BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2776 21. Wahlperiode 26.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 18.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Sharing Economy – Versteht der Senat überhaupt, was vor sich geht? Wie aus Drs. 21/582 hervorgeht, herrscht beim Hamburger Senat Plan- und Ratlosigkeit in Bezug auf die Entwicklung der Sharing Economy. So existiert in den Hamburger Behörden nicht einmal eine einheitliche Definition des Begriffs, unter dem sich zunehmend ganze Branchen sowie die Art und Weise wie wir arbeiten, uns fortbewegen, leben und wohnen, disruptiv verändern werden. Nach einer Umfrage der PricewaterhouseCoopers AG (Juni 2015) planen 64 Prozent der Bundesbürger in den nächsten zwei Jahren Sharing- Economy-Dienste zu nutzen, die Hälfte der Bundesbürger will selbst entsprechende Dienste anbieten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum der Senat nicht die sich darbietende Chance nutzt, Hamburg zu einem Vorreiter auf diesem Gebiet zu machen. Einzig das unter der CDU- Regierung gestartete Projekt StadtRAD sowie das Projekt switchh können als Beispiele praktizierter Sharing Economy genannt werden. Hierbei kann, entgegen der genannten Senatsauskunft, nicht immer auf alte Gesetzgebung verwiesen werden. Wer Vorreiter sein will, muss sich an neue Gegebenheiten anpassen können. Dazu zählen bestehende Gesetze, wie beispielsweise zur Vermietung privater Wohnungen. So ist die rechtliche Situation, basierend auf §9 Absatz 2 des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetztes, vielen Nutzern des Anbieters Airbnb vermutlich nicht klar, wenn sie ihre Wohnung regelmäßig und vollständig zur Miete anbieten. Das führt wiederum dazu, dass in vielen Fällen, sowohl räumlich als auch zeitlich, deutlich über das vom Gesetz erlaubte Maß hinaus vermietet wird. Zuletzt machte Hamburgs Sharing Economy negative Schlagzeilen, als car2go sein Geschäftsgebiet verkleinerte und der Personenbeförderungsdienst Uber sein Geschäft in unserer Stadt einstellte. Hier stellen sich grundlegende ordnungspolitische Fragen, die jedoch in der Argumentation des Senats bislang nicht zu finden sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Steht der Senat im regelmäßigen Kontakt mit Vertretern der großen Sharing -Economy-Unternehmen, die sich in Hamburg unternehmerisch betätigt haben oder aktuell betätigen (beispielsweise car2go, DriveNow, Airbnb und Uber)? Wenn ja, in welcher Form, wie häufig und mit welchen Ergebnissen findet dieser Austausch statt? Kontakte zu Vertretern der Sharing Economy erfolgen in der Regel anlassbezogen. Mit Vertretern von „Uber“ hat beispielsweise zuletzt im September 2015 ein Gespräch beim Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) stattgefunden . Die Vertreter des Unternehmens haben ihre damalige Strategie, sich an die Drucksache 21/2776 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 rechtlichen Rahmenbedingungen halten zu wollen, erläutert, bevor sie sich aus Hamburg zurückgezogen haben. 2. Plant der Senat gesetzliche beziehungsweise regulatorische Anpassungen auf Landesebene beziehungsweise entsprechende Initiativen auf Bundesebene, um auf die Entwicklungen der Sharing Economy zu reagieren – sei es zur Förderung innovativer Unternehmen oder zum Schutz von Arbeitnehmern und Verbrauchern? Konkrete Initiativen sind derzeit nicht geplant. Der Senat verfolgt allerdings die Entwicklung genau und wird geeignete Maßnahmen einleiten, wenn dies zur Förderung der Digitalisierung oder aus anderen Gründen erforderlich erscheint. Im Übrigen ermöglichen die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen, die sich der „Sharing Economy“ zurechnen. Aufgrund der mangelnden Abgrenzungsschärfe des Begriffs ist es weder sachlich geboten noch mit dem fairen Wettbewerb vereinbar, Sonderregelungen zugunsten dieses Bereichs anzustreben. Die Vorschriften zur Besteuerung, zur Zahlung von Sozialabgaben und zum Schutz der Rechte von Arbeitnehmern wie von Verbrauchern gelten für die Unternehmen uneingeschränkt und sind im Fall der Nichtbeachtung durchzusetzen. 3. Welchen Wert misst der Senat Carsharing-Diensten zur Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs bei? Carsharing-Diensten als Erweiterung und Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs kann ein hoher Stellenwert zukommen, sofern die Integration und Verknüpfung der Angebote gezielt und gesteuert im Sinne eines für die Nutzer einfach und leicht zugänglichen Gesamtangebotes aus Hamburger Verkehrsverbund (HVV) und Carsharing -Diensten erfolgt, wie es im Projekt switchh bereits der Fall ist. Durch diese Vernetzung können für die Stadtbewohner die Voraussetzungen beziehungsweise Anreize für eine einfache und übergreifende Nutzung der verschiedenen Mobilitätsangebote geschaffen werden. Der Verzicht auf den privaten (Zweit-)Pkw als permanente Rückfallebene individueller Mobilität wird gegebenenfalls gefördert, wobei diese Effekte bisher nicht nachgewiesen sind. Damit unterstützt das Angebot switchh im HVV eine Vielzahl verkehrs-, stadtentwicklungs- sowie umweltpolitischer Zielsetzungen. 4. Wenn der Senat diesen Angeboten eine gesteigerte Bedeutung als Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs beimisst, warum wurde dann nicht versucht, auf die Entscheidung des Unternehmens car2go, sein Geschäftsgebiet zu verkleinern, Einfluss auszuüben? Bei den Geschäftsgebiet-Anpassungen handelt es sich um unternehmerische Entscheidungen des Unternehmens Car2go. In engen, gewachsenen Kooperationen wie zum Beispiel dem Angebot switchh wird künftig am ehesten das Potenzial gesehen, sinnvolle Maßnahmen zur Optimierung des Gesamtangebotes aus HVV und Carsharing umzusetzen. In der Weiterentwicklung von switchh sollen ab Frühjahr des Jahres 2016 alle HVV-Nutzer einen einfachen und bequemen Zugang zu den in Hamburg relevanten Carsharing-Angeboten Car2go, DriveNow und cambio erhalten. 5. Wie schätzt der Senat das Konzept des Anbieters Airbnb, insbesondere dessen Auswirkungen auf die Hotelbranche in Hamburg, ein? Angesichts eines seit Jahren erheblichen Zuwachses an Hotelkapazitäten, des hohen Interesses von Hotelinvestoren am Standort Hamburg und des starken Wachstums bei den Übernachtungen in Hotelbetrieben sind größere Auswirkungen des Angebotes privater Wohnungsvermietungen auf die Hotelbranche zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkennbar. 6. Wie entwickelten sich die jährlichen Übernachtungszahlen seit 2011 in der Stadt? Bitte getrennt nach Hotelübernachtungen und privaten Vermietungen durch Airbnb und ähnliche Sharing-Angebote ausweisen. Die amtliche Statistik unterscheidet im Bereich Tourismus nicht zwischen gewerblichen Anbietern oder Privatpersonen, da die entsprechende Rechtsgrundlage – das Gesetz zur Neuordnung der Statistik über die Beherbergung im Reiseverkehr (Beher- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2776 3 bergungsstatistikgesetz – BeherbStatG) – die Inhaber oder Leiter einer Beherbergungsstätte mit zehn und mehr Betten zu statistischen Erhebungen verpflichtet. Insoweit liegen über den Bereich der sogenannten Kleinvermieter keine Angaben vor. Es ist aber durchaus möglich, dass meldepflichtige Betriebe oberhalb der Abschneidegrenze (zehn Betten) auf diversen Plattformen des Internets wie Airbnb, ViertHotel et cetera ihre Betten anbieten. Betriebe, Betten, Gäste, Übernachtungen nach Betriebsarten in Hamburg 2011 bis Oktober 2015 Betriebsart Jahr Betriebe (Anzahl) geöffnete Betriebe (Anzahl) Betten- Bestand (Anzahl) angebotene Betten (Anzahl) Gäste insgesamt (Anzahl) Übernachtungen insg. (Anzahl) Hotel 2011 139 139 29.601 29.601 3.282.672 5.952.786 2012 145 145 31.946 31.765 3.570.359 6.521.827 2013 148 148 31.962 31.817 3.637.884 6.905.541 2014 145 145 31.630 31.548 3.677.824 6.951.718 20151) 147 147 33.119 32.618 3.119.250 6.035.664 Hotels garnis 2011 154 154 16.020 15.987 1.654.796 3.205.636 2012 154 153 16.620 16.349 1.712.280 3.368.026 2013 153 152 17.213 16.773 1.825.078 3.667.489 2014 152 152 17.904 17.732 1.917.150 3.912.440 20151) 158 157 19.635 19.380 1.747.942 3.646.689 Gasthof 2013 1 1 . . . . Pension 2011 8 8 219 213 11.584 26.866 2012 8 8 211 207 13.388 32.854 2013 8 8 . . . . 2014 12 12 281 259 13.771 36.379 20151) 13 13 307 303 12.109 33.617 Jugendherbergen und Hütten 2011 3 3 876 876 75.398 191.638 2012 8 8 2.845 2.845 223.878 505.223 2013 12 12 3.354 3.346 298.550 687.703 2014 10 10 3.816 3.816 313.766 707.214 20151) 11 11 3.835 3.833 284.432 632.331 Campingplatz 2011 4 4 _ _ 32.457 75.160 2012 6 5 _ _ 54.614 100.175 2013 6 5 _ _ 61.169 118.682 2014 6 6 _ _ 64.353 127.424 20151) 6 6 _ _ 69.234 128.914 Erholungsheime/ Ferien/Schulheime 2011 3 3 283 283 14.553 45.401 2012 3 3 283 283 13.978 45.289 2013 3 3 283 254 14.749 46.117 2014 6 6 442 442 19.200 57.530 20151) 6 6 450 450 17.716 49.419 Betriebe, Betten, Gäste, Übernachtungen nach Betriebsarten in Hamburg 2011 bis Oktober 2015 Ferienhäuser und -wohnungen 2011 5 5 205 205 11.712 32.813 2012 8 8 329 329 15.147 60.618 2013 10 10 741 740 34.196 154.517 2014 12 11 888 857 45.702 215.449 20151) 12 12 769 769 28.698 171.266 insgesamt 2011 322 315 48118 47690 5083172 9530300 2012 333 326 53253 52590 5603644 10634012 2013 342 334 53617 52771 5880314 11603135 2014 348 342 56440 55887 6051766 12008154 20151) 353 352 58475 57851 5279381 10697900 1) Daten für Januar bis Oktober 2015; Daten für das gesamte Jahr 2015 liegen erst ab März 2016 vor. . = Die Betriebsart „Gasthof“ ist im Jahr 2013 nur mit einem Betrieb besetzt, sodass diese Einzeldaten dem Datenschutz unterliegen. Drucksache 21/2776 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Nachweisungsgruppe der Hotellerie besteht aus den Betriebsarten „Hotel, Hotel garni, Gasthof und Pension“ und wird als solche auch in fachstatistischen Auswertungen ausgewiesen. In dem hier vorliegenden Fall ist daher innerhalb dieser Nachweisungsgruppe ein zweiter Wert geheim zu halten, damit nicht durch Differenzbildung nachträglich der Datenschutz wieder aufgehoben wird. Im Übrigen siehe § 16 des Bundesstatistikgesetzes. Quelle: Statistik im Tourismusgewerbe 7. Wie bewertet der Senat das Angebot des Personenbeförderungsdienstleisters Uber aus ordnungspolitischer Sicht? Unter der Bezeichnung „uber“ sind in Deutschland unterschiedliche Geschäftsmodelle angeboten worden. Es handelte sich einerseits um die Vermittlung von Taxen oder von Mietwagen im Gelegenheitsverkehr. Diese Angebote sind ordnungspolitisch unproblematisch, wenn die üblichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt werden. In Hamburg haben sich einige Unternehmen mit vorhandener personenbeförderungsrechtlicher Genehmigung diesen Vermittlungsmodellen angeschlossen. Andererseits gab es den Versuch, entgeltliche und geschäftsmäßige Personenbeförderung anzubieten , die offenbar von Privatpersonen ohne die gesetzlich geforderte Erlaubnis durchgeführt werden sollte. Hiergegen ist die zuständige Behörde durch Untersagungsverfügung vorgegangen, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg als rechtmäßig bestätigt worden ist. Das von „uber“ verfochtene Modell des Einsatzes von sogenannten Privatfahrern war darauf angelegt, die Vorgaben des Steuer- und Abgabenrechts zum Schutz der Arbeitnehmer und Verbraucher zu unterlaufen und war damit gegenüber den Betrieben mit ordnungsgemäßer Genehmigung grob wettbewerbswidrig. a. Hält es der Senat in Zeiten von Navigationsgeräten für weiterhin notwendig, eine Ortskenntnisprüfung von Taxifahrern zu verlangen? Die Ortskenntnis hat auch in Zeiten von Navigationsgeräten ihre Bedeutung für einen guten Service bei Personenverkehrsdiensten nicht verloren. Darüber hinaus wird mit der sogenannten Ortskenntnisprüfung seit dem Jahr 2003 auch vermehrt die Fähigkeit der Taxenfahrer, die deutsche Sprache zu verstehen und sich in ihr auszudrücken, geprüft. Ohne hinreichende Deutschkenntnisse kann die Prüfung zum Nachweis der Ortkenntnisse nicht erfolgreich absolviert werden. Diese von den Hamburger Taxenverbänden , der TÜV Nord Straßenverkehr GmbH und der zuständigen Behörde erarbeiteten Neuausrichtung der Ortskundeprüfung folgt einem Ersuchen der Bürgerschaft (siehe Drs. 17/1559 und 18/767). Darüber hinaus besteht ein Interesse, die Ortskundeprüfung auch mit weiteren Inhalten, zum Beispiel zum servicegerechtem Betrieb, anzureichern. b. Hält es der Senat für angebracht, Fahrgästen von Personenbeförderungsdiensten die bestmögliche Dienstleistung für einen angemessenen Preis zu ermöglichen? Ja. Kriterien für die Qualität des Angebots von Personenbeförderungsdiensten sind: • nachfragegerechte Verfügbarkeit für alle Nutzergruppen an 24 Stunden/365 Tagen im Jahr, • Zuverlässigkeit bei der Kundenbedienung, • transparente Entgeltregelungen, • Verjüngung des Fahrzeugparks und Verbesserung der Umweltstandards, • Verdrängung von Unternehmen, die den Ursprung ihrer Einnahmen nicht belegen und damit Einkommen verschleiern, um Steuern und Sozialabgaben zu „sparen“, • Kontrolle und Ahndung illegaler Praktiken einzelner Unternehmer und Fahrer zum Schutz der Fahrgäste und der übrigen Gewerbetreibenden, • verlässliche Arbeitsbedingungen im Gewerbe, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2776 5 • Innovation durch ungehinderten Marktzugang bei Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen . Die App-Vermittlung für sogenannte Privatfahrer kann keines dieser Qualitätskriterien erfüllen. Würde man die „Privatfahrer“ akzeptieren, wäre dies ein deutliches und verfehltes Zeichen, dass auch im traditionellen Gewerbe die genannten Qualitätsziele zur Disposition stehen. 8. Nach Auskunft des Senats (Drs. 21/582) kann die Sharing Economy den nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen unterstützen. Welche Initiativen des Senats gibt es aktuell, um durch die Nutzung von Sharing- Economy-Angeboten in der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise in öffentlichen Unternehmen, knappe Mittel (hier insbesondere die Finanzen der Freien und Hansestadt Hamburg) sinnvoll zu nutzen? Bitte ohne Verweis auf andere Drucksachen aufzählen. Für den Bereich der dienstlichen Mobilität hat die Freie und Hansestadt Hamburg Kooperationsverträge mit den Firmen DB Rent GmbH (StadtRad Hamburg) und cambio Carsharing abgeschlossen.