BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/2982 21. Wahlperiode 02.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Urs Tabbert und Arno Münster (SPD) vom 25.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Fund von Waffen und Gegenständen mit Bezug zu nationalsozialistischer Propaganda Im „Hamburger Abendblatt“ vom 25.1.2016 (Seite 14) wird über den Fund von „Fast tausend Waffen, Waffenteile und Patronen“ sowie „jede(r) Menge Nazi-Devotionalien“ darunter auch „diverse(r) Neonazizeitschriften bei einem 41-jährigen Polizisten berichtet, der dem Polizeikommissariat 24 in Niendorf zugehörig ist. Aufgrund seines Wohnsitzes in Schleswig-Holstein ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck derzeit gegen ihn wegen unerlaubtem Waffenbesitz . Die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Verstoßes gegen § 86a Strafgesetzbuch („Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“) wird dem Bericht im „Hamburger Abendblatt“ zufolge derzeit ebenfalls geprüft. Laut Bericht des „Hamburger Abendblatts“ haben Fahnder des Zollamts Mölln bereits im November 2015 „ein für den Mann bestimmtes Paket aus China mit einem Zielpunktprojektor abgefangen“, dessen Besitz gegen das Waffengesetz verstößt. Die eigentliche Durchsuchung fand wohl zu einem späteren oder zu einem anderen Zeitpunkt statt. Einem Bericht im Magazin „DER SPIEGEL“ (so das „Hamburger Abendblatt“) zufolge habe die verantwortliche „Zollfahndung das Durchsuchungsergebnis erst Wochen später den übergeordneten Dienststellen gemeldet und dabei die Nazifundstücke verschwiegen“. Erst seit der vergangenen Woche sei seitens der Polizei Hamburg ein Disziplinarverfahren gegen den Mitarbeiter eingeleitet wurden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Für die Polizei Hamburg ist es ungeachtet der beamtenrechtlichen Regelungen eigenes Selbstverständnis, durch das Handeln und Auftreten ihrer Bediensteten nach Innen und Außen keinerlei Zweifel an einer Haltung aufkommen zu lassen, die ein festes Stehen zu den Werten des Grundgesetzes ausdrückt. Hierauf wird sowohl bei den Einstellungsverfahren als auch in Aus- und Fortbildung geachtet. Hinweise wie der vorliegende, noch zu klärende Sachverhalt sind stets Anlass entsprechender Überprüfungen. Für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§ 39 Beamtenstatusgesetz) als vorläufige Maßnahme ist es erforderlich, dass nach summarischer Prüfung der Verdacht eines Dienstvergehens besteht, das seiner Natur nach geeignet ist, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen. Hinzutreten muss jedoch die Prüfung, welche tatsächlichen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb bei einer Fortsetzung der Dienstausübung zu befürchten sind. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes oder der Ermittlungen stellt zum Beispiel einen zwingenden Grund dar, der zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte führen könnte. Drucksache 21/2982 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das Verbot darf nicht außer Verhältnis zur Schwere des Verhaltens stehen, das untersucht werden soll, oder zu den Unzuträglichkeiten, die bei einer weiteren Dienstverrichtung befürchtet werden. Es ist zwischen dem dienstlichen oder öffentlichen Interesse an der Unterbindung der dienstlichen Tätigkeit und einem Interesse des Beamten, seine dienstliche Tätigkeit fortsetzen zu können, abzuwägen. Zu der Frage, ob wegen eines Verstoßes gegen die zentrale Dienstpflicht eines Polizeibeamten , Straftaten zu verhindern, aufzuklären und zu verfolgen, gegen eine Beamtin oder einen Beamten ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte auszusprechen ist, muss das Ergebnis der jeweiligen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Disziplinarrechtlich kann neben dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, das von dem Dienstvorgesetzten angeordnet werden kann, die vorläufige Dienstenthebung (Suspendierung) nach § 37 Hamburgisches Disziplinargesetz (HmbDG) und im Zusammenhang damit die Einbehaltung von Bezügen nach § 38 HmbDG auf Antrag des Dienstvorgesetzten durch die oberste Dienstbehörde (Personalamt) ausgesprochen werden. Diese Maßnahmen setzen jedoch hinreichende Verdachtsmomente für das Vorliegenden eines derart schwerwiegenden Dienstvergehens voraus, dass eine Entfernung oder Entlassung einer Beamtin oder eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt erscheint, denn ansonsten würde das Recht der Beamtin oder des Beamten auf Amtsausübung unverhältnismäßig beeinträchtigt sein. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann genau wurde die Wohnung des nun Beschuldigten durchsucht und zu welchem Zeitpunkt genau wurden die Dienstvorgesetzten über die Funde und das dann eingeleitete Strafverfahren informiert. Wann genau wurde das Strafverfahren eingeleitet? Der betroffene Beamte selbst setzte seinen Vorgesetzten, den Leiter des Polizeikommissariats (PK) 24, am 25. November 2015 über ein gegen ihn geführtes Strafverfahren und eine am Morgen des 24. November 2015 durchgeführte Durchsuchung des Zolls in Kenntnis; nähere Angaben zu den sichergestellten Funden machte der Beamte nicht. Die Staatsanwaltschaft Lübeck informierte den Leiter des PK 24 am 20. Januar 2016 über das Strafverfahren sowie die erfolgte Durchsuchung einhergehend mit den sichergestellten Zufallsfunden. In der Folge erhielt der Dienstvorgesetzte am 20. Januar 2016 Kenntnis. Darüber hinaus betrifft die Fragestellung ein laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lübeck. 2. Nach welchen Maßstäben werden seitens der Verantwortlichen der Hamburger Polizei in der Regel disziplinarrechtliche Suspendierungen im Hinblick auf Sachverhalte mit Bezug zu Nazipropaganda und unerlaubten Waffenbesitz verfügt? Im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft ist die Beamtin beziehungsweise der Beamte zwar gehalten, zu vermeiden, dass durch öffentliches, außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und daher zurechenbarer Weise der Anschein erweckt wird, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit diesem zu sympathisieren . Bei Verhaltensweisen im grundrechtlich geschützten privaten Bereich der eigenen Wohnung (Besitz von nicht verbotenen Gegenständen, Hören bestimmter Musik et cetera) fehlt es an einem „öffentlichen“ außerdienstlichen Verhalten und damit an dem Setzen eines für außenstehende Dritte wahrnehmbaren Anscheins der Identifizierung oder des Sympathisierens mit dem Nationalsozialismus. Das unveröffentlichte Haben einer verfassungsfeindlichen Gesinnung stellt kein Dienstvergehen dar, hinzukommen muss – um einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht zu begründen –, dass die betroffene Beamtin oder der betroffene Beamte aus ihrer beziehungsweise seiner Gesinnung aktiv Folgerungen für die Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/2982 3 Erfüllung der Dienstpflichten, für das Auftreten innerhalb der Dienststelle oder für politische Aktivitäten im Sinne einer Überzeugung zieht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wie gestaltet sich üblicherweise das Zusammenspiel von Strafverfolgungsbehörden und Dienstherren im Fall von Ermittlungen gegen die eigenen Bediensteten? Bestehen insbesondere generelle Mitteilungspflichten (auch bundesländerübergreifend) der Strafverfolgungsbehörden an den Dienstherren in Konstellation wie der vorliegenden, oder liegt die Zeitspanne zwischen Einleitung eines Strafverfahrens und Mitteilung im Bereich dessen, was allgemein üblich ist? Mitteilungspflichten in Ermittlungsverfahren gegen verbeamtete oder angestellte Bedienstete und Richter ergeben sich insbesondere aus den §§ 12 fortfolgende EGGVG (Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz), 125c BRRG (Beamtenrechtsrahmengesetz ) sowie den Nummern 15 und 16 MiStra (Mitteilungen in Strafsachen ). Nach diesen Vorschriften sind grundsätzlich mitzuteilen: - der Erlass und Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, - die Anklageschrift oder eine an ihre Stelle tretende Antragsschrift, - der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, - die einen Rechtszug abschließende Entscheidung mit Begründung und gegebenenfalls einem Hinweis auf ein eingelegtes Rechtsmittel. Zusätzlich sollen Verfahrenseinstellungen mitgeteilt werden, wenn dienstrechtliche Maßnahmen durch den Dienstherrn zu ergreifen sind, insbesondere wenn die Einstellung Feststellungen zur Schuldunfähigkeit des Beschuldigten enthält. Darüber hinaus dürfen sonstige Tatsachen, zum Beispiel auch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und der Tatvorwurf, gemäß §§ 12 fortfolgende EGGVG (im Strafverfahren insbesondere aufgrund § 14 EGGVG) und 125c Absatz 4 BRRG mitgeteilt werden, wenn dienstrechtliche Maßnahmen erforderlich erscheinen. Ob und wann ein Ermittlungsverfahren dem Dienstherrn des Beschuldigten mitgeteilt wird/werden muss, hängt damit entscheidend vom Verfahrensausgang und dem Bezug insbesondere des Tatvorwurfs zu den dienstlichen Tätigkeiten beziehungsweise dem Erfordernis etwaiger dienstrechtlicher Konsequenzen ab. Generelle Aussagen lassen sich nicht treffen.