BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2980 21. Wahlperiode 02.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 25.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Sexualisierte Gewalt – Wie ist das Verhältnis von Anzeigen und Verurteilungen in Hamburg? Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) weist darauf hin, dass jede siebte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben schwere sexualisierte Gewalt erfahren hat. Dabei werden bei weitem nicht alle Taten angezeigt. Frauen beklagen immer wieder die Retraumatisierung , die ein sich anschließendes Verfahren mit sich bringen kann. Nicht jede Frau fühlt sich psychisch und physisch im Stande, ein Gerichtsverfahren durchzustehen. Dies liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass das jetzige Strafrecht nicht im Sinne der Betroffenen angelegt ist. Laut bff liegt der Anteil der nicht angezeigten Fälle von sexualisierter Gewalt zwischen 85 Prozent und 95 Prozent. Bezogen auf Hamburg hat die Beratungsstelle Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. aus diesen Daten resümiert, dass circa 107.000 Frauen und Mädchen in der Freien und Hansestadt leben (Zahlen aus 2012), die wenigstens einmal im Leben Opfer strafrechtlich relevanter sexualisierter Gewalttaten wurden. Hinzu kommt, dass nur ein geringer Teil der Anzeigen zu Anklageerhebung und Verurteilung führt. So erlebten laut bff im Jahre 2012 nur 8,4 Prozent der Frauen, die eine Straftat nach § 177 angezeigt haben, die Verurteilung des Täters. Ich frage den Senat: 1. Wie viele Straftaten, die als Vergewaltigung/Nötigung (PKS 1110) angezeigt wurden, führten im Jahr 2015 zu Anklageerhebungen? Bitte nach Geschlecht, Nationalität und Alter der Tatopfer und Tatverdächtigen auflisten . 2. Wie viele der Anklageerhebungen nach §§ 177, 178, 179 und 240 Absatz 4 StGB führten im Jahr 2015 zu einem Verfahren? Bitte nach Geschlecht, Nationalität und Alter der Tatopfer und Tatverdächtigen auflisten . 3. Wie viele der Verfahren führten nach §§ 177, 178, 179 und 240 Absatz 4 StGB zu einer Verurteilung? Bitte nach Geschlecht, Nationalität und Alter der Tatopfer und Tatverdächtigen auflisten. Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen (PKS 1110) werden in der Regel bei der Polizei angezeigt. Zur Verfügbarkeit und Aussagekraft der Daten der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) für das Jahr 2015 sowie der Besonderheiten der Erhebung wird auf die Drs. 21/2779 verwiesen. In der Anlage sind, wie in der Bezugsdrucksache , die Daten für den Zeitraum Januar bis September 2015 aufgeführt. Drucksache 21/2980 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Hinsichtlich der Untergliederung nach Altersgruppen erfolgt die Auswertung bei Opfern in der PKS standardmäßig nur jährlich. Auch Tatverdächtige nach Nationalitäten werden standardmäßig nur jährlich berechnet. Nationalitäten von Opfern werden in der PKS nicht berechnet. Um die Nationalitäten von Tatverdächtigen und Opfern sowie die Altersgruppen der Opfer festzustellen, müsste das Fachkommissariat Sexualdelikte des Landeskriminalamtes (LKA 42) insgesamt 357 Ermittlungsvorgänge für den Zeitraum Januar bis September 2015 auswerten. Dies ist in der für die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich Die Anzahl der Anklageerhebungen seitens der Staatsanwaltschaft Hamburg im Jahr 2015 aufgrund einer Vergewaltigung beziehungsweise sexuellen Nötigung (§ 177 StGB) wird statistisch nicht gesondert erfasst. Auch die gerichtliche Verfahrensstatistik liefert zu den erfragten Delikten keine Daten. Die bundeseinheitliche Strafverfolgungsstatistik für 2015 liegt voraussichtlich erst im August 2016 vor und wird lediglich Auskunft über Verurteilungen in der Aufteilung deutsche oder ausländische Täter geben. Um dennoch zumindest näherungsweise die Fragen beantworten zu können ist eine Auswertung des Aktenjahrgangs 2015 von Anklagen mit Tatvorwürfen § 177, 178, 179 und 240 Absatz 4 StGB aus dem bei der Staatsanwaltschaft Hamburg eingesetzten Geschäftsstellen- und Aktenverwaltungsprogramm MESTA erfolgt. Da dieses System nicht für Statistikzwecke konzipiert wurde, erfolgen die folgenden Angaben mit Vorbehalt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Für die weitergehenden Fragen wurden diese Akten händisch ausgewertet, soweit sie im Geschäftsgang der Gerichte und Staatsanwaltschaften verfügbar waren. Dies vorangestellt ergeben sich folgende Teilergebnisse: Es konnten 37 Anklageverfahren den erfragten Straftaten zugeordnet werden, von denen sich 25 im gerichtlichen Verfahren befinden oder befanden, von denen neun rechtskräftig abgeschlossen sind; davon acht mit einer Verurteilung und eines mit Freispruch. Für 25 dieser Verfahren können genauere Angaben zu den Tätern gemacht werden. Sie sind alle männlich. Davon 15 Erwachsene, drei Heranwachsende und sieben Jugendliche. 14 der Täter waren deutsch, vier türkisch, je zwei afghanisch, polnisch und rumänisch und ein Täter war südafrikanisch. In 23 dieser Verfahren sind genauere Angaben zu den 25 Opfern möglich. Von den sämtlich weiblichen Opfern waren 14 Erwachsene, sieben Heranwachsende und vier Jugendliche. 18 der Opfer waren deutsch, je zwei türkisch und polnisch und je eines australisch, chilenisch und tschechisch. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2980 3 Anlage Januar bis September 2015 Vergewaltigung und sexuelle Nötigung (PKS 1110) Erfasste Fälle aufgeklärte Fälle absolut relativ 94 63 67,0% Tatverdächtige (TV) TV insgesamt davon nichtdeutsch absolut relativ 66 31 47,0% TV nach Altersgruppen TV insgesamt Kinder Jugendliche Heranwachsende U 21 Erwachsene gesamt bis u 14 J. 14 bis u 18 J. 18 bis u 21 J. ab 21 J. 0 3 10 13 53 66 davon: nichtdeutsche TV Kinder Jugendliche Heranwachsende U 21 Erwachsene gesamt bis u 14 J. 14 bis u 18 J. 18 bis u 21 J. ab 21 J. 0 0 5 5 26 31 Opfer insgesamt männlich weiblich 95 4 91