BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2875 21. Wahlperiode 22.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Kruse (FDP) vom 14.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Und täglich grüßt das Murmeltier – Abschluss des Beteiligungsverfahrens in Sachen Elbvertiefung in Sicht? Seit September 2015 steht fest, dass sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Elbvertiefung ein weiteres Mal deutlich verzögern wird. Ursache ist, dass zusätzliche Umweltgutachten für die Ergänzung der Planunterlagen notwendig geworden sind. Diese liegen nun vor. Die Höhe der Kosten für die Gutachten stand bisher jedoch nicht fest.1 Im weiteren Verlauf des Verfahrens hatten bis zum 23. Dezember 2015 erneut Verbände und Vereine die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Ohnehin gab es immer wieder Verzögerungen und Fehltritte des rot-grünen Senats bei der Planung der Fahrrinnenanpassung. Die zuständige Behörde arbeitete noch im Juli 2015 an der Behebung der Mängel, an denen das Bundesverwaltungsgericht bereits mit seinem Hinweisbeschluss vom 2. Oktober 2014 rechtliche Zweifel deutlich gemacht hatte.2 Umweltsenator Kerstan hat zudem nun im Alleingang versucht, das Verfahren zur Fahrinnenanpassung weiter zu verzögern, indem er bei der zuständigen Wasser- und Schifffahrtsdirektion um eine Fristverlängerung für die Stellungnahme zur Elbvertiefung bis Ende Januar 2016 gebeten hat. Bemerkenswert daran ist, dass diese Stellungnahme nicht mit der Behörde für Wirtschaft , Verkehr und Innovation abgestimmt worden ist. Von professioneller oder kollegialer Zusammenarbeit im Hamburger Senat kann angesichts derartiger Alleingänge eines Senators nicht gesprochen werden. Nach einer gemeinsamen Sitzung mit den Senatoren Frank Horch und Jens Kerstan in der Senatskanzlei am 17. Dezember 2015 soll Senator Kerstan seinen Antrag auf Fristverlängerung zurückgenommen haben.3 Weitere Verzögerungen und Fehltritte kann sich der rot-grüne Senat nicht mehr leisten. Der Schaden für die Stadt Hamburg ist bereits eingetreten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Angaben der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Ist das erneute Beteiligungsverfahren mit der Anhörung von Verbänden und Vereinen zu den Planunterlagen, die für das Bundesverwaltungsge- 1 Vergleiche Drs. 21/2134 vom 13.11.2015. 2 Vergleiche Drs. 21/941 vom 07.07.2015. 3 Vergleiche Drs. 21/2649 vom 29.12.2015. Drucksache 21/2875 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 richt nachträglich ausgearbeitet worden sind, innerhalb der Frist bis zum 23.Dezember 2015 abgeschlossen worden? Wenn ja, a. Welche Verbände und Vereine haben im Rahmen der Frist bis zum 23. Dezember 2015 eine Stellungnahme eingereicht? Bis zum 23. Dezember 2015 sind Stellungnahmen von folgenden Umweltvereinigungen eingegangen: NaturFreunde Deutschlands e.V. (Landesverband Niedersachsen) LANDESJÄGERSCHAFT NIEDERSACHSEN E.V. Deutscher Jagdverband e.V. (DJV) und Landesjagdverband Schleswig-Holstein e.V. Botanischer Verein zu Hamburg e.V. Landesjagd- und Naturschutzverband der Freien und Hansestadt Hamburg e.V. Naturschutzbund Deutschland Landesverband Hamburg e.V. Naturschutzverband GÖP – Gesellschaft für ökologische Planung e.V. – Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hamburg e.V. Verein Jordsand zum Schutze der Seevögel und der Natur e.V. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) (Bundesverband) NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. (Bundesverband) Förderkreis „Rettet die Elbe“ eV b. Worauf zielen die vorgenannten Stellungnahmen jeweils ab (bitte genau darlegen)? Teilweise erklären die Vereinigungen, nicht länger beteiligt werden zu wollen oder machen nur einzelne Verbandsinteressen geltend (Jagdschutz- und Jagdverbände). Überwiegend machen sich die Vereinigungen aber die Stellungnahmen der beiden großen Bundesverbände von BUND und NABU zu Eigen. Die Kritik der Umweltvereinigungen an den ergänzenden Fachbeiträgen richtet sich in methodischer und in fachlicher Hinsicht gegen die Untersuchungen und Bewertungen der Vorhabensauswirkungen auf gefährdete Pflanzenarten, den Erhalt der Artenvielfalt , die Auswirkungen auf die Fischart Finte, die Gefährdung von Brutvögeln, die Ermittlung und Bemessung der Auswirkungen auf die Pflanzenart Schierlings- Wasserfenchel und die diesbezügliche Kohärenzsicherung, die Kohärenzsicherung im Übrigen und deren Abgrenzung zu Maßnahmen nach dem Integrierten Bewirtschaftungsplan (sogenannte Sowieso-Maßnahmen), die Ermittlung und Bewertung einer etwaigen Gewässerverschlechterung nach den Kriterien des Urteils des EuGH vom 1. Juli 2015 (Rechtssache C-461/13) sowie zur Ermittlung und Bewertung der Ausbaufolgen im Allgemeinen auf die Hydromorphologie und den Sauerstoffhaushalt. Im Übrigen haben die klagenden Bundesverbände von BUND und NABU beantragt, auch den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit die förmliche Gelegenheit zur erneuten Stellungnahme einzuräumen, den Verbänden diverse gewässerkundliche Grundlagen-, Monitoring- und Originaldaten, digitale Daten aus Kartierungen und sonstigen Datenbanken zu überlassen sowie die im Rahmen der Erarbeitung der ergänzenden Unterlagen eingegangenen Stellungnahmen der Umweltministerien und der unteren Naturschutzbehörde des Landkreis Stade zu überlassen. Für die Auseinandersetzung mit diesen weiteren Quellen haben die Verbände eine angemessene Fristverlängerung für weitere Einwendungen beantragt. c. Welche inhaltlichen Anpassungen der Unterlagen werden in jeweils welcher Stellungnahme gefordert? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2875 3 In einigen Stellungnahmen werden umfangreiche Anpassungen der ergänzenden Unterlagen gefordert. Im Einzelnen: NaturFreunde Deutschlands: keine LANDESJÄGERSCHAFT NIEDERSACHSEN E.V.: abweichende Bewertung und erneute Abwägung Deutscher Jagdverband e.V. (DJV) und Landesjagdverband Schleswig-Holstein e.V.: gesetzliche Entstehung eines Eigenjagdbezirks und Festlegungen zur Bejagdbarkeit Botanischer Verein zu Hamburg e.V., Landesjagd- und Naturschutzverband der Freien und Hansestadt Hamburg e.V., Naturschutzbund Deutschland Landesverband Hamburg e.V., Naturschutzverband GÖP – Gesellschaft für ökologische Planung e.V –., Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hamburg e.V. und Verein Jordsand zum Schutze der Seevögel und der Natur e.V.: wie BUND und NABU Bundesverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) (Bundesverband) und NABU Naturschutzbund Deutschland e.V. (Bundesverband): erneute Durchführung der Prognosen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu den hydromorphologischen Veränderungen auf der Basis längerfristiger Modellierungen mit High Performance Computern (HPC), Neubewertung der öffentlichen Interessen an dem Projekt, Prüfung eingriffsmindernder Alternativen beziehungsweise Vorkehrungen, geändertes Vorgehen bei der Beurteilung des ökologischen Zustands des Gewässers und einer etwaigen Gewässerverschlechterung, Neubewertung der Auswirkungen auf gefährdete Pflanzenarten wegen verfehlter Annahme von Systemvariabilität und permanenter Dynamik, räumliche Erstreckung der Untersuchung der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt bis Geesthacht, erweiterte beziehungsweise geänderte Betrachtung der Meeressäuger, bestimmter Vogel-, Fisch-, Pflanzen -, Wirbellosen-, Benthos-, Phyto- und Zooplanktonarten und höherer Pflanzen, verbesserte Methoden und andere Parameter und Kriterien bei der Untersuchung der Auswirkungen auf die Fischart Finte, zusätzliche Berücksichtigung des Twielenflether Sands bei der Beurteilung der Überflutungshäufigkeiten im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf Brutvögel, auf der Basis vorliegender Daten zu Wasserständen, Geländehöhen und Vegetationseinheiten unter Zugrundelegung von Neststandorten eine Modellierung der Gefährdung von Brutvögeln bedingungsloser Anwendung der Methode nach Lamprecht & Trautner, statt Revierkartierung bessere Verortung von Neststandorten entsprechend dem Ansatz von van de Pol et al. (2010) mit aussagekräftigen Stichproben im Feld, darauf ermittelter Varianzen und Streuungen und der Entwicklung eines entsprechenden Prognosemodells , abweichende rechtliche Bewertung des Erhaltungsziels in Schutzgebieten , Verwendung der anderslautenden Meinungen aus anderen Fachartikeln, grundlegende Untersuchung der (übrigen) Ursachen und deren Einfluss auf die Hydrologie, Zugrundelegung anderer Eingangsparameter bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials, geänderte Kriterien bei der schutzgebietsbezogenen Kohärenzsicherung, zusätzliche Betrachtung einer angeblichen Beeinträchtigung von Seeschwalbenkolonien, wie sie in einem NDR-Fernsehbericht vom 23.11.2015 dargestellt wurde Förderkreis „Rettet die Elbe“ eV: neue Prognostizierung der hydromorphologischen Veränderungen nach dem Vorbild an der Schelde, geänderte Methodik bei der Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt (Differenzierung helles und dunkles Volumen, Volumenmodell) d. Welche der geforderten inhaltlichen Anpassungen sind jeweils in die Unterlagen übernommen worden? Falls noch nicht geschehen: Wann soll eine entsprechende Prüfung abgeschlossen sein? Die Prüfung der Einwendungen ist noch nicht abgeschlossen und dauert an. e. Welche weiteren Verfahrensschritte bis zur Versendung der Unterlagen an das Bundesverwaltungsgericht werden nun gegebenenfalls im Rahmen welcher Frist unternommen? Drucksache 21/2875 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Derzeit prüfen die Planfeststellungsbehörden die eingegangenen Stellungnahmen zu den ergänzenden Fachbeiträgen auf Stichhaltigkeit. In diesem Zusammenhang sind auch die Gutachter, die die ergänzenden Fachbeiträge erstellt haben, um eine Einschätzung zu den Einwendungen gebeten worden. Danach sind die Planfeststellungsbehörden zu der Entscheidung darüber aufgerufen, ob nach ihrer Ansicht mit den ergänzenden Unterlagen die gerichtlichen Bedenken aus dem Hinweisbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 2. Oktober 2014 (Aktenzeichen 7 A 14.12) und den Maßgaben des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 (Rechtssache C-461/13) entkräftet sind. Gegebenenfalls stellen die Planfeststellungsbehörden die ergänzenden Unterlagen in einem Planergänzungsbeschluss fest, den sie den Verfahrensbeteiligten und dem BVerwG übersenden. Im Übrigen siehe Drs. 21/2134. 2. In der Antwort auf die Frage 3 in der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/2134 heißt es: „… zu erwarten ist, dass die Gutachter auch noch zu den Reaktionen aus dem Beteiligungsverfahren um Stellungnahme gebeten werden müssen…“. Wurden die Gutachter um Stellungnahmen gebeten? a. Wenn ja, liegen diese vor und von wem wurden diese zu jeweils welchem inhaltlichen Anpassungsvorschlag welches Verbandes beziehungsweise welches Vereins abgegeben? Ja, die Bearbeitung durch die einzelnen Fachgutachter dauert an. b. Wenn nein, warum nicht? Entfällt. 3. Stehen die Kosten für die zusätzlichen Umweltgutachten zur Ergänzung der Planunterlagen mittlerweile fest? Wenn ja, wofür sind sie im Detail entstanden? Welchen Kostenanteil in welcher Höhe übernehmen jeweils die Freie und Hansestadt Hamburg und der Bund? Mit welchen weiteren Kosten rechnet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde bis zum Abschluss des Verfahrens? Die Kosten für die ergänzenden Fachbeiträge betrugen 361.000 Euro. Dieser Betrag umfasst die gutachterlichen Leistungen sowie die Beschaffung und Aufbereitung von Daten. Die Planungskosten werden zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Bund in einem Verhältnis von 1:3 geteilt. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. und Drs. 21/2134. 4. Wann werden die gesamten Unterlagen für die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses zusammengeführt und wann ist eine Versendung an das Bundesverwaltungsgericht geplant? Gibt es Abweichungen von den ursprünglichen Planungen? Wenn ja, welche und warum? Siehe Drs. 21/2134.