BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2694 21. Wahlperiode 12.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jens Meyer und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 04.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Die Digitalisierung des kulturellen Erbes „Die Digitalisierung bietet große Chancen für den Zugang zum kulturellen Erbe. Sie ist unumgänglich, damit Archive, Museen und Bibliotheken weiterhin ihren wichtigen öffentlichen Aufgaben gerecht werden können.“ So die „Hamburger Note“ (http://hamburger-note.de/?page_id=2). Die Erst- Unterzeichner – Leiter wichtiger deutscher Kulturinstitutionen wie Börries von Notz, Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg – setzen sich für eine Reform des Urheberrechts ein. Das Ziel ist ein pauschales Erlaubnis zur Digitalisierung aller Kulturgüter, die die bisher notwendige urheberrechtliche Einzelfallprüfung ersetzen soll. Die Kulturbehörde hat Anfang 2014 eine „eCulture Agenda 2020“ verabschiedet, in der sie als „Auftrag“ beschreibt: „Alle Bürgerinnen und Bürger sollen digitalen Zugang zu den Kulturgütern unserer Stadt erhalten.“ Darüber hinaus wird mit dem Digitalen Archiv Nord (DAN) zurzeit eine länderübergreifende Lösung entwickelt, um digitale Dokumente langfristig archivieren zu können. Am 1. Januar 2016 sollte das DAN im Regelbetrieb starten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie bewertet der Senat die „Hamburger Note“ und das Vorhaben der Digitalisierung von kulturellem Erbe? Teilt der Senat die Einschätzung, dass eine vollständige Digitalisierung aller Kulturgüter sinnvoll ist? Die „Hamburger Note“ thematisiert Fragen des Urheberrechts in der digitalen Welt, für die angesichts der sinnvollen fortschreitenden Digitalisierung von Kulturgütern eine praktikable Lösung gefunden werden muss. Es geht um die Schaffung klarer rechtlicher Regelungen, ohne die Rechte und berechtigten Interessen von Kulturschaffenden einzuschränken. Bei einer großen Menge historischer Materialien, vor allem von Fotografien und Printprodukten, ist die Klärung der Urheberrechtsfrage insbesondere dann schwierig, wenn dazu keine Unterlagen in den Institutionen vorhanden sind und Recherchen im Internet oder Anfragen bei der Verwertungsgesellschaft Bild erfolglos blieben. Auch der besondere Fall, dass ein an sich rechtefreies Kunstwerk (Gemälde, Skulptur et cetera) nicht digital zugänglich gemacht werden kann, weil der Urheber der fotografischen Reproduktion des Werkes nicht ermittelt werden konnte, beschreibt einen Teil des Problems. Zur Digitalisierung der Kulturgüter in Museumsstiftungen siehe Drs. 18/6276 und 18/7295 sowie 21/2588. Im Übrigen hat sich der Senat mit der Hamburger Note nicht befasst. 2. Welche Projekte verfolgen die zuständige Behörde und ihr zugeordnete Kulturinstitutionen konkret auf diesem Gebiet, über die „eCulture Agenda 2020“ hinaus? Drucksache 21/2694 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die eCulture Agenda 2020 beschreibt den Rahmen der Digitalisierung im Kulturbereich der Freien und Hansestadt Hamburg. Die konkreten Projekte werden von den Kultureinrichtungen in Abstimmung mit der für die Kultur zuständigen Behörde definiert , siehe dazu auch http://www.hamburg.de/kulturbehoerde/eculture/. 3. Nach welchem Zeitplan sollen die Archiv- und Museumsbestände digitalisiert werden, wie es die „eCulture Agenda 2020“ vorsieht? Für die vom Staatsarchiv Hamburg verwahrten analogen Archivgutbestände wird eine Digitalisierungsstrategie mit Zeitplan im Laufe des Jahres 2016 erstellt. Für die Museumsstiftungen ist vorgesehen, dass das Inventarisierungsprojekt 2025 abgeschlossen werden wird. 4. Nach welchen Kriterien erfolgt in diesem Zusammenhang eine Einstufung von Objekten als „kulturelles Erbe“ und nach welchen Kriterien werde diese gegebenenfalls zur Digitalisierung ausgewählt? Die Kriterien legen in erster Linie die Kultureinrichtungen fest. Für Einzelobjekte und Konvolute in den Museumsstiftungen wird von einer vollständigen digitalen Erfassung im Rahmen des festgelegten Zeitplans ausgegangen. 5. Wie viele Objekte in Obhut der Freien und Hansestadt Hamburg sind schätzungsweise von einer möglichen Digitalisierung betroffen? Bitte aufteilen nach Sparten (Archivgüter, Fossilien, Kunstobjekte, Bücher, gegebenenfalls weitere Sparten). Für die Hamburger Museumsstiftungen liegen folgende Zahlen vor: Altonaer Museum circa 2.350.000 (davon ca. 1,7 Millionen Postkarten ) Museum der Arbeit circa 500.000 Hamburg Museum circa 511.000 Helms-Museum circa 1.810.000 (davon 1,7 Millionen Archäologie ) Museum für Kunst und Gewerbe circa 500.000 Museum für Völkerkunde circa 265.000 Kunsthalle circa 120.000 (Kupferstichkabinett) und 4.604 (Gemälde und Skulpturen) und 706 (Audio/Video) und 3.156 (Münzen und Medaillen) 6. Welche Kosten sind mit einer bereits stattfindenden oder gegebenenfalls geplanten oder möglichen Digitalisierung kulturellen Erbes für die Freie und Hansestadt Hamburg verbunden? Die fünf Museumsstiftungen erhalten seit 2009 pro Jahr insgesamt 1 Million Euro für die digitale Inventarisierung. 7. Seit wann gibt es Pläne für das Digitale Archiv Nord (DAN)? Im Januar 2012 haben die Leitungen der Landesarchive Bremen, Hamburg, Mecklenburg -Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine Projektgruppe eingesetzt , um Möglichkeiten zur Kooperation bei der digitalen Archivierung zu prüfen. Am 4. Juli 2013 wurde die Entscheidung getroffen, die sich aus den Landesarchivgesetzen ergebene Pflicht, digitale Aufzeichnungen in Auswahl als Archivgut zu übernehmen und auf Dauer zu erhalten, gemeinsam wahrzunehmen. 8. Welche Ergebnisse hatte der Testbetrieb des DAN? An welchen Stellen gab es Probleme? Die Referenzsysteme für das Staatsarchiv Hamburg sowie das Landesarchiv Mecklenburg -Vorpommern sind durch die DVZ Datenverarbeitungszentrale Mecklenburg- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2694 3 Vorpommern GmbH mit Sitz in Schwerin erfolgreich aufgebaut worden. Ein ausführlicher Test des Referenzsystems ist durch das Landesarchiv Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt worden. Technische Probleme beim Betrieb der ausgewählten Fachanwendung konnten gelöst werden. 9. Ist das DAN vom Testbetrieb wie geplant am 1. Januar 2016 in den Regelbetrieb gewechselt? Nein. Die Verhandlungen über den Abschluss eines Verwaltungs- und Finanzabkommens mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern dauern an. 10. Wann sollen welche weiteren Bundesländer dem Verbund im DAN von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern beitreten? Siehe Antwort zu 9. Haushaltsrechtlich und organisatorisch wird die Teilnahme am Verbund durch die Länder Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorbereitet . 11. Welche Kosten sind mit dem DAN verbunden? Wie sind diese zu bewerten im Vergleich zu den Kosten der analogen Archivierung? Abhängig von der Menge der zu übernehmenden digitalen Aufzeichnungen geht das Staatsarchiv Hamburg von Sachkosten in Höhe von circa 200 000 Euro jährlich bis zum Jahre 2018 aus. Im Rahmen des DAN sollen die digital entstandenen Aufzeichnungen, die bleibenden Wert besitzen, auf Dauer erhalten werden. Eine Transformation von Aufzeichnungen aus elektronischen Systemen, wie zum Beispiel geographischen Informationssystemen , in eine analoge Form vor der Übergabe an das Staatsarchiv wäre sinnlos, weil die mit digitalen Objekten verbundenen Möglichkeiten der Verwendung und Weiterverwendung verloren gehen würden. 12. Gibt es abseits vom DAN weitere Kooperationen mit anderen Bundesländern oder dem Bund im Bereich der Digitalisierung kulturellen Erbes (zum Beispiel gemeinsame Datenbanken)? Wenn ja: bitte erläutern. Wenn nein: Gibt es entsprechende Pläne? Im Rahmen einer Kooperation mit der DigiCULT-Verbund eG mit Sitz in Kiel liefern die Hamburger Museumsstiftungen Datensätze (Metadaten und digitale Abbildungen) in das gemeinsame Museumsportal Schleswig-Holsteins und Hamburgs „Museen Nord“ (http://www.museen-nord.de/Startseite). Ferner werden regelmäßig auch Digitalisate der Museumsstiftungen an die Deutsche Digitale Bibliothek geliefert (https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/). 13. Für wann ist die geplante Fortschreibung der „eCulture Agenda 2020“ vorgesehen? Die eCulture Agenda wird regelmäßig im Rahmen der jährlichen IT-Planung fortgeschrieben . 14. Teilt der Senat die Einschätzung, dass das Urheberrecht die Digitalisierung kulturellen Erbes in der Praxis in besonderer Weise erschwert? Wenn ja: bitte genau erläutern. Die oft aufwendige Einzelfallprüfung zur Klärung der Rechte kann eine zeitnahe Onlinestellung von Digitalisaten kunst- und kulturhistorischer Objekte, deren Urheber noch keine 70 Jahre verstorben sind, erschweren. Dadurch entsteht absehbar in bestimmten Bereichen des künstlerischen Erbes ein „digitales Loch“, insbesondere in Fällen, bei denen der Urheber unbekannt ist. Bei einer möglichen Neuregelung wird allerdings auf einen fairen Interessenausgleich zu achten sein, der die Belange von Kulturschaffenden ebenso berücksichtigt wie die Bedürfnisse einer Öffentlichkeit, die an umfassender Zugänglichkeit interessiert ist. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. Drucksache 21/2694 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 15. Welche Initiativen ergreift der Senat, um eine entsprechende Anpassung des Urheberrechts auf Bundesebene zu erzielen? Derzeit sind dazu keine Initiativen geplant. 16. Welche weiteren rechtlichen Hindernisse gibt es auf dem Gebiet der Digitalisierung von kulturellem Erbe? Neben dem Urheberrecht sind regelmäßig das Leistungsschutzrecht und das Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) sowie die im Telemediengesetz geregelte Störerhaftung zu bedenken. 17. Welche sonstigen Hindernisse gibt es auf dem Gebiet der Digitalisierung von kulturellem Erbe? Der finanzielle, technische und personelle Aufwand für eine vollständige und qualitativ hochwertige Digitalisierung ist beträchtlich. Dies gilt ebenso für die Verwaltung und Bereitstellung der digitalen Daten und deren Aufarbeitung in attraktive Angebote. Die einzelnen Kultureinrichtungen sind mit zunehmender Datenproduktion dadurch in hohem Maße gefordert und benötigen externe Unterstützung. 18. In welcher Form hat sich die zuständige Behörde an der am 5. und 6. November in Hamburg stattgefundenen internationalen Konferenz „Zugang gestalten!“ beteiligt, die sich unter der Schirmherrschaft der deutschen UNESCO-Kommission mit der Thematik befasst hat? Die für die Kultur zuständige Behörde hat die die Durchführung der Veranstaltung finanziell in Höhe von 37.000 Euro und mit einem Grußwort im Rahmen der Eröffnung unterstützt. Darüber hinaus haben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der für Kultur zuständigen Behörde an den Foren teilgenommen. 19. Welche konkreten Handlungsaufträge sind hierdurch entstanden? Keine.