BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2928 21. Wahlperiode 26.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 19.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Was kostet grüne Symbolpolitik den Hamburger Steuerzahler? Medienberichten zufolge hat der Senat Mitte Januar beschlossen, Ökostandards einzuführen, welche für Einkauf und Vergabe gelten sollen. Überall sollen künftig ökologische Kriterien zentrale Bedeutung erhalten. Zudem soll es eine Negativliste von Produkten geben, die nicht mehr gekauft werden dürfen . Dazu gehören unter anderem auch Kaffeekapseln. Zu dieser Symbolpolitik äußerte Senator Jens Kerstan gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“, mit diesem Schritt ein „wichtiges Signal“ an die Wirtschaft und an Privatleute senden zu wollen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat hat am 19. Januar 2016 den „Leitfaden für umweltverträgliche Beschaffung in der Freien und Hansestadt Hamburg (Umweltleitfaden) beschlossen sowie seine grundsätzliche Anwendung bei Beschaffungsvorgängen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) geregelt. Umweltfreundlich zu beschaffen bedeutet, dass Auftraggeber Aufträge vergeben, die eine geringere Umweltbelastung über ihren Lebenszyklus aufweisen als andere Produkte oder Dienstleistungen mit der gleichen Funktion. Die notwendigen Eigenschaften des zu beschaffenden Produkts oder der Dienstleistung sind dabei weiterhin im Vorwege von dem jeweiligen Bedarfsträger festzulegen. Der Umweltleitfaden hilft dabei, die ökologischen Aspekte im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Laut Aussage von Senator Kerstan soll der neue Kriterienkatalog für „Hamburgs Verwaltung“ gelten. Was versteht der Senat konkret unter „Hamburgs Verwaltung“? Umfasst dies auch staatliche Unternehmen beziehungsweise Unternehmen, an denen die Stadt Hamburg beteiligt ist beziehungsweise staatliche Einrichtungen wie Hochschulen und Universitäten ? Wenn nein, warum nicht? Mit dem Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 ist der Umweltleitfaden grundsätzlich für alle Beschaffungen der FHH im Sinne der Beschaffungsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (BO), die nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) durchzuführen sind, im Sinne des § 1, Absatz 2 BO verbindlich. Den öffentlichen Unternehmen wird der Umweltleitfaden als Orientierung für durchzuführende Vergaben empfohlen. Drucksache 21/2928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Die Stadt Hamburg kauft laut Berichterstattung im „Hamburger Abendblatt “ pro Jahr Waren und Dienstleistungen für rund 250 Millionen Euro ein. Mit welcher zusätzlichen Kostensteigerung oder -senkung für den Hamburger Steuerzahler kalkuliert der Senat, wenn der eingangs genannte Kriterienkatalog voll zur Anwendung kommt? Die Drucksache hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Haushalt. § 3b Absatz 2 Hamburgisches Vergabegesetz schreibt die Anwendung des Prinzips der Lebenszykluskostenanalyse bei der Beschaffung von Investitionsgütern in geeigneten Fällen vor; dies wird mittels des Umweltleitfadens lediglich konkretisiert. Hierdurch kann es zu erhöhten Anschaffungskosten im Vergleich zu konventionellen Produkten kommen, die allerdings durch niedrigere Folgekosten aufgrund höherer Lebensdauer, niedrigerer Betriebskosten oder kostengünstigerer Entsorgung kompensiert werden. Die bei einigen Produkten zu erwartenden höheren Aufwendungen (Anschaffungskosten ) im Bereich der Ausweitung ökologischer Standards bei der Beschaffung mindern über die Ergebnisrechnung das Eigenkapital der FHH. Sofern die Gesamtkosten der beschafften Produkte aufgrund höherer Lebensdauer, niedrigerer Betriebskosten oder kostengünstigerer Entsorgung geringer ausfallen als bei der Beschaffung konventioneller Produkte, führt dies über die Ergebnisrechnung zu einer im Vergleich geringeren Belastung des Eigenkapitals der FHH. 3. Wie will der Senat sicherstellen, dass alle mit dem Einkauf und der Vergabe betreuten Stellen, für die der neue Kriterienkatalog gelten soll, diesen auch vollumfänglich bei Entscheidungen berücksichtigen? Im Rahmen der Einführung sind Schulungen für die Beschafferinnen und Beschaffer vorgesehen, und es stehen Ansprechpartner in den zuständigen Behörden zur Verfügung , die die Beschafferinnen und Beschaffer bei der Anwendung des Umweltleitfadens unterstützen. Der Umweltleitfaden soll außerdem in regelmäßigen Abständen evaluiert und fortgeschrieben werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 4. Mit welchem zusätzlichen Verwaltungsaufwand rechnet der Senat für die Einführung und nachhaltige Kontrolle der neuen Ökokriterien? Der Umweltleitfaden soll im Rahmen der regulären Verwaltungstätigkeit genutzt werden . In der Einführungsphase ist mit einem höheren Aufwand bei den Beschafferinnen und Beschaffern zu rechnen. Dieser soll durch Kommunikation und Schulung minimiert werden (siehe dazu auch Antwort zu 3.). Zur weiteren Minimierung des Aufwands kann im möglichen Fall der Abweichung von den Vorgaben des Leitfadens ein dort bereitgestelltes Formular als Begründungsbogen genutzt werden. Um den Aufwand weiter zu reduzieren, gilt folgendes Verfahren zur Anwendung des Leitfadens: Bei Leistungen, bei denen nach der BO aufgrund der dort geregelten Wertgrenze ein Vergabeverfahren nicht gegeben ist (vergleiche § 3 Absatz 6 VOL/A i.V.m. §3 (3) BO Hamburg), wird die Anwendung des Umweltleitfadens lediglich unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit empfohlen (sogenannte Direktkaufgrenze und dazu geltende Ausnahmen). Beginnend bei der Direktkaufgrenze und bis hin zu 10.000 Euro zur Akte zu nehmen Ab 10.000 Euro ist der Begründungsbogen auszufüllen, zur Akte zu nehmen und eine Kopie ist gesondert vorzuhalten (gesonderte Ablage). Die Begründungsbögen mit einem Auftragswert ab 10.000 Euro werden von der zuständigen Behörde einmal jährlich zu Evaluationszwecken abgefragt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2928 3 5. Inwiefern wird der Senat ein Abweichen von den Ökokriterien tolerieren beziehungsweise sanktionieren? Grundsätzlich sind die umweltbezogenen Kriterien aus dem Leitfaden anzuwenden. Eine Nichtanwendung ist in der Vergabeakte zu dokumentieren (siehe auch Antwort zu 4.). Gründe für eine Nichtanwendung sind insbesondere: Keine oder keine geeigneten umweltverträglichen Produkte verfügbar Keine umweltverträglichen Produkte beziehungsweise Verfahren im Rahmen vertretbarer Mehrkosten beschaffbar beziehungsweise durchführbar 6. Laut Medienberichten soll es nicht nur Positivkriterien, sondern sogar Negativlisten geben. Wird sich dies auf Hamburger Unternehmen auswirken , von denen der Senat bislang Waren und Dienstleistungen bezogen hat? Wenn ja, inwiefern und welche Unternehmen wären voraussichtlich betroffen? Informationen dazu, ob und in welchem Umfange bislang Produkte und Produktbestandteile aus der Negativliste bezogen wurden, werden statistisch nicht erfasst. Eine Auswertung sämtlicher Vergabeunterlagen und Vorgänge aller Behörden und Landesbetriebe , in denen Produkte der Negativliste betroffen sind, ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen werden bereits seit mehreren Jahren in ausgewählten Bereichen umweltschädliche Produkte bei Ausschreibungen ausgeschlossen, sodass sich für betroffene Unternehmen bei diesen Produkten und Dienstleistungen durch die Regelungen des Umweltleitfadens keine Änderungen ergeben. So wird zum Beispiel im Bereich der Glas- und Gebäudereinigung über die besonderen Vertragsbedingungen generell der Einsatz von Reinigungs- und Pflegemitteln, die chlororganische und chlorabspaltende Verbindungen enthalten, ausgeschlossen. Dem Senat liegen keine Erkenntnisse zu Auswirkungen durch den Verzicht auf die Beschaffung von Produkten aus der Negativliste auf Hamburger Unternehmen vor. 7. Wird der Senat den Kriterienkatalog sowie die Negativliste veröffentlichen ? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? Die Negativliste ist Bestandteil des Umweltleitfadens; eine Veröffentlichung des Leitfadens ist unter www.hamburg.de sowie im FHHportal vorgesehen. 8. Zukünftig sollen unter anderem Kaffeekapseln verboten sein. Für welche Summe und von welchen Anbietern bezieht der Senat bislang pro Jahr Kaffeekapseln? Gilt das Verbot auch für privat von Mitarbeitern mitgebrachte Kapseln, sofern diese am Arbeitsplatz konsumiert werden? Im Jahr 2015 wurden Kaffeekapseln im Wert von 118,45 Euro von der Mercateo AG bezogen. Der Umweltleitfaden erfasst nicht das private Konsumverhalten der Beschäftigten der FHH.