BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/297 21. Wahlperiode 19.05.15 Große Anfrage der Abgeordneten Martin Dolzer, Sabine Boeddinghaus, Deniz Celik, Norbert Hackbusch, Inge Hannemann, Stephan Jersch, Cansu Özdemir, Christiane Schneider, Heike Sudmann und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 21.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Sozialversicherung, Mindestlohn und arbeitsrechtliche Standards für arbeitende Inhaftierte In letzter Zeit diskutieren Wissenschaftler/-innen und Gefangene gleichermaßen über die Umstrukturierung der Arbeitsverhältnisse in Haft. Bereits vor 38 Jahren wurde im damals neuen Strafvollzugsgesetz von 1977 die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherungen verbindlich vorgesehen (§§ 190 fortfolgende StVollzG). Nur ist das entsprechende Bundesgesetz nie erlassen worden. Bis heute wird versucht, die sonderrechtliche Stellung der Gefangenenarbeit sowie finanzielle Gründe der Bundesländer als Gegenargumente geltend zu machen. Die Landesregierungen (wie auch der Hamburger Senat) haben sich allerdings auf Bundesebene nicht gegen die Umsetzung dieses Gesetzes gestellt. Inzwischen hat der diesbezüglich verantwortliche Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundestag seine ablehnende Haltung erneut deutlich gemacht (BT-Drs. 18/2784). Auch durch die Neuregelung Strafvollzugs auf Grundlage des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes vom 16.07.2009 ist die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung nicht vorgesehen. Aus Sicht von Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisationen ist die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung eine notwendige Konsequenz aus dem Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip: Prinzipien mit Verfassungsrang! Im Grundgesetz heißt es im Artikel 3 (1): „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Auch die Würde der arbeitenden Gefangenen wird durch die Exklusion aus den Sozialversicherungssystemen schwer verletzt . Der Ausschluss, der einer Zusatzbestrafung gleichkommt, widerspricht zudem den Forderungen des Strafvollzugsgesetzes nach Resozialisierung und Angleichung der Lebensverhältnisse. Im Hamburgischen Strafvollzugsgesetz heißt es in § 3 Gestaltung des Vollzuges im Absatz (1): „Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken . Der Vollzug ist von Beginn an darauf auszurichten, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“ Selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte noch 2011 betont, dass sie die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung „weiterhin für Drucksache 21/297 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sinnvoll“ erachte (BT-Drs. 17/6589). Die SPD ist inzwischen im Bundesrat mehrheitlich mitregierend, auch die GRÜNEN stellen einen Ministerpräsidenten . Dieses politische Gewicht könnten sie geltend machen. Wenn der Wortlaut des vorgelegten Gesetzentwurfes oder Einzelheiten nicht passen, haben die SPD beziehungsweise die Regierungsparteien die Pflicht, eine Gesetzesalternative vorzulegen, die die Hauptforderung nach 38 Jahren Untätigkeit beziehungsweise Blockadepolitik endlich einlöst. Diese und weitere Ungleichheiten können auch im Hamburgischen Strafvollzugsgesetz korrigiert werden. Die Umsätze aus der Gefangenenarbeit sind erheblich (zum Beispiel in NRW circa 50 Millionen Euro jährlich). Wenn es um Prinzipien mit Verfassungsrang und um die Menschenwürde geht, dürfen finanzielle Erwägungen nicht das letzte Wort haben. Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisationen fordern deshalb zudem, um dem oben genannten Gleichheitsgrundsatz gerecht zu werden, einen Mindestlohn für arbeitende Inhaftierte. Auch weitere arbeitsrechtliche Mindeststandards werden bei arbeitenden Inhaftierten nicht eingehalten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Im Koalitionsvertrag des Senats ist festgestellt, dass die Fachkommission zur „Optimierung der ambulanten und stationären Resozialisierung in Hamburg“ wichtige Impulse gegeben hat, wie Hamburg die Qualität der Resozialisierung während und nach der Haft verbessern kann. Die Fachkommission ist bei ihren Empfehlungen besonders auf die Verbesserung der beruflichen Qualifizierung und ihren Vorrang gegenüber der Arbeit, auf eine sorgfältige Arbeits- und Qualifizierungsberatung und Diagnostik, aber auch auf den Krankenversicherungsschutz für Haftentlassene eingegangen . Die für die Arbeits- und Qualifizierungsmaßnahmen und das Übergangsmanagement zuständigen Behörden und Einrichtungen haben in den vergangenen Jahren ihre Zusammenarbeit verbindlich geregelt, um die berufsbezogenen Fördermaßnahmen für die einzelnen Gefangenen auf der Grundlage ihrer individuellen Bedürfnisse effektiver und die materielle Absicherung der Haftentlassenen zuverlässiger zu gestalten. Dazu gehört der Zugang zu den Leistungen der Krankenversicherungsträger und den zuständigen Einrichtungen der Agentur für Arbeit und des Jobcenters entweder noch vor oder unmittelbar nach der Haftentlassung, um zeitnah eine Leistungsgewährung beziehungsweise eine sinnvolle Integration in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wird bei arbeitenden Inhaftierten in die Pflegeversicherung eingezahlt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und pro Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? 2. Wird bei arbeitenden Inhaftierten in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und pro Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Die Gefangenen unterliegen grundsätzlich nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit entfällt auch die Beitragspflicht zur Pflegeversicherung . In der Regel endet für Pflichtversicherte der gesetzlichen Krankenversicherung das Versicherungsverhältnis aufgrund der Inhaftierung, da der begründete Sachverhalt (zum Beispiel sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis) entfällt. Die Verrichtung einer Arbeit innerhalb einer Vollzugseinrichtung begründet dagegen keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, weil kein freier Austausch von Lohn und Arbeit im Sinne eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/297 3 ses vorliegt. Eine Versicherungspflicht besteht aber bei Freigängern, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Anstalt stehen. Mit Ausnahme von Freigängern haben Gefangene in Untersuchungshaft, einstweilig Untergebrachte, Jugendstrafgefangene sowie Gefangene, gegen die eine Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird, einen gesetzlichen Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch die in den jeweiligen Vollzugseinrichtungen beschäftigten Ärzte beziehungsweise durch vertraglich verpflichtete Konsiliarärzte. Für die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen sowie für den Umfang dieser Leistungen und der Leistungen zur Krankenbehandlung einschließlich der Versorgung mit Hilfsmitteln inhaftierter Patienten gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie für die Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Vollzugsgesetze sehen allerdings keine Beteiligung der Gefangenen an den Gesundheitsleistungen vor. 3. Wird bei arbeitenden Inhaftierten in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und pro Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Es werden keine Rentenversicherungsbeiträge für Gefangene gezahlt, die in Vollzugsanstalten beschäftigt sind, da eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht besteht. Das Anliegen der Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung wurde jedoch im Rahmen der 121. Tagung des Strafvollzugsausschusses der Länder vom 6. bis zum 8. Mai 2015 aufgegriffen. Zur Begründung wurde angeführt, dass „die Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die Rentenversicherung unter dem Aspekt des Wiedereingliederungsauftrages des Strafvollzuges rechtspolitisch notwendig ist, da eine eigenverantwortliche Lebensführung des Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten nach der Entlassung der sozialen Absicherung bedarf.“ Hamburg unterstützt diese Initiative. 4. Wird in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung eingezahlt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und pro Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Ja. Jahr* Durchschnittswerte der Arbeitslosenversicherungsbeiträge pro arbeitenden Inhaftierten bezogen auf ein Beschäftigungsjahr in € Gesamtsummen der Arbeitslosenversicherungsbeiträge in € 2011 862,21 763.847,99 2012 877,55 753.587,57 2013 910,09 789.450,02 2014 1.180 859.361,19 * Aussagekräftige Daten können rücklaufend bis in das Jahr 2011 ermittelt werden. 5. Führen Hamburger Straf- und Untersuchungshaftgefangene für ihre Tätigkeit während der Haftzeit Lohnsteuer ab? a) Wenn ja: wie viel? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt, Gesamthöhe und pro Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Vergütungen, die Gefangene für eine Arbeitsleistung während der Haft erhalten, gehören nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es liegt kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Lohnsteuerrechts vor. 6. Hat der Senat Pläne, die Gefangenen verbindlich in die Sozialversicherung einzubeziehen? Drucksache 21/297 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a) Wenn ja: wann und auf welche Weise? b) Wenn nein: Aus welchen Gründen soll dieser Schritt nach 38 Jahren noch immer nicht gegangen werden? Im Übrigen siehe Antworten zu 3. bis 3.b. Darüber hinaus hat die zuständige Behörde keine konkreten Pläne zur grundsätzlichen Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung über die Arbeitslosenversicherung hinaus. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. bis 1.b. und zu 4. bis 4.b. 7. Welche Mehr- oder Minderbelastung würde sich für den Hamburger Haushalt ergeben, wenn regulär in die Rentenversicherung eingezahlt würde und ein Haftkostenbeitrag erhoben würde? Bei Einbeziehung der Gefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung würde sich auf der Grundlage der Anzahl der beschäftigten Gefangenen des Jahres 2014 unter der Voraussetzung einer Berechnung der Beitragssätze, in vergleichbarer Weise wie die der Arbeitslosenbeiträge, eine Mehrbelastung für den Hamburger Haushalt in Höhe von 4.314.064 Euro im Jahr ergeben. Der Erhebung eines Haftkostenbeitrags in diesem Zusammenhang stehen die Regelungen der jeweiligen Vollzugsgesetze entgegen. 8. Wie viele Gefangene sind in den Hamburger JVAs in einem freien Beschäftigungsverhältnis beschäftigt? Es befinden sich derzeit 149 Gefangene in einem freien Beschäftigungsverhältnis. 9. Wie hoch sind die Umsätze und Gewinne aus Gefangenenarbeit im Bundesland Hamburg? Bitte nach JVAs und den Zahlen der letzten zehn Jahren aufgliedern. Haushaltsrechtlich handelt es sich bei den Umsätzen aus Gefangenenarbeit um Erlöse . Die Erlöse der Vollzuganstalten aus Gefangenenarbeit sind in der nachfolgenden Übersicht dargestellt. Die Kosten für die Arbeits- und Qualifizierungsmaßnahmen übersteigen die Einnahmen aus Gefangenenarbeit. Insofern fallen keine Gewinne an. Für die Jahre 2005 bis 2009 sind wegen der Umstellung der elektronischen Fachanwendung für die Arbeitsverwaltung in Justizvollzugsanstalten die Beträge der Erlöse nicht mehr nachvollziehbar und auch nicht neu zu ermitteln. Werte liegen erst ab 2010 vor. Erlöse aus Gefangenenarbeit 2010 - 2014 JVA BW JVA FB/SH JVA GM UH HS Erlöse Erlöse Erlöse Erlöse Erlöse 2010 587.112,76 338.137,00 171.796,22 69.565,45 8.408,01 2011 490.517,44 285.334,00 191,064,28 80.937,86 76.847,16 2012 519.591,16 298.753,00 136.650,47 65.515,99 143.098,33 2013 499.829,62 308.429,00 132.997,89 58.080,36 114.473,01 2014 551.641,57 247.566,00 94.343,89 72.800,32 123.055,67 BW = Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder FB = JVA Fuhlsbüttel SH = Sozialtherapeutische Anstalt GM = JVA Glasmoor UH = Untersuchungshaftanstalt Hamburg HS = JVA Hahnöfersand 10. Wurde der gesetzliche Anspruch auf Mindestlohn auch für Inhaftierte eingeführt? a) Wenn ja: wann und in welcher Höhe? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt, Gesamthöhe und Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Ein gesetzlicher Anspruch auf Mindestlohn für Inhaftierte besteht bundesweit nicht. Die in allen Ländern geltenden Regelungen der Vollzugsgesetze zum Arbeitsentgelt Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/297 5 berücksichtigen im Unterschied zur Vergütung von Arbeitsleistung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Freiheit sämtliche Lebenshaltungskosten, die Unterbringung , die medizinischen und die therapeutischen Behandlungsmaßnahmen, die berufliche Qualifizierung und weitere Maßnahmen zur Gestaltung des Vollzuges und der Entlassungsvorbereitung. Insofern ist ein Vergleich zwischen den Einkommensverhältnissen in der Freiheit mit denen in Justizvollzugsanstalten nicht möglich. Die Arbeit in Haft dient vorrangig dem Erhalt und der Förderung der Arbeitsfähigkeit. Des Weiteren wird Arbeitsentgelt auch für die Teilnahme an allgemein- und berufsbildenden und an therapeutischen Maßnahmen gewährt. Die Begründungen für die Einführung des Mindestlohnes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lassen sich somit nicht auf die Gefangenenarbeit übertragen. 11. Welche Mehr- oder Minderbelastung würde sich für den Hamburger Haushalt ergeben, wenn für die Arbeit Inhaftierter ein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt werden würde? Auf der Grundlage der während des Jahresdurchschnitts von 2014 beschäftigten Gefangenen ist die anzunehmende Belastung des Hamburger Haushalts bei Einführung des Mindestlohnes errechnet worden. Sollte den Gefangenen unter der Voraussetzung einer umfassenden Sozialversicherungspflicht der Beschäftigten in Justizvollzugsanstalten ein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt werden, würde sich eine Mehrbelastung von 8.292.796 Euro für den Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg ergeben. 12. Werden im geschlossenen und offenen Vollzug Arbeitsverträge mit den Insassen/-innen geschlossen? a) Wenn ja: Sind diese einheitlich oder unterschiedlich? Im Fall von einheitlichen Verträgen, bitte einen Mustervertrag vorlegen. b) Wenn nein: Aus welchen Gründen werden keine Arbeitsverträge geschlossen? Die Beschäftigung von Gefangenen in Justizvollzugsanstalten erfolgt nicht auf der Grundlage von freiwillig abgeschlossenen Arbeitsverträgen, sondern unterliegt der gesetzlichen Regelung zur Arbeitspflicht. Die Entscheidung über einen Arbeitseinsatz wird allein von der Anstalt getroffen. Dabei werden der berufliche oder schulische Förderbedarf und die Kompetenzen des Gefangenen berücksichtigt. Sofern Gefangene im offenen Vollzug in ein freies Beschäftigungsverhältnis bei einem regulären Arbeitgeber eintreten können, schließen sie mit Zustimmung der Vollzugsanstalt aus eigenem Entschluss einen Arbeitsvertrag ab. 13. Hat der Senat bedacht, welche Konsequenzen ein fehlender Vertragsabschluss für die Inhaftierten haben kann? a) Wenn ja: welche sind das? b) Wenn nein: Wer ist für diese Folgen haftbar? Die Regelungen der Vollzugsgesetze legen die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung und die grundsätzliche Gestaltung der Beschäftigungsangebote in Vollzugsanstalten fest. Dabei hat die individuelle Förderung des einzelnen Gefangenen im Hinblick auf seine spätere berufliche Integration einen hohen Stellenwert. Die Einhaltung dieser Regelungen unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Die Rechte der Gefangenen sind somit berücksichtigt und gesichert. 14. Wie hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in den Haftanstalten in den letzten zehn Jahren entwickelt? (Bitte nach JVAs und Jahren aufschlüsseln.) Die Anzahl der verfügbaren Arbeitsplätze in den Vollzugsanstalten wird nachfolgend dargestellt: Drucksache 21/297 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Eingerichtete Arbeitsplätze in den Justizvollzugsanstalten 2005-2015 Jahr JVA BW JVA FB/ SH JVA GM JVA HS- Jugendvoll zug JVA HS – Frauenvoll -zug UH 2005 234 480 204 nicht ermittelbar nicht ermittelbar nicht ermittelbar 2006 450 480 204 122 81 nicht ermittelbar 2007 522 480 204 128 81 nicht ermittelbar 2008 517 462 204 134 84 155 2009 523 462 204 146 84 155 2010 527 434 120 140 74 155 2011 548 434 120 134 62 155 2012 531 434 120 138 66 155 2013 529 434 120 143 62 155 2014 536 440 120 138 60 155 2015 521 434 120 145 61 155 BW = Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder FB = JVA Fuhlsbüttel SH = Sozialtherapeutische Anstalt GM = JVA Glasmoor HS = Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand UH = Untersuchungshaftanstalt Hamburg In der JVA Billwerder wurde im Jahr 2006 die Belegung deutlich erhöht und damit sind auch mehr Arbeitsplätze eingerichtet worden. Für die JVA Glasmoor ist zu berücksichtigen, dass sich ein hoher Anteil der Gefangenen im Freigang befindet und deshalb ab 2010 die Anzahl der internen Arbeitsplätze deutlich reduziert wurde. Die Reduzierung der Arbeitsplätze im Frauenvollzug der JVA Hahnöfersand erfolgte infolge der Verringerung der Anstaltsbelegung. Die Daten zu verfügbaren Arbeitsplätzen bezogen auf die bezeichneten Jahre in der JVA Hahnöfersand und in der Untersuchungshaftanstalt wurden nicht erhoben und sind auch nachträglich nicht mehr zu ermitteln. 15. Gibt es in den Haftanstalten genügend Arbeitsplätze? Können alle Inhaftierten arbeiten, die dazu bereit sind? (Bitte Bedarf und Kontingent nach JVAs aufschlüsseln.) In der JVA Billwerder stehen derzeit 525 Gefangenen insgesamt 536 Beschäftigungsplätze zur Verfügung. Alle Gefangenen einschließlich der Untersuchungsgefangenen können in Beschäftigungsplätze vermittelt werden. In der JVA Fuhlsbüttel und der Sozialtherapeutischen Anstalt stehen 326 Gefangenen 434 Beschäftigungsplätze innerhalb des Vollzuges zur Verfügung. 30 Gefangene nehmen eine freie Beschäftigung außerhalb der Anstalt wahr. Es kann somit allen Gefangenen ein Beschäftigungsangebot gemacht werden. In der JVA Glasmoor stehen 75 Gefangenen maximal 120 Beschäftigungsplätze zur Verfügung. Weitere 119 Gefangene nehmen eine freie Beschäftigung außerhalb der Anstalt wahr. Das vorhandene Beschäftigungsangebot ermöglicht eine Vollbeschäftigung in dieser Anstalt. In der JVA Hahnöfersand stehen im Jugendvollzug für 107 Gefangene 145 Beschäftigungsplätze und im Frauenvollzug für 59 Gefangene 61 Beschäftigungsplätze zur Verfügung. Diese Angebote decken die Bedarfe umfassend ab. In der Untersuchungshaftanstalt stehen 306 Gefangenen 155 Beschäftigungsplätze gegenüber. Es ist zu berücksichtigen, dass Untersuchungsgefangene auf freiwilliger Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/297 7 Basis tätig werden und dass ein Teil dieser Gefangenen Beschäftigungsangebote der Anstalt nicht in Anspruch nimmt. 16. Wird arbeitenden Inhaftierten mindestens 20 Tage Urlaub gewährt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Strafgefangene und Sicherungsverwahrte, die sechs Monate lang zusammenhängend einer Beschäftigung in Vollzugsanstalten nachgegangen sind, werden an elf Arbeitstagen ihrer Wahl von der Arbeitspflicht freigestellt. Unter Beschäftigung wird auch die Teilnahme an schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen verstanden. Somit erhalten arbeitende Gefangene grundsätzlich für ein Jahr geleisteste Beschäftigung 22 Freistellungstage. Die Freistellung von der Arbeit ist mit dem zu vergleichen, was außerhalb des Justizvollzuges unter Urlaub verstanden wird. 17. Wird arbeitenden Inhaftierten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gewährt? a) Wenn ja: wie lange? In welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt, Gesamthöhe und Jahr.) b) Wenn nein: aus welchem Grund? Im Krankheitsfall wird beschäftigten Gefangenen keine Fortzahlung des Arbeitsentgelts gewährt. Dies ist damit begründet, dass den Gefangenen für den Lebensunterhalt keine Kosten entstehen (siehe Antwort zu 10). Sie können jedoch, sofern sie aufgrund einer Erkrankung während eines Monats ohne Arbeitseinkünfte sind, für die Zeit der Nichtbeschäftigung ein Taschengeld mit einem Tagessatz von 1,72 Euro beantragen . Angaben zur Gesamthöhe der Zahlungen des Taschengeldes für diesen Zweck pro Jahr und der durchschnittlichen Leistungen pro Person sind nicht möglich. Die einzelnen Gründe für Taschengeldzahlungen werden nicht dokumentiert und können somit auch nicht nachträglich erhoben werden. 18. Werden Inhaftierte am erwirtschafteten Gewinn der JVA-eigenen Betriebe beteiligt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und Jahr.) b) Wenn nein: warum nicht? Siehe Antwort zu 9. 19. Werden Zuschläge für Sonn- und Feiertage gewährt? a) Wenn ja: in welchem Umfang? (Bitte aufschlüsseln nach Durchschnitt , Gesamthöhe und Jahr.) b) Wenn nein: warum nicht? Für die Arbeit zu ungünstigen Zeiten in der Arbeitswoche und die Arbeit an Wochenenden und Feiertagen wird zum Arbeitsentgelt gemäß der Hamburgischen Vollzugsvergütungsordnung eine Zulage von fünf vom Hundert des Grundlohns für die Arbeit in Justizvollzugsanstalten gewährt. Die genau ermittelte Gesamthöhe der gezahlten Zulagen pro Jahr wird durch die elektronische Fachanwendung nicht separat erfasst. Die Gesamtbeträge wurden auf der Grundlage der durchschnittlich ausgezahlten Zulagen und der besetzten Wochenendarbeitsplätze in den Justizvollzugsanstalten berechnet. Folgende durchschnittliche Zulagen für Sonntags- und Feiertagsarbeit und die entsprechenden Gesamtbeträge wurden ermittelt: Jahr* durchschnittliche Zulage für Sonn- und Feiertagsarbeit Gesamtbeträge der gezahlten Zulagen 2011 von 0,24 bis 0,55 Euro ca. 4668 Euro Drucksache 21/297 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 8 Jahr* durchschnittliche Zulage für Sonn- und Feiertagsarbeit Gesamtbeträge der gezahlten Zulagen 2012 von 0,25 bis 0,57 Euro ca. 4804 Euro 2013 Von 0,26 bis 0,58 Euro ca. 4900 Euro 2014 von 0,26 bis 0,61 Euro ca. 4862 Euro * Aussagekräftige Daten können rücklaufend bis in das Jahr 2011 ermittelt werden. 20. Werden die Arbeitsverträge, die Inhaftierte bei Berufsfreigang unterzeichnen , auf arbeitsrechtliche Relevanz juristisch geprüft? a) Wenn ja: vom wem? Auf welche Weise? b) Wenn nein: warum nicht? Die Arbeitsverträge für eine freie Beschäftigung, die Gefangene im Freigang mit ihren zukünftigen Arbeitgebern abschließen wollen, werden in der Justizvollzugsanstalt von Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeitern in der Arbeitsverwaltung im Hinblick auf die Zahlung von Mindestlöhnen und einer Arbeitszeitfestlegung vor dem Hintergrund grundsätzlicher tariflicher Regelungen überprüft. 21. Wer haftet für nachweislich falsche Entscheidungen eines/r Abteilungsleiters /Abteilungsleiterin und/oder Übergangsmanagers/Übergangsmanagerin für nachteilige Konsequenzen aus einem Arbeitsvertrag, der während des Berufsfreiganges unterzeichnet wurde? Die Arbeitsverträge werden ausschließlich vom zukünftigen Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer als Gefangenem im Freigängervollzug abgeschlossen. Die Justizvollzugsanstalt ist nicht Vertragspartnerin. Sie nimmt nur dann Einfluss, wenn Regeln des Mindestlohns nicht eingehalten werden, die Arbeitszeiten grundsätzlichen tariflichen Regelungen widersprechen oder mit den Rahmenbedingungen des Freigängervollzuges unvereinbar sind. Die Einflussnahme kann zur Folge haben, dass dem Gefangenen untersagt wird, das zunächst vorgesehene Arbeitsverhältnis einzugehen. Dies geschieht dann in der Regel mit der Begründung, dass der gesetzliche Eingliederungsauftrag des Vollzugsgesetzes in diesem Fall nicht erfüllt wird. Eine Haftungspflicht der Vollzugsanstalt für eventuelle Fehlentscheidungen in diesem Zusammenhang gegenüber dem Gefangenen besteht nicht. Er ist jedoch berechtigt, auch in diesen Fällen eine gerichtliche Entscheidung zu erwirken. 22. Welche fachliche Ausbildung haben die Übergangsmanager/-innen, die über Arbeitsverträge entscheiden? (Bitte für die JVA Glasmoor und weitere JVAen einzeln aufschlüsseln.) Die Zustimmung zu Arbeitsverträgen für freie Beschäftigungsverhältnisse wird in der JVA Glasmoor, in der Sozialtherapeutischen Anstalt und im offenen Jugendvollzug der JVA Hahnöfersand von Diplom-Verwaltungswirten und Diplom-Sozialpädagogen getroffen. In den anderen Justizvollzugsanstalten findet kein Freigängervollzug statt. Insofern werden auch keine Entscheidungen zu Arbeitsverträgen getroffen. 23. Werden Bonitätsprüfungen der Arbeitgeber/-innen von Berufsfreigängern /-innen durchgeführt? a) Wenn ja: auf welche Weise? b) Wenn nein: warum nicht? Arbeitgeberinnen beziehungsweise Arbeitgeber werden – sofern es erforderlich erscheint – auf der Grundlage von Handelsregisterauszügen überprüft. Darüber hinaus erfolgt eine Überwachung der regelmäßigen Lohneingänge entsprechend den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. 24. Wer trägt das Konkursrisiko von Arbeitgebern/-innen während der Zeit des Berufsfreiganges? Das Konkursrisiko tragen die genannten Vertragspartner der Arbeitsverträge (siehe Antwort zu 21.). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/297 9 25. Werden mit Inhaftierten Montagearbeitsverträge unterzeichnet? Die Zustimmung zu Montageeinsätzen im Rahmen von freien Beschäftigungsverhältnissen erfolgt nur dann, wenn die Überprüfung der Arbeitseinsätze möglich ist und wenn die Präsenzzeiten der betroffenen Gefangenen in der Anstalt gewährleistet werden . 26. Warum werden die Genehmigungen von Arbeitsverträgen vorrangig bei Zeitarbeitsfirmen gestattet? Derzeit sind weniger als ein Fünftel der Freigängerinnen und Freigänger über Zeitarbeitsfirmen tätig. Im Übrigen siehe Antwort zu 21. 27. Wird von den Insassen/-innen verlangt, dass sie innerhalb des Lebenslaufes die Haftzeit verschweigen? Wenn ja: warum? Nein. 28. Welche Begründung hat der Senat dafür, dass Asylbewerber/-innen im geschlossenen und offenen Vollzug arbeiten dürfen und in Freiheit nicht? Die der Frage zugrunde liegende Annahme, Asylbewerberinnen und Asylbewerber dürften in Freiheit nicht arbeiten, ist unzutreffend. Gemäß § 61 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) dürfen Asylbewerber für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, keine Erwerbstätigkeit ausüben. Von der Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sind nach § 47 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 AsylVfG jedoch Personen ausgenommen, die sich in Haft befinden. Im Übrigen kann gemäß § 61 Absatz 2 Satz 1 AsylVfG einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Dies gilt auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die ein freies Beschäftigungsverhältnis anstreben. 29. Werden in den JVAs Arbeiten im Rahmen eines Werkvertrages durchgeführt ? Wenn Ja: Um welche Arbeiten/Werke handelt es sich? (Bitte aufschlüsseln nach JVAs und Anzahl und Art der Werksverträge pro Jahr.) Die Anzahl der Werkverträge für die Jahre 2011 bis 2014* und die verschiedenen Arbeiten in diesem Zusammenhang sind nachfolgend dargestellt: 2011 2012 2013 2014 Anstalt Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen JVA Billwerder 3 Schlosserei - arbeiten 3 Schlosserei - arbeiten 3 Schlosserei - arbeiten 2 Schlosserei - arbeiten 4 Tischlereiar - beiten 3 Tischlereiar - beiten 3 Tischlereiar - beiten 2 Tischlereiar - beiten 1 Malerar - beiten 1 Malerar - beiten 1 Malerar - beiten 1 Malerar - beiten 1 Rollladen - betrieb 1 Rollladen - betrieb 2 Rollladen - betrieb 2 Rollladen - betrieb Drucksache 21/297 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 10 2011 2012 2013 2014 Anstalt Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen Anzahl der Werkverträ - ge Arbeitsleistun - gen 11 Konfektio - nierungs - arbeiten 12 Konfektio - nierungs - arbeiten 12 Konfektio - nierungs - arbeiten 11 Konfektio - nierungs - arbeiten JVA Fuhlsbüttel / SothA keine Dokumenta - tion vorhanden keine Dokumenta - tion vorhanden 34 Schlos sereiarbei - ten 32 Schlos sereiar - beiten 23 Schlos sereiar - beiten 31 Tischlerei - arbeiten 24 Tischlerei - arbeiten 18 Tischlerei - arbeiten 6 Malerarbei - ten 5 Malerarbei - ten 4 Malerarbei - ten 3 Konfektionie - rungsarbei - ten 3 Konfektionie - rungsarbei - ten 3 Konfektionie - rungsarbei - ten JVA Glasmoor 1 Tischlerei - arbeiten 8 Tischlerei - arbeiten 5 Malerar - beiten 62 Konfektio - nierungs - arbeiten 63 Konfektio - nierungs - arbeiten 67 Konfektio - nierungs - arbeiten 92 Konfektio - nierungs - arbeiten Untersu - chungs haftansta 2 Schlos sereiar - beiten 1 Schlos sereiar - beiten 1 Tischlerei - arbeiten 9 Konfektio - nierungs - arbeiten 5 Konfektio - nierungs - arbeiten 7 Konfektio - nierungs - arbeiten 5 Konfektio - nierungs - arbeiten Die Betriebe der JVA Hahnöfersand haben keine Auftragsarbeiten übernommen, da hier ausschließlich berufsbildende Maßnahmen stattfinden.