BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2868 21. Wahlperiode 22.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 14.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Deutschkurse für Flüchtlinge Über eine Million Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr bundesweit registriert . Ein erheblicher Teil von ihnen dürfte eine mittel- bis langfristige Bleibeperspektive haben. Um aber am Leben in Deutschland teilnehmen zu können und vor allem, um den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, ist die Beherrschung der deutschen Sprache Grundvoraussetzung. Zwar besuchen bereits Zehntausende Flüchtlinge offizielle, aber auch von Ehrenamtlichen angebotene Deutschkurse, doch wie viele von ihnen sind noch unversorgt? Den wohl umfangreichsten Deutschkurs mit rund 600 Stunden finanziert der Bund im Rahmen des Integrationskurses, doch auch die Agentur für Arbeit und die Stadt Hamburg fördern das Erlernen der deutschen Sprache. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Flüchtlinge welche Deutschkurse außerhalb des ehrenamtlichen Angebots in den ZEA wahrnehmen können? Siehe Anlage. 2. Wie viele Flüchtlinge nahmen 2014 und 2015 jeweils an einem von Bund angebotenen Integrationskurs mit Deutschunterricht teil? Förderte der Bund noch weitere Deutschkurse, etwa berufsorientierte Kurse? Sprachförderangebote des Bundes Teilnehmende in Hamburg (gesamt) 2014 2015 Integrationskursangebot des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 4.754 3.649 (1.Halbjahr 2015)* ESF-BAMF-Programm 805 887 „Einstiegskurse Deutsch“ der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 421 SGB III - 7.603** „Garantiefonds Hochschule“ 58 115 *) Die Auswertung des zweiten Halbjahres liegt noch nicht vor. **) Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die den Kurs begonnen haben. 3. Wie viele Flüchtlinge erhielten 2014 und 2015 einen Deutschkurs welchen Inhalts und welcher Kursform von der Agentur für Arbeit finanziert und wie viele Stunden umfasste dieser jeweils und insgesamt? Die Bundesagentur für Arbeit förderte ausschließlich das in der Anlage, Ziffer 3, genannte Angebot. Der Kurs umfasste 320 Stunden. Die Kurse wurden in Hamburg in Drucksache 21/2868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Teilzeit und Vollzeit, vormittags, nachmittags und abends angeboten. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 4. In welcher Form finanzierte oder förderte die Stadt Hamburg 2014 und 2015 zusätzliche Deutschkurse für Flüchtlinge? Welchen zeitlichen Umfang haben diese Kurse? Wie hoch war hier die Zahl der Teilnehmer ? Wie hoch waren die Kosten? Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) war mit ihrem seit 2009 angebotenen Projekt „Deutschkurse für Flüchtlinge“ bundesweit Vorreiter darin, Asylsuchenden und Geduldeten mit Landesmitteln die Teilnahme an der Sprachförderung und einen Übergang in das Integrationskursangebot des BAMF zu ermöglichen. Hierbei kauft Hamburg ergänzende Plätze im Kursangebot des BAMF ein. Zur Form der von Hamburg geförderten Deutschkurse siehe im Einzelnen Anlage. Zum zeitlichen Umfang, Anzahl der Teilnehmenden und Kosten siehe Tabelle: Mit Haushaltsmitteln der FHH finanziertes Sprachförderangebot für Geflüchtete Maßnahme Teilnehmende Haushaltsmittel (in Tsd. Euro) Umfang (U./ Std.) 2014 2015 2014 (Ist) 2015 (Soll) „Deutschkurse für Flüchtlinge “ 882 1.232 530 1.132 300 Kurse zur Erstorientierung für Flüchtlinge (EOF) 72 445 40 97 100 5. Gibt es noch neben dem Bund, der Agentur für Arbeit und der Stadt Hamburg andere Institutionen wie Handelskammer oder Handwerkskammer , die offiziell Deutschkurse anbieten oder finanzieren? Zu den nicht öffentlich geförderten Angeboten privater Anbieter liegen dem Senat keine Informationen vor. Im Übrigen siehe http://www.hamburg.de/fluechtlinge/. 6. Anhand welcher Vorgaben wird entschieden, welcher Flüchtling für welchen der offiziell anerkannten Deutschkurse infrage kommt? Wenn ja, welche genau? Geflüchtete können im Flüchtlingszentrum Hamburg (http://www.fz-hh.de/) eine Beratung zu den vorhandenen Sprachförderangeboten und den jeweiligen Zugangsvoraussetzungen erhalten und auf dieser Grundlage entscheiden, welches Angebot für sie jeweils infrage kommt. Die Einsteuerung und die Sicherung der Kostenübernahme erfolgen über das Flüchtlingszentrum. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 7. Wie viele Deutschkurse wollen a) BAMF beziehungsweise der Bund, Das BAMF erhöht die Mittel für die Integrationskurse im Jahr 2016 um 290 Millionen Euro auf insgesamt 559 Millionen Euro. Zu den konkreten Planzahlen 2016 für die Integrationskurse konnte das BAMF noch keine Angaben machen. Dies hängt unter anderem auch davon ab, inwieweit auch im Jahr 2016 die Länder und Einzelpersonen Angebote „zukaufen“. Für die berufsbezogene Sprachförderung des ESF-BAMF-Programms stockt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) das Budget des BAMF von bisher rund 60 Millionen Euro auf rund 113 Millionen Euro ESF- Mittel auf (Komplementärmittel ). Parallel dazu startet ab Mitte 2016 die mit rund 179 Millionen Euro Bundesmitteln (ebenfalls BMAS) finanzierte berufsbezogene Sprachförderung als neues gesetzlich verankertes Regelinstrument (vergleiche § 45a AufenthG). Damit sollen im Jahr 2016 circa 100.000 Teilnehmerplätze und ab 2017 circa 200.000 Teilnehmerplätze zur Verfügung stehen. Nach dem Königsteiner Schlüssel wäre im Jahr 2016 für Hamburg mit circa 2.600 Kursplätzen (bis zu 5.200 ab 2017) zu rechnen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2868 3 b) Arbeitsagentur, Die Arbeitsagentur wird 2016 keine weiteren Kurse, die den allgemeinen Spracherwerb zum Ziel haben, fördern. c) Hamburg und Die Volkshochschule Hamburg (VHS) plant für 2016 für das Angebot „Erstorientierung für Flüchtlinge“ circa 25 Kurse mit insgesamt circa 450 Teilnehmenden. Im Jahr 2016 stehen insgesamt bis zu 2.360 Kursplätze für das Projekt „Deutschkurse für Flüchtlinge“ und „Deutschkurse zum beruflichen Einstieg“ zur Verfügung. Die Verteilung auf die beiden unterschiedlichen Kursarten erfolgt unterjährig. d) andere Institutionen 2016 anbieten beziehungsweise finanzieren? Siehe Antwort zu 5. 8. Mit welchen Kosten für die Stadt rechnet der Senat 2016 bezüglich Deutschkursen für Flüchtlinge? Die für 2016 geplanten direkten Kosten für EOF-Angebote der VHS betragen circa 97.000 Euro, hinzukommen anteilige Gemeinkosten und Overheadkosten in Höhe von insgesamt 56.000 Euro. Für die mit landeseigenen Mitteln finanzierten „Deutschkurse für Flüchtlinge“ ist dem Träger „Zentrale Information und Beratung für Flüchtlinge (Flüchtlingszentrum Hamburg )“ im Jahr 2016 eine Zuwendung von bis zu 2.261.000 Euro bewilligt worden. 9. Fragen zum Bedarf: a) Wie viele Flüchtlinge wurden 2014 und 2015 Hamburg zugeteilt? b) Wie viele kamen davon 2014 und 2015 für Deutschkurse infrage? Welche Kriterien wurden dabei 2014 und 2015 sowie werden 2016 zugrunde gelegt? Im Rahmen der asylverfahrensrechtlichen Verteilungsentscheidung wurden Hamburg im Jahr 2014 6.970 Personen und im Jahr 2015 22.315 Personen zugewiesen. Der zuständigen Fachbehörde liegen die Daten zur Dauer der Aufenthaltsgestattungen für 2014 und 2015 (weniger als sechs Monate beziehungsweise sechs Monate und länger) nicht vor. Diese müssten in einer gesonderten Auswertung erhoben werden . Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Hinzu kommt, dass die vorliegenden Hamburger Daten nicht vollständig sind, da die erste Aufenthaltsgestattung regelmäßig vom BAMF ausgestellt und in dem ausländerbehördlichen Fachverfahren erst bei der nächsten Vorsprache der betroffenen Person erfasst wird. Zu den Kriterien für die Teilnahme an Deutschkursen der Jahre 2014 und 2015 siehe Antwort zu 1. c) Wie viele begannen insgesamt einen Kurs? Siehe Antworten zu 2. und 4. d) Was soll mit jenen geschehen, die bisher unversorgt geblieben sind? e) Mit wie vielen potenziellen Kandidaten für Deutschkurse rechnet der Senat 2016? Sowohl der primär für die Sprachförderung zuständige Bund als auch die FHH haben die Mittel für die Sprachförderung für 2016 erheblich aufgestockt. Insofern kann von einer deutlich höheren Bedarfsdeckung in 2016 ausgegangen werden, sofern das Niveau der Zuwanderung auf dem Niveau von 2015 bleibt. Der Bund hat darüber hinaus signalisiert gegebenenfalls weitere Mittel nachzusteuern. Um die Wartezeit auf einen Deutschkurs sinnvoll zu nutzen, können Selbstlernangebote einen Einstieg in die Deutschsprachförderung vermitteln. Die Hamburger öffentlichen Bücherhallen haben ihren Bestand an Materialien zu Deutsch als Fremdsprache Drucksache 21/2868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 in 2015 stark aufgestockt. Diese können auch von Flüchtlingen entliehen werden, wenn sie im Besitz einer Kundenkarte für die Bücherhallen sind. Auch Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus können spendenfinanzierte Kundenkarten erhalten , von denen bis Jahresende 2015 bereits 1.000 ausgegeben wurden. Damit können bis zu drei physische Medien entliehen und sämtliche Online-Angebote genutzt werden (zum Beispiel eMedien in verschiedenen Sprachen, eLearning-Sprachkurse aller Niveaus). Darüber hinaus können die zahlreichen Sprachförderangebote auf ehrenamtlicher Basis, wie zum Beispiel „Dialog in Deutsch“ der Volkshochschule oder die Angebote der Sprachbrücke, ein guter Einstieg sein, um die Wartezeit auf einen Deutschkurs zu überbrücken. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2868 5 Anlage Angebot Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen 1 Maßnahmen zur allgemeinen Sprachförderung: Integrationskursprogramm des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Die vorrangigen Sprachförderangebote für Geflüchtete sind die Integrationskurse des BAMF (§ 43 AufenthG). Asylsuchende und andere Personengruppen mit jeweils guter Bleibeperspektive können gem. § 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1-3 AufenthG im Rahmen verfügbarer Kursplätze zum Integrationskurs zugelassen werden. Hiernach können ‐ Ausländerinnen und Ausländer, die eine Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs. 1 AsylG besitzen und bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, ‐ Ausländerinnen und Ausländer, die eine Duldung gem. § 60 a Abs. 2 S. 3 AufenthG besitzen und ‐ Ausländerinnen und Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen, einen Antrag auf Zulassung zum Integrationskurs bei der Zentrale des BAMF stellen. Das BAMF geht dann von einer guten Bleibeperspektive bei Ausländerinnen und Ausländern aus, wenn diese aus Herkunftsländern mit einer hohen Schutzquote kommen (> 50%). Derzeit werden hierzu die Länder Syrien, Eritrea, Irak und Iran gezählt. Diese Festlegung erfolgt jährlich. Die rechtlichen Voraussetzungen sind im Aufenthaltsgesetz (§ 44 Aufenth G) sowie in der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung – IntV, § 4 IntV) festgelegt. 2 Maßnahmen zur berufsbezogenen Sprachförderung (ESF-BAMF- Programm) Für die laufende ESF-Förderperiode 2014-2020 hat das Bundesministerium für Arbeit (BMAS) das BAMF mit der Durchführung des Programms zur berufsbezogenen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund beauftragt. Zielsetzung des Programms ist es, die Chancen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt deutlich zu erhöhen. Zu diesem Programm können neben Zugewanderten mit einem regulären Aufenthaltsstatus auch Asylsuchende und Geduldete mit Zugang zum Arbeitsmarkt teilnehmen. Grundlage für die Förderung ist die „Richtlinie für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte Maßnahmen zur berufsbezogenen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund im Bereich des Bundes (ESF-BAMF-Programm). 3 Allgemeine Sprachförderung: „Einstiegskurse Deutsch“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 421 SGB III Gefördert wurden – befristet (gemäß Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ) nach § 421 SGB III Ausländerinnen und Ausländer, die bei Eintritt in die Maßnahme eine Aufenthaltsgestattung bzw. eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) besitzen und die nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a Asylgesetz stammen und bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist. Hierzu werden zählen Personen mit einer guten Bleibeperspektive (vgl. Angebot 1). Der Kursbeginn musste zwischen dem 01.11.2015 und dem 31.12.2015 liegen. Dieses Programm war bis zum 31.12.2015 befristet. Gefördert werden derzeit nur noch Maßnahmen, die vor diesem Stichtag begonnen haben. Drucksache 21/2868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Angebot Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen 4 Kurse zur Erstorientierung für Flüchtlinge (EOF) Die Volkshochschule Hamburg (VHS) bietet EOF-Kurse an. Teilnehmen können Asylsuchende und Geduldete mit einer guten Bleibeperspektive (vgl. Angebot 5), die vor einer Teilnahme am Angebot des BAMF oder der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) eine Erstorientierung benötigen. 5 Angebot der BASFI: „Deutschkurse für Flüchtlinge “ Ergänzend zum Bundesprogramm fördert Hamburg seit 2009 mit Landesmitteln „Deutschkurse für Flüchtlinge“. Zugang haben Asylsuchende und Geduldete mit einem Aufenthaltspapier von mindestens sechsmonatiger Geltungszeit sowie Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 (5) AufenthG, die (noch) keinen Zugang zur Sprachförderung des Bundes haben. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung der BASFI. Die Vorgaben sind in den Regelungen zur Durchführung des Projekts „Deutschkurse für Flüchtlinge“ mit den Sprachkursträgern und dem Flüchtlingszentrum Hamburg vereinbart. 6 Angebot der BASFI: „Deutschkurse zum beruflichen Einstieg“ Ab 2016 fördert die BASFI zusätzlich aus Landesmitteln Deutschkurse zum beruflichen Einstieg für die unter 5 genannt Zielgruppe. Die Vorgaben sind ebenfalls in den Regelungen zur Durchführung des Projekts „Deutschkurse für Flüchtlinge“ mit den Sprachkursträgern und dem Flüchtlingszentrum Hamburg vereinbart. 7 „Garantiefonds Hochschule“, Maßnahme auf Grundlage der Richtlinie des Garantiefonds Hochschule (RL- GF-H) vom des Bundesministeriums Familie, Senioren , Frauen und Jugend (BFSFJ) finanziert Mit dem Garantiefonds Hochschule werden junge ausländische Asylberechtigte , Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, jüdische Zugewanderte während des Besuchs studienvorbereitender Maßnahmen (z.B. Sprachkurse) gefördert . Ziel ist die alsbaldige Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums. Grundlage der Förderung sowie deren aufenthaltsrechtlichen Erfordernisse sind im Detail in der RL-GF-H festgelegt. http://www.verwaltungsvorschriften-iminternet .de/bsvwvbund_19011998_5052055154.htm Auch in einzelnen ESF-Projekten sind ergänzende Sprachkurse für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jeweiligen Projektes aufgelegt.