BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2701 21. Wahlperiode 12.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 04.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Führen auch in Hamburg Szenekundige Beamte in der Fußballfanszene eine Personendatenbank? In mindestens sieben Bundesländern – Baden-Württemberg, Rheinland- Pfalz, Berlin, NRW, Niedersachsen, Sachsen, Hessen – existieren neben der umstrittenen bundesweiten „Datei Gewalttäter Sport“ (DGS) verschiedene lokale Arbeitsdateien, die von den sogenannten Szenekundigen Beamten (SKB) geführt werden. Diese sogenannten SKB-Datenbanken existierten, bevor sie öffentlich bekannt wurden, meist schon viele Jahre und wurden vor allem durch die Klage eines Fußballfans in Niedersachsen bekannt. Die bekannt gewordenen Dateien enthalten Daten, die über die in der DGS gespeicherten Daten hinausgehen, zum Teil auch Angaben über Kontaktund Begleitpersonen. Vor diesen Hintergrund frage ich den Senat: 1. Führt die Hamburger Polizei ergänzend zur Index-Verbunddatei „Gewalttäter Sport“ eine den bekannt gewordenen SKB-Datenbanken entsprechende Personendatenbank (nachfolgend „SKB-Datenbank“ genannt)? Wenn ja, a. seit wann; Ja. Die Datei „Gruppen- und Szenegewalt“ besteht seit dem 1. Juni 2006. b. wie viele Personen sind dort gegenwärtig eingetragen (bitte nach Fanszenen von Vereinen aufschlüsseln); Mit Stichtag 6. Januar 2016 sind in der Datei „Gruppen- und Szenegewalt“ 2.170 Personen aus dem Bereich Fußballgewalt eingetragen. Die Aufschlüsselung nach Vereinszugehörigkeit ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Verein Anzahl Personen Dynamo Dresden 11 FC Kaiserslautern 4 FC Köln 70 FC Lokomotive Leipzig 4 FC Magdeburg 4 FC Nürnberg 12 FC Union Berlin 39 Altona 93 12 Armenia Bielefeld 11 Bayer Leverkusen 2 Bayern München 24 Drucksache 21/2701 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Verein Anzahl Personen Borussia Dortmund 30 Borussia Mönchengladbach 14 Eintracht Braunschweig 26 Eintracht Frankfurt 16 Erzgebirge Aue 1 FC Augsburg 4 FC Energie Cottbus 6 FC St. Pauli 426 FSV Mainz 05 10 Hamburger SV 1.070 Fortuna Düsseldorf 25 Hallescher FC 2 Hannover 96 19 Hansa Rostock 40 Hertha BSC Berlin 25 Holstein Kiel 8 Karlsruher FC 14 MSV Duisburg 3 SC Freiburg 3 SC Paderborn 6 Schalke 04 17 TSG Hoffenheim 2 TSV München 1860 60 Vereinszuordnung unbekannt 75 VfB Oldenburg 1 VfB Stuttgart 6 VfL Bochum 2 VfL Wolfsburg 9 VfB Lübeck 27 Waldhof Mannheim 1 Werder Bremen 29 Gesamt 2.170 c. sind Anhänger/-innen weiterer Sportarten in der Datei gespeichert? Wie viele Anhänger/-innen welcher Sportarten beziehungsweise Vereine? Ja. Mit Stichtag 6. Januar 2016 sind weiterhin 30 Anhänger von Eishockey- und Handballvereinen erfasst. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Vereinszugehörigkeiten: Sportart Verein Anzahl Personen Eishockey Hamburg Freezers 5 Eishockey Hannover Scorpions 19 Handball Flensburg-Handewitt 6 Gesamt 30 2. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt(e) die Einrichtung beziehungsweise das Führen der „SKB-Datenbank“? Die Einrichtung der Datei „Gruppen- und Szenegewalt“ wurde gemäß § 26 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) durch den Polizeipräsidenten verfügt. Die Dateiführung stützt sich auf § 16 PolDVG. 3. a. Gibt es eine Anordnung zur Einrichtung der „SKB-Datenbank“? b. Wann und inwieweit wurde der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit beteiligt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2701 3 Ja. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBf- DI) wurde bei der Ersterstellung der Errichtungsanordnung im Jahr 2006 gemäß § 26 Absatz 2 Satz 2 PolDVG beteiligt und ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; Änderungswünsche wurden, soweit technisch möglich, berücksichtigt. Letztmalig wurde der HmbBfDI gemäß § 26 Absatz 2 Satz 3 PolDVG aus Anlass einer Änderung der Errichtungsanordnung im November 2010 beteiligt. 4. Nach welchen von wem festgelegten Kriterien wird eine Person in die „SKB-Datenbank“ eingetragen? 5. Welche Daten eingetragener Personen werden in der „SKB-Datenbank“ gespeichert? 6. Werden sogenannte Kontakt- und Begleitpersonen gespeicherter Personen erfasst und gespeichert? Eine Person wird unter den in § 16 PolDVG festgelegten Kriterien in der Datei „Gruppen - und Szenegewalt“ eingetragen. Darüber hinaus siehe Antwort zu 7. In der Datei „Gruppen- und Szenegewalt“ werden gespeichert: Name und Vorname Geburtsdatum und Geburtsort Geschlecht Anschrift Telefonnummern E-Mail-Adressen Anlass der Erfassung Rolle der Person: Beschuldigter, Verdächtiger, Kontakt- und Begleitperson, Störer, Störer (Waffen) Vereins-/Gruppenzugehörigkeit Bekanntgewordene Ermittlungsverfahren und Verfahrensausgänge Vorliegende Stadionverbote Bilddateien, sofern die Bilder für eine Identifizierung von Beschuldigten/Verdächtigen aufgrund fehlender erkennungsdienstlicher Bilder erforderlich sind beziehungsweise die Identität von Kontakt-/Begleitpersonen nicht feststeht. 7. Wie sind die Kategorien definiert, in die die eingetragenen Personen in der „SKB-Datenbank“ unterteilt werden? Wie viele Personen werden derzeit den jeweiligen Kategorien zugerechnet? Die in der Datei „Gruppen- und Szenegewalt“ erfassten Personenkategorien (Beschuldigter, Verdächtiger, Kontakt- und Begleitperson, Störer, Störer (Waffen)) sind wie folgt definiert: Beschuldigte sind Personen, bei denen der hinreichende Verdacht einer Straftat besteht. Verdächtige sind Personen, die wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts nicht Beschuldigte sind, bei denen aber Tatsachen vorliegen, die auf eine mögliche Täterschaft oder Teilnahme an den der Datei zugrunde liegenden Straftaten schließen lassen. Kinder werden nur in begründeten Ausnahmefällen aufgenommen , wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen erheblicher Gewalttaten eingeleitet worden ist und wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat und der Persönlichkeit des Kindes die Besorgnis der Begehung weiterer erheblicher Gewalttaten besteht. Kontakt- und Begleitpersonen sind Personen, die mit Straftaten des Arbeitsbereichs Gruppen- und Szenegewalt in Verbindung stehen und bei denen tatsächli- Drucksache 21/2701 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 che Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Speicherung zur Aufklärung oder vorbeugenden Bekämpfung erheblicher Straftaten des Arbeitsbereichs Gruppen- und Szenegewalt, zur Ergreifung von zur Festnahme gesuchten Personen oder zur Abwehr einer im einzelnen Fall bestehenden erheblichen Gefahr erforderlich ist. Hierunter sind insbesondere Gruppenmitglieder zu verstehen, denen eine direkte Beteiligung an Straftaten nicht nachgewiesen werden kann, die aber durch ihre Zugehörigkeit zur Gruppe oder Anwesenheit vor, bei oder nach Straftaten diese fördern oder ermöglichen. Störer sind Personen, gegen die Personalienfeststellungen, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen zur Verhinderung anlassbezogener Straftaten angeordnet wurden, weil bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Betroffenen anlassbezogene Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden. Störer (Waffen) sind Personen, bei denen Waffen oder andere gefährliche Gegenstände sichergestellt beziehungsweise beschlagnahmt wurden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie diese bei Begehung anlassbezogener Straftaten benutzen wollen, soweit die Erfassung in der Datei nicht schon wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz erfolgte. In der folgenden Tabelle (Stichtag 6. Januar 2016) ist die Anzahl der erfassten Personen entsprechend ihrer jeweiligen Einstufung dargestellt: Einstufung Anzahl Personen Beschuldigte 1.530 Verdächtige 70 Kontakt- und Begleitpersonen 600 Störer/Störer-Waffen keine 8. Wie hoch ist der Anteil eingetragener Personen, über die keine Mitteilungen über Verurteilungen vorliegen, an der Gesamtzahl aller Eingetragenen ? Die erfragten Daten können elektronisch nicht recherchiert werden. Die erforderliche händische Auswertung von mehr als 2.000 Datensätzen ist in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 9. Wer hat Zugriff auf die „SKB-Datenbank“? Zugriff auf die Datei „Gruppen- und Szenegewalt“ haben beim Landeskriminalamt (LKA) 12 die Mitarbeiter des fachlich zuständigen Sachgebietes Spezielle Kriminalität und Sportgewalt (LKA 121). Darüber hinaus erhalten gemäß den abgestimmten Zugriffsregelungen der Errichtungsanordnung Mitarbeiter des Lagedienstes der Direktion Einsatz (DE11), des LKA113 (Sachgebiet Körperverletzung/Milieu), des LKA124 (Intensivtäter, Jugendkriminalität und Raub) sowie des LKA 26 (Kriminaldauerdienst) ebenfalls Zugriff. 10. Wie viele Zugriffe auf die „SKB-Datenbank“ gab es 2015? Auf die Protokolldaten darf zum Zweck der Prüfung der rechtmäßigen Nutzung zugegriffen werden. Für andere Zwecke darf gemäß § 14 Absatz 2 Satz 3 PolDVG nur auf die Protokolldaten zugegriffen werden, sofern dies zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Unter andere Zwecke fällt auch die Nutzung von Protokolldaten für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen. 11. Findet ein Austausch von gespeicherten Daten mit Polizeien anderer Bundesländer beziehungsweise der Bundespolizei statt? Wenn ja, in welcher Form? Nein. Sofern im Rahmen von Einsätzen bei Sportereignissen entsprechende Auskünfte von Polizeien anderer Länder erbeten werden, erfolgen diese aus Akten sowie nach Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2701 5 den gesetzlichen Vorschriften und Regelungen der Polizeidienstvorschriften über Akteneinsicht und polizeiliche Zusammenarbeit. 12. a. Welche Löschfristen gelten? Keine. In der Errichtungsanordnung sind nach den Vorgaben des PolDVG Prüffristen für die Speicherung festgelegt und in der Datenbank technisch hinterlegt. Eine Löschung erfolgt, sobald die Speicherung der Person für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. b. Wie viele Datensätze wurden seit Einrichtung der „SKB-Datenbank“ gelöscht? Löschungen werden in den Protokolldaten anonymisiert erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 10. 13. Werden in der „SKB-Datenbank“ gespeicherte Personen über Aufnahme in und/oder Löschung aus der Datei informiert? a. Wenn ja, wann und in welcher Form? b. Wenn nein, warum nicht? Eine gesetzliche Verpflichtung zur Information einer Person über die Aufnahme in beziehungsweise Löschung aus der Datei besteht nicht. Im Übrigen werden Petenten, sofern ein polizeilicher Ermittlungserfolg nicht gefährdet ist, auf Anfrage Auskünfte schriftlich erteilt. 14. Vor der Umstrukturierung der Polizei waren die Szenekundigen Beamten bei der Zentraldirektion West – ZD 64, Bereich Jugendschutz angesiedelt . Durch die Umstrukturierung fiel die Zentraldirektion weg. Wo sind die SKB heute angesiedelt? Die Dienststelle ist organisatorisch der Direktion Einsatz an der Dienststelle Sporteinsätze (DE 23) zugeordnet.