BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2935 21. Wahlperiode 26.01.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 20.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Missstände in der JVA Fuhlsbüttel/Sicherheitsverwahrung In der JVA Fuhlsbüttel sind die Sicherungsverwahrten für Hamburg und Schleswig-Holstein untergebracht. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Erhaltung der Lebenstüchtigkeit für Sicherungsverwahrte , die formal keine Strafgefangenen sind, festgeschrieben. Im Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5.Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 – heißt es: „(…) a) Die Menschenwürde wird auch durch eine langdauernde Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht verletzt, wenn diese wegen fortdauernder Gefährlichkeit des Untergebrachten notwendig ist. Erforderlich ist aber auch in diesen Fällen, die Eigenständigkeit des Untergebrachten zu wahren, seine Würde zu achten und zu schützen. Daher muss die Sicherungsverwahrung ebenso wie der Strafvollzug darauf ausgerichtet sein, die Voraussetzungen für ein verantwortliches Leben in Freiheit zu schaffen.“ In dem Urteil wird zudem dargelegt, dass dem Maßregelcharakter der Sicherungsverwahrung durch einen privilegierten Vollzug Rechnung getragen werden muss, so wie er durch die rechtlichen Rahmenbedingungen der §§ 131 bis 134 StVollzG vorgezeichnet wird und soweit sich dies mit den Belangen der Justizvollzugsanstalten verträgt. Doch es geht nicht nur darum, bessere Unterbringungsbedingungen für die Verwahrten zu schaffen, vielmehr kommt es auch darauf an, die gesetzlichen Regelungen für den Vollzug so auszugestalten , dass eine realistische Chance auf eine Entlassung besteht, um so einem weiteren Anstieg der Anzahl der Sicherungsverwahrten entgegenzuwirken . Es ist bekannt geworden, dass in den letzten vier Jahren seit Bestehen der Station für Sicherungsverwahrte in der JVA Fuhlsbüttel vier Psychologen/ -innen und vier Abteilungsleiter/-innen ihre Arbeit aufgegeben und/oder um Ablösung gebeten haben. In allen Fällen wird als Grund berichtet, dass der zuständige Vollzugsleiter Peter Karras sich immer wieder unangemessen in die Arbeit der Abteilungsleiter/-innen eingemischt und Lockerungen blockiert hat. In verschiedenen Fällen soll Herr Karras, ohne das die Gründe nachvollziehbar wären, angewiesen haben, Lockerungen zu reduzieren. Es gibt zudem Beschwerden, dass in Bezug auf Angelegenheiten des Vollzuges der Sicherungsverwahrung Anträge nicht oder nur schleppend bearbeitet werden , wenn sie auf Lockerungen abzielen. Die Sicherungsverwahrten warten teilweise monatelang, bekommen auch auf Anforderung keinen schriftlichen Bescheid. Zudem werden offenbar regelmäßig gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern Rechtsmittel eingelegt, um angeordnete Lockerungen zu verhindern. Drucksache 21/2935 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat nimmt zur Kenntnis, dass der Fragesteller das Instrument der Schriftlichen Kleinen Anfrage für ein geeignetes Mittel hält, um hinsichtlich der Arbeit eines Bediensteten der JVA Fuhlsbüttel negative Werthaltungen über den Bediensteten vorzutragen, ohne diese mit konkreten Angaben zu belegen, sodass sie sich dadurch einer Überprüfbarkeit entziehen. Hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen können 18 der derzeit 21 Sicherungsverwahrten in der JVA Fuhlsbüttel Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit oder darüber hinausgehende Lockerungen erhalten. Ein Sicherungsverwahrter ist für Vollzugslockerungen aufgrund eines Fehlverhaltens derzeit nicht geeignet, in einem anderen Fall muss der Eingang eines psychologischen Gutachtens abgewartet werden, ein weiterer Sicherungsverwahrter verzichtet vermutlich aufgrund seines Gesundheitszustandes auf Ausführungen. Im Übrigen weist die zuständige Behörde die vom Fragesteller aufgestellten Behauptungen zur personellen Situation in der Vollzugsabteilung und im Psychologischen Dienst der Abteilung für Sicherungsverwahrte als unzutreffend zurück. Die Veränderungen sind allein auf langfristige innerbehördliche Personalplanungen oder Wohnortwechsel der betroffenen Bediensteten zurückzuführen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hält der Senat die beschriebene Kritik an der Praxis in der Sicherungsverwahrung , a. Blockieren von Lockerungen ohne nachvollziehbaren Grund, b. Verschleppen oder nicht bearbeiten von Anträgen auf Lockerungen, c. regelmäßiges einlegen von Rechtsmitteln gegen Lockerungsanordnungen der Strafvollstreckungskammern, d. unangemessene Einmischung in die Arbeit der Abteilungsleiter/ -innen durch den Vollzugsleiter, e. plötzliche Verweigerung von Ausgängen, für kompatibel mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. Februar 2004 und weiteren, die Sicherungsverwahrung regulierenden Urteilen auf Europäischer und Bundesebene? (Bitte zu a. – e. einzeln beantworten.) Wenn ja: warum? Wenn nein: Was gedenkt der Senat zu unternehmen, um den Missständen abzuhelfen? Der Senat hat sich hiermit bisher nicht befasst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Aus welchen Gründen werden Abteilungsleitern/-innen der JVA Fuhlsbüttel /Sicherungsverwahrung seitens des Vollzugsleiters Jürgen Karras immer wieder Entscheidungskompetenzen verweigert? Entsprechende Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wird die Betreuung der Sicherungsverwahrten mit dem Ziel der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit mit Einrichtungen in anderen Bundesländern koordiniert? Die Betreuung von Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein in der JVA Fuhlsbüttel , die auf der Grundlage eines Staatsvertrages mit Schleswig-Holstein dort untergebracht sind, erfolgt in enger Abstimmung mit der JVA Lübeck. Im Weiteren ist die JVA Fuhlsbüttel im Rahmen des „Bundesweiten Forums Sicherungsverwahrung“ an einem länderübergreifenden Austausch über rechtliche und konzeptionelle Fragen der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung beteiligt. Das niedersächsische Justizministerium führt dazu jährlich eine zweitägige Fachtagung durch. Zuletzt wurde die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2935 3 Arbeitsweise der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Fuhlsbüttel im November 2014 dem bundesweiten Forum vorgestellt. 4. Aus welchem Grund werden bereits genehmigte Ausgänge im Bereich JVA Fuhlsbüttel/Sicherungsverwahrung plötzlich verweigert? Der Widerruf eines geplanten Ausgangs kann erfolgen, wenn die Eignung des Sicherungsverwahrten für die Vollzugslockerung aufgrund seines Verhaltens oder neuer Erkenntnisse über ihn nicht mehr gegeben ist, die äußeren Umstände des geplanten Ausgangs sich maßgeblich verändert haben oder die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dies erfordern. Dies kann bei einem Begleitausgang beispielsweise der Fall sein, wenn die für die Begleitung eingeplanten Bediensteten zeitgleich unvorhersehbare medizinisch begründete Notfälle in ein Krankenhaus auszuführen und zu beaufsichtigen haben. 5. Plant der Senat etwas zu unternehmen, um in Bezug auf immer wieder zur Begründung von Schwierigkeiten oder Missständen herangezogenen personellen Engpässen Abhilfe zu schaffen? Der Senat hat sich hiermit bisher nicht befasst. 6. Warum werden Anträge in der JVA Fuhlsbüttel/Sicherheitsverwahrung oftmals a) nicht schriftlich beschieden? b) gar nicht oder nur schleppend bearbeitet? Die Anträge der Untergebrachten werden durch die zuständige Vollzugsabteilungsleitung auf dem vorgesehenen Dienstweg geprüft, bearbeitet und beschieden. Die Bescheide ergehen in der Regel schriftlich. Die vom Fragesteller unterstellte „schleppende Bearbeitung“ der Anträge trifft nach Kenntnis der zuständigen Behörde nicht zu. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Warum werden gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern, in denen die JVA Fuhlsbüttel/Sicherungsverwahrung zugunsten der Sicherungsverwahrten verliert, grundsätzlich Rechtsmittel eingelegt? Ob die zuständige Behörde gegen die Entscheidung einer Strafvollstreckungskammer Rechtsmittel einlegt, ergibt sich aus der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts. 8. Wie soll unter diesen Umständen eine kontinuierliche, den oben genannten und weiteren rechtlichen Anforderungen angemessene Betreuung der Sicherungsverwahrten in der JVA Fuhlsbüttel gewährleistet werden? Die fachgerechte, mit der einschlägigen Rechtsprechung in Einklang stehende Betreuung von Sicherungsverwahrten in der JVA Fuhlsbüttel ist gewährleistet. Die Maßnahmen sind im Konzept „Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel“ in der Fassung vom 15. August 2015 aufgeführt. 9. Wie viele Dienstaufsichtsbeschwerden gab es in den Jahren 2011 bis 2015 gegen den Vollzugsleiter Jürgen Karras? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln und Gründe einzeln benennen.) 10. Was waren die Folgen der jeweiligen Beschwerden? (Bitte einzeln und gesamt aufschlüsseln.) Dienstaufsichtsbeschwerden von Sicherungsverwahrten oder Gefangenen gegen Bedienstete werden weder statistisch erfasst noch in einem gesonderten Vorgang zusammengeführt. Die Beschwerden werden gegenüber den Gefangenen beziehungsweise Untergebrachten beschieden und in der jeweiligen Gefangenenpersonalakte abgelegt. Im erfragten Zeitraum waren in der JVA Fuhlsbüttel über 30 verschiedene Sicherheitsverwahrte untergebracht. Die Gefangenenpersonalakte eines Sicherungsverwahrten umfasst durchschnittlich sechs Bände. Eine Durchsicht von etwa 200 Aktenbänden, die sich zudem teilweise bereits im Archiv oder im Geschäftsgang an verschiedenen Drucksache 21/2935 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Orten der Anstalt befinden, ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.