Gesetzes – weiter verschärft. Die Sachverhaltsaufklärung erfolgt zumeist über den Vollzug von Durchsuchungsmaßnahmen und oder die Durchführung von Außenwirtschaftsprüfungen seitens des Zoll. Bei Verstößen gegen Embargobestimmungen sind häufig auch verdeckte Überwachungsmaßnahmen erforderlich. Verfahren, die Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz zum Gegenstand haben, sind im Übrigen in hohem Maße rechtshilfeträchtig . 4. Steuerhinterziehung Gesetzesänderungen und Rechtsprechungswandel haben im Bereich der Steuerabteilungen zu Mehraufwänden und Komplexitätssteigerungen geführt: Der Bundesgerichtshof hat in einer im Dezember 2008 getroffenen Entscheidung ausgeführt , dass eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ (§ 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 AO) vorliegt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt. Vor dem Hintergrund der früheren – bis zum 31.12.2007 geltenden – tatbestandlichen Fassung des § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 AO („großes Ausmaß“ und „Handeln aus grobem Eigennutz“) ergab sich ein nennenswert größeres Fallaufkommen für die Staatsanwaltschaft, denn das für „kleine“ Steuerstrafsachen grundsätzlich allein zuständige Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen (vergleiche §§ 386 Absatz 2, 399 Absatz 1, 400 AO) hält bei Steuerschäden, die den vorgenannten Grenzwert überschreiten, eine Ahndung im Strafbefehlswege – zutreffend – für nicht mehr sachgerecht und leitet die Sache der Staatsanwaltschaft zu. Durch die mit Wirkung zum 25.12.2008 grundlegend geänderte Verjährungsregelung des § 76 AO unterliegen nunmehr alle in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 5 AO genannten Fälle einer besonders schweren Steuerhinterziehung einer zehnjährigen Verfolgungsverjährung. Die Regelung gilt gemäß Artikel 97 § 23 EGAO darüber hinaus für alle vorgenannten Steuerhinterziehungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen § 376 AO noch nicht verjährt waren. Mit der Verschärfung der Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) durch einen im Mai 2010 ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs und die nachfolgenden gesetzgeberischen Aktivitäten haben gänzlich neue beziehungsweise bislang praktisch weitgehend irrelevante Fallgruppen für die Steuerabteilungen der Staatsanwaltschaft Bedeutung erlangt. Während eine gescheiterte Selbstanzeige früher eher Seltenheitswert hatte, haben Verfahren, in denen der Beschuldigte erfolglos versucht hat, auf diese Weise Straffreiheit zu erlangen, mit der Verschärfung der Bestimmungen zur Selbstanzeige deutlich zugenommen. Eine gänzlich neue Fallgruppe hat sich mit der Einfügung der Regelung des § 398a AO ergeben. Dieser sieht vor, dass ab einem Hinterziehungsbetrag in bestimmter Höhe die mit der Selbstanzei- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2690 7 ge erstrebte Straffreiheit (nur) erlangt werden kann, wenn zusätzlich ein Geldbetrag, der sich prozentual nach der hinterzogenen Steuer bestimmt, an die Staatskasse gezahlt wird. Die Überwachung der Zahlung obliegt der Staatsanwaltschaft. Die Schwierigkeit der gesamten Materie bedingt es, dass das Hamburger Strafsachenfinanzamt der Staatsanwaltschaft nunmehr eine wesentlich größere Anzahl von Fällen als in früheren Zeiten bereits zur Prüfung vorlegt, ob durch die Nacherklärung eines Beschuldigten tatsächlich die Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes erfüllt sind. 5. Aufnahme von Wirtschaftsdelikten in den Katalog des § 100a Absatz 2 StPO Durch die aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen vom 21.12.2007 erfolgte Einbeziehung einzelner Wirtschaftsdelikte in den Katalog des § 100a Absatz 2 StPO haben sich zwar einerseits die Aufklärungsmöglichkeiten hochkomplexer und schadensintensiver Wirtschaftsstraftaten deutlich verbessert. Andererseits ist aber auch über den Gesamtzeitraum der Ermittlungs- und Strafverfahren eine deutlich höhere Arbeitsbelastung festzustellen. Nicht selten werden in Wirtschaftsstrafverfahren Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen mit erheblichem Umfang – zum Teil in Kombination mit weiteren verdeckten Maßnahmen (etwa nach § 100 folgende oder § 110a StPO) – durchgeführt. Insbesondere für den Bereich der Abteilung 54 gilt zudem, dass durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen oft umfangreiche Netzwerke von in die kriminellen Aktivitäten eingebundenen Gesellschaften aufgedeckt werden, was in der weiteren Folge zu einer starken Ausdehnung von Durchsuchungsmaßnahmen führt. Die Auswertung der dabei sichergestellten Papier-Dokumente bemisst sich oft in Kubikmetern und die auf Speichermedien gesicherten Daten umfassen nicht selten mehrere Terabyte. Eine nur halbwegs zuverlässige Sichtung und Auswertung dieser Beweismittel erfordert einen Zeitraum von mehreren Monaten, wobei der Arbeitsdruck zusätzlich verschärft wird, wenn sich einzelne Beschuldigte in Untersuchungshaft befinden oder vom Vollzug der Untersuchungshaft lediglich verschont sind und daher wegen des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen eine besonders zügige Förderung des Ermittlungsverfahrens geboten ist. 6. Bedarfssteigerungen durch Internationalisierung Einhergehend mit der – auch in anderen Bereichen feststellbaren – Internationalisierung der Strafverfolgung und vor allem mit den stetig fortschreitenden länderübergreifenden Verflechtungen auf Täterseite ist in Verfahren aus allen Bereichen der Hauptabteilung V ein erheblicher Anstieg an fremdsprachigen Dokumenten und Dateien mit Beweisrelevanz festzustellen, die einen beträchtlichen Übersetzungsaufwand nach sich ziehen. II. Das Landgericht hat ergänzend Folgendes mitgeteilt: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich hinter den vor den Wirtschaftsstrafkammern verhandelten Deliktsfeldern regelmäßig äußerst komplizierte Sachverhalte verbergen, die häufig lange (und lang zurückliegende) Zeiträume und eine Vielzahl von Beteiligten betreffen. Soweit zum Beispiel Steuerhinterziehungstaten angeklagt sind, ist regelmäßig die gesamte Geschäftstätigkeit aufzuklären, da jeder einzelne Geschäftsvorfall Auswirkungen auf die zu entrichtenden Abgaben haben kann. In aller Regel sind im Übrigen in derartigen Fällen mehrere Gesellschaften und eine Vielzahl von Personen involviert. Im Rahmen groß angelegter Betrugs-, Untreue- oder Korruptionstaten sieht es ganz ähnlich aus. In Fällen sogenannter Umsatzsteuerkarusselle gilt es häufig Taten nachzuweisen, die durch hochprofessionelles, arbeitsteiliges und grenzüberschreitendes Handeln gekennzeichnet sind. Darüber hinaus ist auch die Materie nicht selten hochspezialisiert und nur durch Hinzuziehung von Sachverständigen zu durchdringen. So sind in einzelnen Verfahren etwa komplizierte Bankprodukte oder bankenvertragsrechtliche Problemstellungen in internationalen Geschäftsbeziehungen zu prüfen. Durch die Aufnahme von Wirtschaftsdelikten in den Katalog des § 100a Absatz 2 StPO sind einerseits die Möglichkeiten zur Aufklärung hochkomplexer und schadensintensiver Wirtschaftsstraftaten verbessert; andererseits gilt es, das gewonnene Mate- Drucksache 21/2690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 8 rial zu erfassen und zu würdigen. Häufig werden die Ermittlungen aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ausgeweitet, was zu weiteren Datenmengen führt. Die Probleme der Aufklärung der hochkomplizierten Sachverhalte führen sich schließlich bei der Feststellung der jeweiligen Schäden und Schadenshöhen fort. Insbesondere bei den Untreuedelikten haben sich durch das Urteil des BVerfG zum Verschleifungsverbot zwischen den Tatbestandsmerkmalen „Pflichtverletzung“ und „Schaden“ die Anforderungen an die Schadensfeststellung erhöht. Die Komplexität insbesondere der Wirtschaftsstrafverfahren spiegelt sich auch in der Dauer der Verfahren wider: So war die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Wirtschaftsstrafverfahren (erster Instanz) in 2013 und 2014 mehr als doppelt so groß (2013: 15,1 Monate; 2014: 13,1 Monate) wie die durchschnittliche Dauer bezogen auf sämtliche Verfahren (2013: 6,8; 2014; 6,5 Monate). Noch deutlicher wird dies, bezieht man die Dauer der Ermittlungsverfahren ein (Durchschnittliche Dauer der Verfahren nach Eingang bei der StA insgesamt: 2013: 17,9 Monate; bei Wirtschaftsstrafverfahren : 46,8 Monate; 2014: Durchschnitt insgesamt: 19,4 Monate; bei Wirtschaftsstrafverfahren : 58,9 Monate). Dem entspricht die für alle Strafverfahren geltende Tendenz, dass die zwar weniger gewordenen Verfahren eine größere Anzahl von Hauptverhandlungstagen erfordert haben (Anzahl der Hauptverhandlungen im Jahre 2013 insgesamt: 314, Hauptverhandlungstage : 1.450; Anzahl der Hauptverhandlungen in 2014 insgesamt: 236. Hauptverhandlungstage: 1.658). Schließlich dürfte eine weitere Besonderheit der Wirtschaftsstrafverfahren in der Person der Angeklagten und der Verteidiger begründet sein. Seitens einiger Angeklagten besteht eine große Bereitschaft, erhebliche Energie und finanzielle Mittel in ihre Verteidigung zu investieren. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit den hohen Schadensbeträgen. Aufgrund der Struktur der angeklagten Straftaten und der enormen Fülle des vorliegenden Beweismaterials ergeben sich zudem sehr viele Möglichkeiten zum Stellen von Beweisanträgen, deren Bescheidung nicht immer einfach ist. Nach Abschluss des Beweisprogramms der Kammer werden immer wieder noch monatelang entsprechende Anträge gestellt. Nicht nur dies führt zu einem erheblichen Vor- und Nachbereitungsaufwand der einzelnen Hauptverhandlungstage. Dabei sind die auftretenden Verteidiger häufig hochspezialisiert und verfügen über einen entsprechenden „Unterbau“ aus Mitarbeitern, auf welchen sie bei der Auswertung und Aufarbeitung des vorhandenen Beweismaterials zurückgreifen können. 7. Wie viele Verfahrensrügen wegen Verstoßes gegen die ordnungsgemäße Besetzung der Wirtschaftsstrafkammern gemäß § 222b StPO wurden seit dem Jahr 2013 erhoben und wie viele von diesen waren erfolgreich? Weder bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft noch bei den Gerichten werden die Anzahl der Besetzungsrügen statistisch erfasst. Zur Beantwortung müssten daher zunächst alle seit 2013 gerichtsanhängigen und -anhängig gewesenen Verfahren mit Anklagen zu einer Großen Strafkammer ermittelt werden, die in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftskammer fallende Delikte enthalten können. Eine programmtechnische Auswertung durch einen IT-Mitarbeiter ergab Anklagen in 171 Verfahren gegen 414 Personen. Eine Beiziehung und händische Auswertung dieser Verfahren ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit Blick auf den Umfang der Verfahren nicht möglich. 8. Wie viele Verfahrensrügen im Revisionsverfahren wurden gemäß §§ 338 Nummer 1, 344 Absatz 2 StPO seit dem Jahr 2013 erhoben, wie viele davon waren begründet und wie viele blieben wegen Verstoßes gegen § 344 StPO erfolglos? Weder bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft noch bei den Gerichten wird statistisch erfasst, ob und in wie vielen Verfahren Revisionsführer den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nummer 1 StPO erheben. Zur Beantwortung der Frage müssten daher sämtliche Verfahren beigezogen werden, in welchen Revisionen eingelegt wurden. Nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft sind für die Aktenzei- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2690 9 chenjahre 2013 bis 2015 627 Revisionsverfahren für das Hanseatische Oberlandesgericht und 257 Revisionsverfahren für den Bundesgerichtshof erfasst. Unbeschadet der Frage der Verfügbarkeit der Akten ist auch in Anbetracht des regelmäßigen Umfangs dieser Verfahren eine Auswertung in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 9. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die Gerichte gehalten , rechtsstaatswidriges verfahrensverzögerndes Verhalten ausdrücklich festzustellen. In wie vielen der seit dem Jahr 2013 im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts erlassenen Urteile wurde ein entsprechender Verstoß festgestellt? (Bitte differenziert nach Feststellung von bei der Staatsanwaltschaft, dem Amtsgericht oder Landgericht eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen durch die genannten Gerichte selbst oder durch das Hanseatische Oberlandesgericht und den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht darstellen.) Weder die Staatsanwaltschaft noch die Gerichte erfassen statistisch, in welchen Verfahren eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist. Im Vorgangsverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls nicht programmtechnisch auswertbar festgehalten, zu welcher Abteilung des Amtsgerichts eine Anklage erhoben wurde. Bei landgerichtlichen Anklagen wird ebenfalls nicht erfasst, ob eine Anklage zur Wirtschaftskammer erhoben wurde. Auch unterscheiden die von MESTA vorgegebenen gerichtlichen Entscheidungsarten bei Verurteilungen weder nach amts- oder landgerichtlichen Urteilen noch nach erstinstanzlichen Urteilen oder Rechtsmittelentscheidungen. Allein zur Ermittlung der eine Verfahrensverzögerung feststellenden Urteile der Wirtschaftsabteilungen des Amtsgerichts oder der kleinen Wirtschaftskammern des Landgerichts müssten über 2.200 Verfahren mit etwa 3.000 verurteilten Angeklagten händisch ausgewertet werden. Das ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Hinsichtlich der erfolgten Teilauswertung zu Entscheidungen der Großen Wirtschaftsstrafkammern siehe Antwort zu 10. 10. Wie viele Verfahren vor den Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht wurden seit dem Jahr 2013 insgesamt erledigt? Hinsichtlich der Entscheidungen der Großen Strafkammern als Wirtschaftsstrafkammer siehe zunächst Antwort zu 7. Die so ermittelten Datensätze mit gerichtlichen Erledigungen wurden händisch anhand von MESTA und den darin erfassten gerichtlichen Aktenzeichen zur Feststellung der Verfahren vor den Großen Strafkammern als Wirtschaftsstrafkammer ausgewertet. Dies ergab für den Zeitraum 2013 bis 2015 in 49 Verfahren gegen 92 Angeklagte und Nebenbeteiligte gerichtliche Verfahrenserledigungen durch Große Strafkammern als Wirtschaftsstrafkammern. Zu den Kleinen Wirtschaftsstrafkammern können keine entsprechenden Angaben gemacht werden, da alleine die Feststellung der Verfahren die Auswertung von mehr als 2.000 Verfahren erfordern würde (siehe auch Antwort zu 9.). Dementsprechend beziehen sich auch die Antworten zu 10. a. bis 10. d. nur auf die Verfahren der Großen Wirtschaftsstrafkammern . a. Wie viele dieser Verfahren endeten mit einem Urteil und wie viele davon mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung , einer Freiheitsstrafe mit Bewährung, einer Geldstrafe und wie viele davon mit einem Freispruch? In Bezug auf Entscheidungen der Großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer: Urteile erfolgten laut MESTA in 34 Verfahren gegen 69 Personen. 35 Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen/Gesamtfreiheitsstrafen ohne Bewährung , 25 Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen/Gesamtfreiheitsstrafen mit Strafaussetzung zur Bewährung, Drucksache 21/2690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 10 drei Angeklagte wurden zu Geldstrafen/Gesamtgeldstrafen verurteilt und sechs Angeklagte wurden freigesprochen. b. In wie vielen Fällen wurde die Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung gemildert? In Bezug auf Entscheidungen der Großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer: Die Auswertung der Urteilsgründe, der Terminvermerke sowie Rücksprachen mit den Leitern der maßgeblichen Abteilungen hat ergeben, dass jedenfalls in elf Urteilen gegen 25 Angeklagte in den Urteilsgründen rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen festgestellt wurden.8 Eine weitergehende Auswertung war in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. c. In wie vielen Fällen wurde die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt und in wie vielen dieser ist ein Teil der Strafe als vollstreckt geltend erklärt worden? (Bitte hierbei auch die Höhen der Vollstreckungsfiktionen in Relation zu den Höhen der erkannten Strafen angeben.) In Bezug auf Entscheidungen der Großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer: lfd. Nr. Entscheidungsdatum (lt. Mesta) Strafe als vollstreckt gelten Gesamtdauer 1 17.09.2013 1 Jahr 6 Monate mit Bewährung 8 Monate 3 Jahre und 3 Monate bei Gericht 17.09.2013 2 Jahre mit Bewährung 8 Monate 3 Jahre und 3 Monate bei Gericht 17.09.2013 4 Jahre 8 Monate 3 Jahre und 3 Monate bei Gericht 2 03.03.2014 2 Jahre mit Bewährung 2 Monate 1 Jahr bei Gericht 03.03.2014 1 Jahr 4 Monate mit Bewährung 2 Monate 1 Jahr bei Gericht 03.03.2014 4 Jahre 6 Monate 2 Monate 1 Jahr bei Gericht 3 13.05.2015 1 Jahr 6 Monate mit Bewährung 8 Monate 6 Jahre im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 13.05.2015 1 Jahr 6 Monate mit Bewährung 8 Monate 6 Jahre im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 13.05.2015 1 Jahr 6 Monate mit Bewährung 8 Monate 6 Jahre im Ermittlungsverfahren und beim Gericht 4 24.10.2014 2 Jahre mit Bewährung 1 Monat 9 Monate im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 5 15.12.2014 4 Jahre 3 Monate 2 Jahre bei Gericht 15.12.2014 2 Jahre mit Bewährung und 300 Tagessätze á 10 € 2 Monate und 20 Tagessätze 2 Jahre bei Gericht 8 Die freisprechenden Urteile wurden nicht überprüft. Diese Urteile enthalten regelmäßig keine Feststellungen zu rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2690 11 lfd. Nr. Entscheidungsdatum (lt. Mesta) Strafe als vollstreckt gelten Gesamtdauer 6 29.01.2015 2 Jahre mit Bewährung und 360 Tagessätze á 13 € 3 Jahre bei Gericht 29.01.2015 2 Jahre mit Bewährung und 360 Tagessätze á 13 € 3 Jahre bei Gericht 7 12.11.2015 1 Jahr mit Bewährung 8 Monate 3 bis 4 Jahre im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 12.11.2015 4 Jahre 4 Monate 8 Monate 3 bis 4 Jahre im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 12.11.2015 3 Jahre 2 Monate 8 Monate 3 bis 4 Jahre im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 8 30.10.2013 1 Jahr 8 Monate mit Bewährung 1 Monat 1 Jahr 3 Monate im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 30.10.2013 170 Tagessätze á 90 € 30 Tagessätze 1 Jahr 3 Monate im Ermittlungsverfahren und bei Gericht 9 29.07.2015 240 Tagessätze á 300 € 100 Tagessätze keine Feststellungen zu Dauer und Verfahrensabschnitt in den Urteilsgründen 29.07.2015 240 Tagessätze á 100 € 100 Tagessätze keine Feststellungen zu Dauer und Verfahrensabschnitt in den Urteilsgründen 10 07.01.2015 2 Jahre 9 Monate 3 Monate keine abschließenden Feststellungen zu Dauer und Verfahrensabschnitt in den Urteilsgründen 07.01.2015 2 Jahre 4 Monate 3 Monate keine abschließenden Feststellungen zu Dauer und Verfahrensabschnitt in den Urteilsgründen 11 05.12.2013 3 Jahre 9 Monate 5 Jahre; keine näheren Feststellungen zu den Verfahrensabschnitten in den Urteilsgründen 05.12.2013 2 Jahre 8 Monate 9 Monate 5 Jahre; keine näheren Feststellungen zu den Verfahrensabschnitten in den Urteilsgründen d. Wie viele dieser Verfahren wurden durch Einstellungen erledigt und wie viele davon wiederum mit einer Einstellung gemäß § 153 StPO, gemäß § 153 a StPO oder gemäß § 154 Absatz 2 StPO? (Bitte bei Einstellungen gemäß § 154 StPO nach totalen Verfahrenseinstellungen und Teileinstellungen wegen einzelner von mehreren angeklagten Taten differenziert angeben.) In Bezug auf Entscheidungen der Großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer: Gerichtliche Entscheidungen, die weder Verurteilungen noch Freisprüche betrafen, erfolgten in 15 Verfahren gegen 23 Angeklagte. Im Einzelnen: In drei Verfahren wurden gegen fünf Angeklagte Verfahrenseinstellungen nach § 153a StPO vorgenommen. In einem Verfahren wurde gegen eine Angeklagte das Verfahren wegen Todes eingestellt. In zwei Verfahren ergingen gegen fünf Angeklagte Nichteröffnungsbeschlüsse. Drucksache 21/2690 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 12 In den weiteren Verfahren erfolgten Verfahrensabschlüsse durch Verbindungen mit anderen Verfahren oder Verfahrensabtrennungen gegen einzelne Angeklagte. Eine Unterscheidung, ob ein Verfahren gegen einen Angeklagten von einem Gericht teilweise nach §§ 154 oder 154a StPO eingestellt wurde, wird in MESTA nicht erfasst. Eine diesbezügliche Auswertung von allein für die Großen Wirtschaftsstrafkammern 171 umfangreichen Verfahren (vergleiche Antwort zu 7.) ist in der zur Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit daher nicht möglich.