BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/274 21. Wahlperiode 24.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 17.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Wie viele Opfer von Gewaltdelikten erhalten Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz? Das Opferentschädigungsgesetz (OEG) ist ein Bundesgesetz, das Opfern von Gewaltdelikten Hilfe gewährt. Der Staat ist als Träger des Gewaltmonopols und der Verbrechensverhütung und -bekämpfung verpflichtet, seine Bürger vor Gewalttaten und Schädigungen durch kriminelle Handlungen zu schützen. Anspruch auf Versorgung hat grundsätzlich jeder, der durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff an der Gesundheit geschädigt ist. Die Anzahl der Opfer von Straftaten in Hamburg ist ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2014 im vergangenen Jahr um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Insgesamt wurden 36.320 Personen in Hamburg zu Opfern; das Dunkelfeld dabei noch nicht berücksichtigt. Auch die Anzahl der Gewalttaten steigt bedauerlicherweise stetig: 10.144 Personen in Hamburg wurden im Jahre 2014 Opfer von Gewaltkriminalität (PKSSchlüssel 892000). Im Koalitionsvertrag kommt der Opferschutz zu kurz. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Straftaten, aus denen sich grundsätzlich Ansprüche nach dem OEG ergeben könnten, wurden seit dem Jahre 2010 jährlich registriert? Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ergeben sich nicht unmittelbar aus bestimmten Arten von Straftaten. Voraussetzung ist immer eine unmittelbare Schädigung einer natürlichen Person durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff und ein daraus resultierender entschädigungsfähiger Schaden im Sinne des Gesetzes. Eine statistische Erfassung dieses Merkmals erfolgt bei den entsprechenden Straftaten nicht. Die Zahl der Straftaten, aus denen sich grundsätzlich Ansprüche nach dem OEG ergeben können (Gewaltdelikte), hat sich seit dem Jahr 2010 wie folgt entwickelt: Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Gewaltdelikte 8.608 8.851 8.680 8.665 8.727 Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2014, Landeskriminalamt Hamburg 2. Wie viele Anträge nach dem OEG wurden in Hamburg seit dem Jahre 2010 jährlich gestellt? Die Zahl der gestellten Anträge nach dem OEG hat sich seit dem Jahr 2010 wie folgt entwickelt: Drucksache 21/274 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Anträge 589 521 575 687 512 a. Wie viele dieser Anträge wurden jeweils abgelehnt, bewilligt oder auf sonstige Art erledigt? Die nachfolgenden Angaben beziehen sich jeweils auf die in den erfragten Jahren jeweils beschiedenen Anträge: Jahr/Anträge 2010 2011 2012 2013 2014 abgelehnt 260 240 257 305 252 bewilligt 214 229 184 224 215 auf sonstige Weise erledigt 72 84 65 69 64 b. Wie viele dieser Anträge wurden jeweils mit welcher Leistungsart bewilligt? Jahr/Anerkennungen 2010 2011 2012 2013 2014 Rente mit Heil- und Krankenbehandlung 18 30 33 41 37 Rente ohne Heil- und Krankenbehandlung (Hinterbliebene ) 3 2 5 6 10 dauerhaft Heil- und Krankenbehandlung 128 128 100 117 103 vorübergehend Heil- und Krankenbehandlung 65 69 46 60 65 c. Was sind die wesentlichen Ablehnungsgründe? Die wesentlichen Ablehnungsgründe sind:  mangelnder Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 OEG,  Vorliegen von Versagungsgründen im Sinne von § 2 OEG,  mangelnder Nachweis von Schädigungsfolgen. d. Gegen wie viele der ablehnenden Entscheidungen wurde jährlich seit dem Jahre 2010 Widerspruch eingelegt und wie häufig wurde diesem im Verwaltungswege jeweils abgeholfen, gegen wie viele Ablehnungen wurde Klage erhoben und wie viele Klagen waren erfolgreich? Angegeben wird die Gesamtzahl der eingegangenen Widersprüche; darunter befinden sich auch solche gegen bewilligende Entscheidungen. Jahr/Widersprüche 2010 2011 2012 2013 2014 eingegangene 72 84 75 88 86 Abhilfe im Verwaltungswege 6 8 4 4 12 Die Anzahl der Klagen gegen ablehnende Widerspruchsbescheide sowie deren Erfolg wird – speziell für Angelegenheiten nach dem OEG – erst seit dem Jahr 2013 erhoben . In davor liegenden Zeiträumen gingen Klagen nach dem OEG in der Gesamtzahl von Klagen nach den sogenannten Anwendungsgesetzen zum Bundesversorgungsgesetz (BVG) auf. Jahr 2013 2014 OEG-Klagen 30 39 davon Urteil mit vollem Erfolg 8 2 davon Urteil mit teilweisem Erfolg 5 3 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/274 3 e. Wie hat sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Anträge nach dem OEG seit dem Jahre 2010 jährlich entwickelt? Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Durchschnittliche Bearbeitungsdauer in Monaten 11,4 13,2 12,3 12,7 12,8 f. Wie hat sich die Situation der für die Bearbeitung von OEG-Anträgen im Versorgungsamt zuständigen Stellen seit dem Jahre 2010 entwickelt? Bitte jeweils Stellen-Soll und Stellen-Ist in VZÄ angeben. Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Soll (VZÄ) 7 7 9 8 8 8 Ist (VZÄ) 6,8 6,8 6,6 7,6 7,6 6,6 g. Wie haben sich die Mittel für Geld- und Sachleistungen nach dem OEG im Haushalt seit dem Jahre 2010 entwickelt? Bitte jeweils SollAnsätze und Ist-Ergebnisse darstellen. Die Entwicklung der Mittel für Geld- und Sachleistungen nach dem OEG inklusive Fürsorgeleistungen und ohne Bundesanteile ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle . Die Soll-Angaben wurden dem jeweiligen Haushaltsplan entnommen. Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Ist 3.778.899,43 € 4.383.688,57 € 4.287.516,72 € 4.582.408,23 € 4.518.096,00 € Soll 4.759.000,00 € 5.046.000,00 € 5.142.000,00 € 4.297.000,00 € 4.797.000,00 € 3. In welcher Relation standen die seit 2010 jährlich nach dem OEG gestellten Anträge zur jeweiligen Anzahl der anspruchsrelevanten Gewaltstraftaten? Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Gewaltdelikte 8.608 8.851 8.680 8.665 8.727 Anträge 589 521 575 687 512 Rechnerische Quote 6,8% 5,9% 6,6% 7,9% 5,9% 4. Wie haben sich die Anträge nach dem OEG sowie die Anzahl der Bewilligungen seit dem Jahre 2010 jährlich in den anderen Bundesländern jeweils entwickelt? Anzahl OEG‐Anträge 2010 2011 2012 2013 2014 Baden-Württemb. 2.723 2.780 2.597 2.576 Bayern 2.125 1.975 1.821 1.913 Berlin 1.367 1.205 1.330 1.225 Brandenburg 1.006 798 821 733 Bremen 502 434 170 199 Hamburg 589 521 575 687 512 Hessen 1.638 1.783 2.197 2.691 Mecklenburg-Vorp. 365 303 355 317 Niedersachsen 1.800 1.778 1.891 1.676 Nordrhein-Westf. 5.700 5.558 5.078 5.036 Rheinland-Pfalz 821 824 803 815 Saarland 338 316 276 192 Sachsen 826 742 623 609 Sachsen-Anhalt 424 323 374 313 Schleswig-Holstein 635 740 746 644 Thüringen 388 356 284 299 Bundesrepublik 21.247 20.436 19.941 19.925 Drucksache 21/274 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anzahl OEG‐Bewilligungen 2010 2011 2012 2013 2014 Baden-Württemb. 972 944 845 847 Bayern 1.255 635 624 826 Berlin 473 490 319 371 Brandenburg 292 291 296 200 Bremen 118 123 102 146 Hamburg 214 229 184 224 215 Hessen 721 661 732 606 Mecklenburg-Vorp. 180 169 130 133 Niedersachsen 735 591 581 624 Nordrhein-Westf. 2.088 1.908 1.981 1.837 Rheinland-Pfalz 358 347 333 359 Saarland 183 139 122 120 Sachsen 397 274 240 140 Sachsen-Anhalt 258 229 237 169 Schleswig-Holstein 258 300 280 146 Thüringen 232 140 145 114 Bundesrepublik 8.734 7.470 7.151 6.862 Die Entwicklung der Anzahl der OEG-Anträge und der OEG-Bewilligungen in den anderen Ländern für das Jahr 2014 wird erst am 23./24. September 2015 bekannt gegeben werden. 5. Was unternehmen beziehungsweise planen Senat beziehungsweise zuständige Behörde, um die Opfer von Gewalttaten verstärkt zur Stellung von Anträgen nach dem OEG zu ermuntern? Das für die Durchführung des OEG zuständige Versorgungsamt betreibt eine umfängliche Öffentlichkeitsarbeit zur Opferentschädigung. Hierzu gehören insbesondere die Verteilung des Flyers „Entschädigungsleistungen für Opfer von Gewalttaten“ und die regelmäßige Teilnahme von Vertretern des Versorgungsamtes bei dem jährlichen Opferschutztag der Polizei Hamburg. Darüber hinaus findet ein ständiger Austausch mit der Kriminalitätsopferhilfe-Organisation „WEISSER RING e.V.“ statt. Beispielsweise wurden bei einem Gespräch mit dem Vorstand des WEISSEN RING e.V. am 19. März 2015 Hospitationen von Außenstellenleitern des gemeinnützigen Vereins bei dem Versorgungsamt besprochen, um die Zusammenarbeit weiter zu verbessern und auszubauen. Zur Erleichterung der Antragstellung wurden die Antragsformulare auf der Internetseite des Versorgungsamtes bereitgestellt. Weiterhin besteht in Hamburg ein Konzept zur Sofortversorgung von Opfern von Gewalttaten unter Federführung des Versorgungsamtes. Ziel ist es, in sogenannte Traumaambulanzen in bis zu fünf Sitzungen zu klären, ob behandlungsbedürftige Störungen, die durch die Gewalttat bedingt sind, vorliegen. Die Anmeldung zur Traumaambulanz kann über eine Polizeidienststelle oder mithilfe von Opferhilfeberatungsstellen wie dem WEISSER RING e.V. erfolgen. Das Angebot wird für Erwachsene in der Asklepios-Klinik Nord – Ochsenzoll und dem Universitätsklinikum HamburgEppendorf (UKE) durchgeführt; für Kinder und Jugendliche im UKE. Die Inanspruchnahme der Traumaambulanz ist für die Opfer von Gewalttaten kostenlos. Gleichzeitig wird im Rahmen der Therapiesitzungen dafür Sorge getragen, dass die Betroffenen einen Antrag nach dem OEG stellen. Ferner wurde im Jahr 2012 das Pilotprojekt „Kurzanträge“ eingeführt. Der Kurzantrag beinhaltet einen Antrag nach dem OEG, der von der Polizeidienststelle, welche die Anzeige wegen der Gewalttat aufgenommen hat, an das Versorgungsamt übersandt wird. Da sich dieses Verfahren bewährt hat, wird es seit dem Jahr 2014 regelhaft betrieben.