BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2739 21. Wahlperiode 12.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow und Jennyfer Dutschke (FDP) vom 05.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Übergriffe auf junge Frauen auf der Hamburger Reeperbahn in der Silvesternacht 2015/2016 In der Silvesternacht sollen mehrere Frauen auf der Hamburger Reeperbahn umringt, sexuell belästigt und einige von ihnen anschließend bestohlen worden sein. Medienberichten zufolge sollen sich die Taten auf dem Hans- Albers-Platz und der Großen Freiheit zwischen 1 und 3 Uhr am Neujahrsmorgen ereignet haben. Diese Vorfälle weisen starke Parallelen zu den massiven Überfällen in Köln auf, wo mittlerweile 90 Anzeigen von Frauen erstattet worden seien. In Köln sollen sich in der Silvesternacht circa 1.000 Personen vor dem Hauptbahnhof versammelt haben; aus dieser Gruppe heraus erfolgten durch mehrere Dutzend männlicher Tatverdächtiger sexuelle Übergriffe beziehungsweise Beleidigungen gegen Frauen sowie diverse Wegnahme -Handlungen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Polizei Hamburg hatte sich, wie in den Vorjahren, mit verstärkten Kräften auf die Silvesternacht vorbereitet. Hinweise auf polizeilich relevante besondere Sachverhalte, die von den Vorjahren abwichen, lagen den Sicherheitsbehörden nicht vor. Das gilt auch für den Bereich der Reeperbahn. Der Bereich der Reeperbahn war in der Silvesternacht durch ein hohes Besucheraufkommen von in der Spitze bis zu 50.000 Besuchern geprägt. Besonders im Bereich der Großen Freiheit und des Beatles-Platzes kam es zu dichten Menschenansammlungen. Die vor Ort eingesetzten Polizeikräfte haben deshalb in der Zeit von 2 bis circa 4 Uhr den Bereich der Großen Freiheit gesperrt und dort nur noch einen geregelten Zu- und Abgang zugelassen, um Gefahren durch die dichte Zusammenballung der Menschen zu verhindern. Ein Einblick in den Bereich der Großen Freiheit war den Polizeikräften aufgrund dieser Gedrängesituation nicht möglich. Die Polizeikräfte wurden vor Ort vereinzelt von Frauen auf Übergriffe angesprochen. Konkrete Täterhinweise, die vor Ort gezielte Zugriffe ermöglicht hätten, konnten dabei nicht gegeben werden. Die Frauen wurden aufgrund der Einsatzsituation vor Ort gebeten, an der nahe gelegenen Davidwache Anzeige zu erstatten. Es ist darauf hinzuweisen , dass auch an der Davidwache ein hohes Besucheraufkommen zu verzeichnen war, sodass Anzeigende Wartezeiten in Kauf nehmen mussten. Insgesamt war für die Silvesternacht, wie für Silvesternächte nicht unüblich, ein hohes Anzeigenaufkommen für verschiedenste Delikte festzustellen. Eine ungewöhnliche Häufung von Delikten durch Übergriffe auf Frauen ist den Kräften vor Ort und den Kräften an der Davidwache nicht aufgefallen. Der entsprechende Lagebericht aus dieser Nacht vermerkt diverse Anzeigen wegen sexueller Übergriffe im Bereich Große Freiheit. Drucksache 21/2739 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Am Montagmorgen lagen der Polizei Hamburg hierzu vier Strafanzeigen vor. Vor dem Hintergrund der Berichte aus Köln wurden diese sofort hinterfragt und weitere Informationen hierzu eingeholt. Die hieraus erkennbaren Tatabläufe, nach denen die Übergriffe durch Gruppen von Männern begangen wurden, führten einhergehend mit am Montag eingehenden weiteren Strafanzeigen zu weiteren Ermittlungen und einem Zeugen-/Geschädigtenaufruf der Polizei Hamburg. Hieraus ergaben sich mit Stand 12. Januar 2016, 158 Anzeigen. In allen Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen dauern an. Die Strafanzeigen lassen sich derzeit untergliedern in - 122 Anzeigen (213 Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/sexueller Nötigung, - 23 Anzeigen (29 Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/sexueller Nötigung und anschließendem Diebstahl, - acht Anzeigen (neun Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/ sexueller Nötigung und anschließendem Raub, - fünf Anzeigen (sechs Geschädigte) wegen Beleidigung auf sexueller Basis/ sexueller Nötigung sowie Körperverletzung. Auch in Hamburg konzentrieren sich die Aussagen auf Personen, die dem äußeren Anschein nach einen nordafrikanischen oder arabischen Hintergrund haben könnten. Die Polizei hat am 5. Januar 2016 eine Ermittlungsgruppe eingesetzt, die alle infrage kommenden Ermittlungsansätze verfolgt. Die Staatsanwaltschaft hat eine Zuständigkeitsregelung getroffen, wonach diese Verfahren konzentriert in der für Sexualdelikte zuständigen Abteilung bearbeitet werden. Die Polizei führt im Bereich St. Pauli an den Wochenenden und zu entsprechenden Zeiten mit hohem Besucheraufkommen Schwerpunkteinsätze durch. Hierbei wird auch auf die Möglichkeit des Einsatzes mobiler Videoüberwachung zurückgegriffen. Nach Bewertung der Polizei handelt es sich um eine in dieser Form bisher unbekanntes , besonders gravierendes Phänomen sexueller Übergriffe auf Frauen, auf die sich die Polizei mit den Maßnahmen vor Ort konzeptionell neu einstellen wird. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Strafanzeigen von weiblichen Opfern sind bei der Hamburger Polizei wegen des Verdachts auf Begehung von Vermögensdelikten, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Beleidigungsdelikten mit dem Tatzeitpunkt Silvesternacht/Neujahrsmorgen und dem Tatort Hamburger Reeperbahn sowie unmittelbar angrenzender Seitenstraßen und -plätze bisher insgesamt eingegangen? (Einzelne Aufschlüsselung nach Delikten und Anzahl weiblicher Opfer.) 2. Wie viele der unter Frage 1. genannten Taten stehen im Zusammenhang mit der oben erwähnten Berichterstattung? Eine Feststellung aller erfragten Delikte, die in der Nacht vom 31. Dezember 2015 auf den 1. Januar 2016 im Bereich Reeperbahn und angrenzender Straßen und Plätze zum Nachteil von Frauen begangen wurden, ist im Sinne der Fragestellung nicht möglich . Der örtlich zuständigen Dienststelle des Landeskriminalamtes (LKA 11) liegen für den entsprechenden Zeitraum über die in der Vorbemerkung hinausgehenden Anzeigen insgesamt mehrere Hundert Strafanzeigen vor. Die Auswertung der Anzeigen hinsichtlich Tatzeit, Tatörtlichkeit und Geschlecht müsste händisch erfolgen und ist in der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. a. Wie viele Opfer haben sich bisher bei der Hamburger Polizei gemeldet und Strafanzeige erstattet? Siehe Antwort zu 1. und 2. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2739 3 b. Geht die Hamburger Polizei davon aus, dass es noch Opfer gibt, die noch keine Anzeige erstattet haben? Ja. c. Gibt es Erkenntnisse zur Größe der Tätergruppen? Angaben hierzu können noch nicht gemacht werden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . d. Konnten Tatverdächtige ermittelt werden? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, warum nicht? Inwieweit besteht wenigstens ein Anfangsverdacht gegen eine benennbare Zahl an Tatverdächtigen? e. Von wie vielen Tatverdächtigen geht die Polizei insgesamt aus? Siehe Vorbemerkung. f. Hatten die Hamburger Polizei oder der Verfassungsschutz im Vorfeld Kenntnis durch Hinweise zum Beispiel in einschlägigen Internet- Foren auf diese Vorfälle? Nein. g. Liegen der Hamburger Polizei derzeit Erkenntnisse dahin gehend vor, dass die Täter gezielt und strategisch vorgegangen sind? h. Waren die von den Opfern und Zeugen beschriebenen Tathandlungen einheitlich bezüglich der Umzingelung, Bedrängung und der Wegnahme von Eigentum? Siehe Vorbemerkung. i. Verfolgt die Hamburger Polizei derzeit Ermittlungsansätze die in Richtung organisierte Kriminalität gehen? Wenn nein, warum nicht? Entsprechende Anhaltspunkte liegen derzeit nicht vor. j. Was ist der Hamburger Polizei über die Nationalität der Täter bekannt? Inwieweit gibt es welche Hinweise darauf, dass es sich bei den Tätern um Flüchtlinge oder polizeibekannte Intensivtäter handelt ? k. Was tut der Senat, um zu verhindern, dass sich dieses Tatmuster in naher Zukunft in Hamburg wiederholt? l. Welche Präventionsmaßnahmen ergreift der Senat aufgrund der Ereignisse, um insbesondere junge Frauen auf der Reeperbahn sowie angrenzenden Plätzen und Straßen vor derartigen Übergriffen zukünftig zu schützen? m. Mit welchem Konzept sollen solche Taten zukünftig im Vorfeld verhindert werden? Siehe Vorbemerkung.