BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2728 21. Wahlperiode 12.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Oelschlaeger (AfD) vom 05.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Raub und sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht Vergewaltigung ist eines der widerwärtigsten Verbrechen, wenn nicht das schlimmste überhaupt. Insofern ist auch jeder Übergriff auf die sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen aufs Schärfste zu verurteilen. In der Silvesternacht soll es nach Medienberichten in Hamburg zahlreiche Übergriffe auf Frauen gegeben haben, die sexuell belästigt und dabei ausgeraubt worden sein sollen. Aus anderen Großstädten wie Stuttgart wurden ähnliche Vorfälle gemeldet. Der NDR berichtet, dass junge Migranten in Gruppen von 15 bis 20 Personen auf der Reeperbahn unterwegs gewesen seien, die planmäßig Geldbörsen , Handys und Ausweisdokumente gestohlen und dabei junge Frauen massiv sexuell bedrängt hätten. Die in den Nachrichten verbreiteten Vorfälle geben begründeten Anlass zu der Sorge, dass das Sicherheitsbedürfnis insbesondere bei jungen Frauen in der Hansestadt Hamburg gefährdet ist und sie ihren Lebensalltag beeinflussen werden. Nächtliche Ausgänge, Junggesellinnenabschiede, Silvester- und Karnevalsfeiern, auch in Gruppen, bilden für Frauen ein erhöhtes Risiko von sexuellen Übergriffen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Polizei Hamburg hatte sich, wie in den Vorjahren, mit verstärkten Kräften auf die Silvesternacht vorbereitet. Hinweise auf polizeilich relevante besondere Sachverhalte, die von den Vorjahren abwichen, lagen den Sicherheitsbehörden nicht vor. Das gilt auch für den Bereich der Reeperbahn. Der Bereich der Reeperbahn war in der Silvesternacht durch ein hohes Besucheraufkommen von in der Spitze bis zu 50.000 Besuchern geprägt. Besonders im Bereich der Großen Freiheit und des Beatles-Platzes kam es zu dichten Menschenansammlungen. Die vor Ort eingesetzten Polizeikräfte haben deshalb in der Zeit von 2 bis circa 4 Uhr den Bereich der Großen Freiheit gesperrt und dort nur noch einen geregelten Zu- und Abgang zugelassen, um Gefahren durch die dichte Zusammenballung der Menschen zu verhindern. Ein Einblick in den Bereich der Großen Freiheit war den Polizeikräften aufgrund dieser Gedrängesituation nicht möglich. Die Polizeikräfte wurden vor Ort vereinzelt von Frauen auf Übergriffe angesprochen. Konkrete Täterhinweise, die vor Ort gezielte Zugriffe ermöglicht hätten, konnten dabei nicht gegeben werden. Die Frauen wurden aufgrund der Einsatzsituation vor Ort gebeten, an der nahe gelegenen Davidwache Anzeige zu erstatten. Es ist darauf hinzuweisen , dass auch an der Davidwache ein hohes Besucheraufkommen zu verzeichnen war, sodass Anzeigende Wartezeiten in Kauf nehmen mussten. Insgesamt Drucksache 21/2728 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 war für die Silvesternacht, wie für Silvesternächte nicht unüblich, ein hohes Anzeigenaufkommen für verschiedenste Delikte festzustellen. Eine ungewöhnliche Häufung von Delikten durch Übergriffe auf Frauen ist den Kräften vor Ort und den Kräften an der Davidwache nicht aufgefallen. Der entsprechende Lagebericht aus dieser Nacht vermerkt diverse Anzeigen wegen sexueller Übergriffe im Bereich Große Freiheit. Am Montagmorgen lagen der Polizei Hamburg hierzu vier Strafanzeigen vor. Vor dem Hintergrund der Berichte aus Köln wurden diese sofort hinterfragt und weitere Informationen hierzu eingeholt. Die hieraus erkennbaren Tatabläufe, nach denen die Übergriffe durch Gruppen von Männern begangen wurden, führten einhergehend mit am Montag eingehenden weiteren Strafanzeigen zu weiteren Ermittlungen und einem Zeugen-/Geschädigtenaufruf der Polizei Hamburg. Hieraus ergaben sich mit Stand 12. Januar 2016, 158 Anzeigen. In allen Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen dauern an. Die Strafanzeigen lassen sich derzeit untergliedern in - 122 Anzeigen (213 Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/sexueller Nötigung, - 23 Anzeigen (29 Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/sexueller Nötigung und anschließendem Diebstahl, - acht Anzeigen (neun Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/ sexueller Nötigung und anschließendem Raub, - fünf Anzeigen (sechs Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/ sexueller Nötigung sowie Körperverletzung. Auch in Hamburg konzentrieren sich die Aussagen auf Personen, die dem äußeren Anschein nach einen nordafrikanischen oder arabischen Hintergrund haben könnten. Die Polizei hat am 5. Januar 2016 eine Ermittlungsgruppe eingesetzt, die alle infrage kommenden Ermittlungsansätze verfolgt. Die Staatsanwaltschaft hat eine Zuständigkeitsregelung getroffen, wonach diese Verfahren konzentriert in der für Sexualdelikte zuständigen Abteilung bearbeitet werden. Die Polizei führt im Bereich St. Pauli an den Wochenenden und zu entsprechenden Zeiten mit hohem Besucheraufkommen Schwerpunkteinsätze durch. Hierbei wird auch auf die Möglichkeit des Einsatzes mobiler Videoüberwachung zurückgegriffen. Nach Bewertung der Polizei handelt es sich um eine in dieser Form bisher unbekanntes , besonders gravierendes Phänomen sexueller Übergriffe auf Frauen, auf die sich die Polizei mit den Maßnahmen vor Ort konzeptionell neu einstellen wird. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hat der Senat Kenntnis von derartigen Vorfällen in Hamburg? Wenn ja, an welchen Orten in Hamburg, zu welchen Zeiten und in welchem Umfang (Anzahl der eingegangenen Anzeigen)? Zur Beantwortung dieser Frage wurden der Vorbemerkung der Fragestellerin entsprechend alle Vorgänge berücksichtigt, in denen eine Beleidigung auf sexueller Basis in Verbindung mit Raub oder Diebstahl, einschließlich Versuche, in Tateinheit angezeigt wurde. Die Auswertung der Anzeigen, die der Polizei bis zum 12. Januar 2016, 13 Uhr, bekannt geworden sind, hat ergeben, dass bisher 32 Anzeigen im Sinne der Fragestellung vorliegen (siehe Tabelle). Nach derzeitigem Ermittlungsstand war in fast allen Fällen der Tatort die Große Freiheit, einmal jeweils auch die Reeperbahn und der Jungfernstieg. Die Tatzeiten lagen am 1. Januar 2016 zwischen 25 Uhr und 4 Uhr. Nummer Tatort Datum Tatzeit 1 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 02:00 Uhr-02:15 Uhr 2 Große Freiheit 14 01.01.2016 01:30 Uhr 3 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 00:30 Uhr-01:00 Uhr Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2728 3 Nummer Tatort Datum Tatzeit 4 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr-01:30 Uhr 5 Große Freiheit 14 01.01.2016 00:30 Uhr-01:00 Uhr 6 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 02:00 Uhr-03:00 Uhr 7 Große Freiheit 14 01.01.2016 02:15 Uhr 8 Große Freiheit 12 01.01.2016 01:00 Uhr 9 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 02:00 Uhr 10 Große Freiheit 14 01.01.2016 00:30 Uhr 11 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr-01:15 Uhr 12 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr-02:00 Uhr 13 Große Freiheit 5 01.01.2016 00:30 Uhr-00:45 Uhr 14 Große Freiheit 10 01.01.2016 02:00 Uhr 15 Reeperbahn 174 01.01.2016 04:00 Uhr 16 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 02:00 Uhr 17 Große Freiheit 6 01.01.2016 02:00 Uhr 18 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 00:30 Uhr-01:00 Uhr 19 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr-02:00 Uhr 20 Große Freiheit o. Nr. 31.12.2015 23:30 Uhr 21 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr 22 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:15 Uhr 23 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr 24 Jungfernstieg o. Nr. 01.01.2016 00:20 Uhr Acht Delikte Beleidigung auf sexueller Basis in Verbindung mit Raub bzw. versuchten Raub: Nummer Tatort Datum Tatzeit 1 Große Freiheit 14-16 01.01.2016 0:25 Uhr 2 Große Freiheit 10 01.01.2016 02:00 Uhr-02:30 Uhr 3 Große Freiheit 10 01.01.2016 01:30 Uhr 4 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 00:30 Uhr 5 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 00:45 Uhr 6 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr 7 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr 8 Große Freiheit o. Nr. 01.01.2016 01:00 Uhr-02:00 Uhr Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wenn ja, schätzt der Senat diese Vorfälle als besorgniserregend ein oder handelt es sich um normale Zwischenfälle, wie sie bei feiernden Menschenmassen üblicherweise vorkommen? Wie hoch schätzt der Senat die Dunkelziffer, weil Opfer aus Scham keine Anzeige erstatten? Jede einzelne Straftat für sich betrachtet ist unabhängig von der Schwere des Deliktes für das jeweilige Opfer und sein Umfeld nicht nur besorgniserregend, sondern extrem belastend und stellt häufig ein einschneidendes Erlebnis mit individuellen physischen, psychischen und/oder finanziellen Folgen dar. Die dargestellten Vorfälle sind keinesfalls als „normale Zwischenfälle“ anzusehen. Nähere Bewertungen werden zum jetzigen Zeitpunkt von der Polizei nicht vorgenommen . Es ist trotz der Zeugen- und Geschädigtenaufrufe der Polizei davon auszugehen, dass sich nicht alle betroffenen Frauen gemeldet haben. Eine valide Schätzung ist nicht möglich. Die Polizei Hamburg versucht durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit die Anzeigebereitschaft der Geschädigten zu erhöhen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Gibt es Hinweise auf organisierte Strukturen im Sinne einer neuen Masche von Trickbetrügern oder hält der Senat dies für Einzelfälle? Drucksache 21/2728 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 4. Falls es sich nach Meinung des Senates um organisierte Strukturen handelt, wie gedenkt der Senat die Aufklärungsarbeit der Polizei zu unterstützen? Mit dem bisherigen Ermittlungsstand können hierzu keine Aussagen getroffen werden.