BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2855 21. Wahlperiode 19.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 13.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Übergriffe auf Frauen in Hamburg und Pressemitteilungen der Polizei In der Silvesternacht kam es in Köln und anderen Städten, so auch in Hamburg , zu massiven sexuellen Übergriffen auf Frauen durch Gruppen von Männern, die hier auf dem Kiez und am Jungfernstieg unterwegs waren. Die Polizei selbst hat erst einige Tage nach den Übergriffen berichtet, und auch dann zunächst nur zögerlich und auf Nachfrage von Medien. Doch seit die Übergriffe der Silvesternacht und ihre Massivität öffentlich bekannt sind, meldete die Polizei (Hamburger und Bundespolizei) in Hamburg in kürzester Zeit, nämlich am 10. und 11. Januar 2016, in acht Pressemeldungen sexuelle Übergriffe durch Männer, und zwar ausschließlich unter Verweis auf die Herkunft beziehungsweise den (vermuteten) Migrationshintergrund der vermuteten Täter. In einem Fall heißt es sogar, ein Migrationshintergrund „ist nicht auszuschließen“. Zwei weitere sexuelle Übergriffe werden in einer Sammel- PM aus Erstaufnahmeeinrichtungen gemeldet. Es gibt in diesem Zeitraum keine einzige Pressemitteilung zu sexuellen Übergriffen, die von vermuteten herkunftsdeutschen Tätern spricht. Infolge dieser Polizeimeldungen berichten auch die Medien verstärkt über sexuelle Übergriffe von Männern, und auch hier steht der Migrationshintergrund der Männer im Mittelpunkt. Die Nennung der Herkunft von Tätern ist nach dem Pressekodex nur zulässig, wenn „für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“. Kriminalsoziologen weisen darauf hin, dass die Berichterstattung über angezeigte Straftaten erheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Kriminalität hat. Es gibt Gründe, dass gemeldete oder angezeigte Straftaten nicht samt und sonders, sondern nur teilweise in Pressemeldungen einfließen. Diese Gründe gibt es auch für sexuelle Übergriffe. Die durch Presse und soziale Medien weit verbreiteten Pressemitteilungen der Hamburger Polizei verbreiten in diesen Tagen jedoch das Bild, dass sexualisierte Gewalt ausschließlich durch Männer mit Migrations- beziehungsweise Fluchthintergrund verübt werde. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Pressemeldungen hat die Polizei Hamburg seit dem 01.01.2016 veröffentlicht? Vom 1. Januar 2016 bis zum Stichtag 14. Januar 2016 hat die Polizei 68 Pressemitteilungen veröffentlicht. a. Wie viele davon beziehen sich nicht auf die Übergriffe während der Silvesternacht, sondern auf Straftaten, die sich seit dem Neujahrsmorgen ereigneten? Bitte aufschlüsseln nach Deliktbereichen. Drucksache 21/2855 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Es handelt sich in 45 Fällen um Pressemeldungen im Sinne der Fragestellung; die Anzahl der Meldungen zu unterschiedlichen Deliktsbereichen ist in der folgenden Tabelle dargestellt: Delikt Anzahl Raubdelikte 11 Körperverletzungsdelikte 8 Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung 7 Eigentumsdelikte 7 Tötungsdelikte 5 Verkehrsunfälle 5 Sachbeschädigung 1 Rauschgiftdelikte 1 Im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 14. Januar 2016 hat die Polizei darüber hinaus 15 Pressemitteilungen als Abschlussmeldungen von Schwerpunkteinsätzen und Rotlichtkontrollen , zu Vermisstenfahndungen sowie zu besonderen Ermittlungserfolgen von zurückliegenden Straftaten/Anzeigen herausgegeben. 2. Wie viele seit dem Neujahrsmorgen begangene Straftaten oder Hinweise auf seit dem Neujahrsmorgen begangene Straftaten wurden der Polizei Hamburg seit dem 01.01.2016 bekannt? Bitte aufschlüsseln nach Deliktbereichen . Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). In der PKS werden Straftaten erst nach Abschluss der polizeilichen Sachbearbeitung erfasst. Der Zeitraum für die notwendigen Ermittlungen ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich . Ein Fall wird in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit und Anzeigedatum bleiben dabei unberücksichtigt. Die Aussagekraft der PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Für den erfragten Zeitraum liegen daher keine PKS-Daten vor. Für die Beantwortung der Fragestellung wäre eine Auswertung sämtlicher kriminalpolizeilicher Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums erforderlich. Die händische Durchsicht von mehreren Tausend Vorgängen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. 3. Nach welchen Kriterien wählt die Polizei Hamburg einzelne angezeigte Straftaten für Pressemeldungen aus? Wer entscheidet über Pressemitteilungen ? Die Entscheidung über die Herausgabe einer Pressemitteilung erfolgt immer in Abstimmung mit dem Pressesprecher; im Übrigen siehe Drs. 21/2322 und Drs. 20/14095. 4. Inwiefern ist der Eindruck zutreffend, dass die Polizei Hamburg nach Bekanntwerden der Übergriffe an Silvester eine größere Anzahl an angezeigten Sexualdelikten gemeldet und registriert hat? Die Polizei hat eine im Vergleich der Vorjahre erhöhte Anzahl an Pressemeldungen herausgegeben. Zu den Voraussetzungen der Veröffentlichung durch die Pressestelle der Polizei siehe Antwort zu 3.; im Übrigen ist eine Änderung des Bewertungsmaßstabes der Pressestelle der Polizei nicht erfolgt. Darüber hinaus siehe Antwort zu 2. a. Von wie vielen Sexualdelikten, die sich seit dem Neujahrsmorgen 2016 ereigneten, hat die Polizei Hamburg Kenntnis erlangt? Beim Fachkommissariat Sexualdelikte im Landeskriminalamt Hamburg (LKA 42) sind seit dem Neujahrsmorgen 2016, mit einer Tatzeit ab 06 Uhr, bis zum Stichtag 14. Ja- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2855 3 nuar 2016 zehn Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung zur Sachbearbeitung übernommen worden; im Übrigen siehe Antwort zu 2. b. In wie viel Prozent dieser Fälle wurde in Tateinheit ein Diebstahl oder Raub zur Anzeige gebracht? c. In wie vielen Fällen unter 4.a. sind Menschen ohne Migrationshintergrund als Täter genannt, verdächtigt oder ermittelt? In einem Fall der beim LKA 42 anhängigen Fälle aus dem Jahr 2016 ist ein Sexualdelikt in Tateinheit mit Diebstahl zur Anzeige gebracht worden; darüber hinaus liegen weitere Sachverhalte im Sinne der Fragestellung beim LKA 42 bisher nicht vor. In drei der Fälle sind Menschen ohne Migrationshintergrund als Täter verdächtigt oder ermittelt . d. Wie viele Sexualdelikte wurden im selben Zeitraum der drei vergangenen Jahre (2013 – 2015) zu Anzeige gebracht? Bei wie vielen waren Täter ohne Migrationshintergrund tatverdächtig? Siehe Antwort zu 2. e. Wie viele Pressemeldungen der Polizei Hamburg bezogen sich jeweils auf die unter 4.d. genannten Anzeigen aus den Jahren 2013 – 2016? f. In wie vielen dieser unter 4.e. genannten Pressemeldungen wurde auf den ethnischen Hintergrund der Täter verwiesen? Und in wie vielen dieser Verweise wurde ein Migrationshintergrund genannt? Zu den von der Pressestelle der Polizei im Zeitraum 1. Januar bis 14. Januar der Jahre 2013 bis 2016 veröffentlichten Pressemelden zu Sexualdelikten siehe die folgende Tabelle: Jahr Anzahl Hinweis auf ethnische Herkunft Migrationshintergrund 2013 0 - - 2014 2 2 0 2015 2 0 0 2016 7 7 2 5. Welche objektivierten Kriterien liegen der Entscheidung zugrunde, ob die Polizei Meldungen über Sexualstraftaten rausgibt oder nicht? Welche Rolle spielen dabei etwa sexuelle Gewalt im Haus, Alter von Tatverdächtigen , Beziehungen von Tatverdächtigen zum Opfer und Ähnliches mehr? Siehe Antwort zu 3.