BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2798 21. Wahlperiode 15.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 08.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Schutz von Frauen und Mädchen auf Großveranstaltungen Sexuelle Übergriffe und Gewalt an Frauen im öffentlichen Raum sind leider nicht erst seit den jüngsten Vorfällen ein Thema in unserer Gesellschaft. Besonders gefährdet scheinen Frauen zu sein, wenn es sich um Großevents wie zum Beispiel Stadtfeste, Sportveranstaltungen oder Musikfestivals handelt . Frauen müssen nicht nur in ihren Wohnungen, Partnerschaften und Familien vor Gewalt und Übergriffen geschützt werden, sie sollten sich auch im öffentlichen Raum sicher fühlen können. Hierfür bedarf es auch in Hamburg Präventions - und Schutzkonzepte. Ich frage den Senat: 1. Wie viele Anzeigen von sexuellen und/oder gewalttätigen Übergriffen an Frauen im öffentlichen Raum oder auf Großevents wurden im Jahr 2015 erstattet? Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). In der PKS erfolgt die räumliche Erfassung in ihrer kleinsten Einheit nach Ortsteilen. Nach Tatörtlichkeit oder besonderen Anlässen wird nicht weiter differenziert. Die Tatörtlichkeit „öffentlicher Raum“ wird in der PKS für ausgewählte Delikte über den PKS-Unterschlüssel „auf Straßen, Wegen oder Plätzen“ dargestellt. Eine Auswertung zu Großveranstaltungen ist in der PKS nicht möglich. Die Aussagekraft der PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Zur begrenzten Aussagekraft unterjähriger PKS-Daten siehe auch Drs. 16/4616. In der PKS wird ein Fall in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit bleibt dabei unberücksichtigt. Wird dieser Fall in einem Folgemonat im Sinne der vorstehend beschriebenen ständigen Pflege geändert, führt das in diesem Folgemonat zu einer erneuten Zählung, da eine Datensatzänderung im rechnerischen Sinne eine neue Erfassung darstellt. In der PKS erfolgen unterjährige Auswertungen immer kumulativ. Die Opfererfassung in der PKS erfolgt bei im Straftatenkatalog speziell ausgewiesenen Straftaten. Dies betrifft grundsätzlich Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung). Drucksache 21/2798 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Im Deliktsbereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung werden für den PKS-Schlüssel 132000 (Exhibitionistische Handlungen und Erregung öffentlichen Ärgernissen) keine Opfer erfasst. Da in einem Fall mehrere Opfer geschädigt sein können, ist ein Rückschluss von den Opferzahlen auf die Fallzahlen nicht möglich. Der Hamburger PKS-Datenbestand für das Jahr 2015 wird aktuell im Abgleich mit dem Datenbestand des Bundeskriminalamtes (BKA) qualitätsgesichert. Erst nach Abschluss dieser Prüfungen und Freigabe durch das BKA gelten die PKS-Daten eines Berichtsjahres für Fall- und Tatverdächtigenzahlen als gültig. Die Jahreszahlen 2015 liegen daher noch nicht vor. Zu den aus der PKS vorliegenden Fall- und Opferzahlen für den Zeitraum Januar bis September 2015 siehe folgende Tabelle: PKS Schlüsselzahl Straftat Fälle Opfer insgesamt männlich weiblich 110000 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Gewaltanwendung oder Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses 134 136 6 130 130000 Sonstiger sexueller Missbrauch 356 455 108 347 217000 Sonstiger Raub auf Straßen/ Wegen/Plätzen 1.101 1.192 959 233 222100 Gefährliche/schwere Körperverletzung auf Straßen/ Wegen/Plätzen 2.563 3.093 2.547 546 2. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, die betroffenen Frauen zu unterstützen ? 3. Auf welche Beratungsstellen wird in solchen Fällen verwiesen? Die Polizei informiert betroffene Frauen bei der Anzeigenaufnahme über ihre Rechte im Strafverfahren durch die Aushändigung des „Merkblatt über die Rechte von Verletzten und Geschädigten in Strafverfahren“. Darüber hinaus gibt die Polizei Hinweise auf das umfangreiche Hamburger Hilfenetz mit Opferhilfeeinrichtungen und Beratungsstellen für sexualisierte Gewalt sowie Straftaten im Allgemeinen. Bei der Polizei liegen entsprechende Broschüren mit den Erreichbarkeiten vor; diese werden im Bedarfsfall ausgehändigt. Ein Überblick über diese Fachberatungsstellen ist im Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel, Gewalt in der Pflege enthalten (siehe Drs. 20/10994). Geschädigte werden gegebenenfalls von der Polizei auch auf das Bundeshilfetelefon als erste Anlauf- und Beratungsstelle hingewiesen, von wo aus bei Bedarf eine Weitervermittlung an Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen vor Ort erfolgt. 4. Es ist am Silvesterabend zu Übergriffen in St. Pauli gekommen. a. Wie viele Anzeigen liegen bisher vor? Der Polizei liegen mit Stichtag 15. Januar 2016, 12 Uhr, im Sinne der Fragestellung insgesamt 205 Strafanzeigen vor. Im Übrigen siehe Drs. 21/2727, 21/2728 und 21/2739. b. An welche Beratungs- und Hilfsangebote wurden die Frauen verwiesen ? Siehe Antwort zu 2. und 3. 5. Inwiefern gibt es Präventions- und Schutzkonzepte für Großveranstaltungen sowie für Veranstaltungsorte und Vergnügungsviertel wie zum Beispiel die Reeperbahn? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2798 3 Die Polizei führt Maßnahmen im Sinne der Fragestellung anlassbezogen und lageabhängig durch. Die jeweils einzusetzenden Kräfte, entsprechend erforderlicher Einsatzmittel oder begleitender Informationen über geeignete Medien, werden anlassbezogen geplant und im Zuge des Einsatzes kontinuierlich hinsichtlich ihrer Wirkung überprüft und bei Bedarf angepasst. Das Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege (Drs. 20/10994) enthält umfangreiche Schutz- und Präventionsmaßnahmen. Diese betreffen auch die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt. In Umsetzung und Fortschreibung dieses Konzeptes wird geprüft werden, inwieweit diese Maßnahmen – wie zum Beispiel Qualifizierungen, Aufklärung und Sensibilisierung insbesondere im Hinblick auf sexuelle Übergriffe – im öffentlichen Raum und bei öffentlichen Großveranstaltungen noch zu verstärken sind. Auf das vor der Silvesternacht in dieser Form und in diesem Ausmaß unbekannte Phänomen sexueller Übergriffe wird sich die Polizei konzeptionell neu einstellen. 6. Welche Experten/-innen und Akteure/-innen würde der Senat zur Erarbeitung geeigneter Maßnahmen zur Prävention und zum Schutz hinzuziehen ? Die Polizei bewertet fortlaufend die Lage im Allgemeinen und aus besonderem Anlass. Dabei bezieht die Polizei anlassbezogen auch Fachleute aus interdisziplinären, behördenübergreifenden wie auch überregionalen Zusammenhängen mit ein. Im Übrigen ist die Dienststelle „Prävention und Opferschutz“ im Fachstab des Landeskriminalamts Hamburg (LKA FSt 3) sowohl hamburg- als auch bundesweit entsprechend vernetzt. Die zuständigen Fachbehörden greifen bei der (Weiter-)Entwicklung von entsprechenden Maßnahmen zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt auf die Expertinnen und Experten der Fachberatungsstellen zurück. Mit Blick auf die Gewalt gegenüber Frauen im öffentlichen Raum sind dies vor allem die Beraterinnen des NOTRUFS für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und 3.