BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/303 21. Wahlperiode 28.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 21.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Obdachlosigkeit in Hamburg Seit Jahrzehnten oder, um genau zu sein, seit 1992 werden Obdachlose in Hamburg mittels eines Winternotprogrammes für die Dauer der kalten Jahreszeit temporär untergebracht. Was sich auf der einen Seite gut anhört, ist auf der anderen Seite ein Armutszeugnis. Zeigt es doch, dass es nicht gelingt, die in Hamburg lebenden Obdachlosen dauerhaft von der Straße zu holen. Armutseinwanderung, insbesondere aus osteuropäischen Staaten, und die Reduzierung der Übernachtungsplätze von 18.300 in 2001 auf 9.500 in 2015 verschärfen die Situation. Dabei wird suggeriert, dass die derzeitige Praxis, mit dem Problem der Obdachlosigkeit so umzugehen, alternativlos sei. Es ist kein Ansatz zu erkennen, der das Problem grundsätzlich und mit ausreichenden beziehungsweise adäquaten Mitteln nachhaltig löst. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Lebenssituation obdachloser Menschen ist vielschichtig, ihr alltägliches Leben ist geprägt durch Mangel, sie sind häufig isoliert, leiden zum Teil unter physischen oder psychischen Problemen. Vor diesem Hintergrund sieht sich ein Teil dieser Personengruppe nicht in der Lage, das Angebot der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in Anspruch zu nehmen. Aus humanitären Gründen und zum Schutz vor Erfrierung wurde vor diesem Hintergrund 1992 das Winternotprogramm für diese Menschen eingerichtet. Auch heute ist ein solches Angebot erforderlich, besonders weil es durch Beratungsangebote flankiert wird und die obdachlosen Menschen bei der Integration in Wohnraum unterstützt werden. Seine Ausweitung resultiert aus der humanitären Verpflichtung der Stadt Hamburg, einem veränderten Bedarf gerecht zu werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist in den kommenden vier Kalenderjahren geplant, Wohnungen zu bauen , die ausnahmslos den Menschen zugutekommen, die in Hamburg von Obdachlosigkeit betroffen sind? Wenn ja, um wie viele Wohnungen handelt es sich? Für welche betroffenen Gruppen – für Alleinstehende, Verheiratete, mit Kindern, Frauen oder Männer – werden sie gebaut? Wie viel Quadratmeter sind für die einzelnen Zimmer beziehungsweise Wohnungen vorgesehen? Und wann sollen diese Wohnungen bezugsfertig sein? Drucksache 21/303 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die zuständige Behörde erarbeitet zurzeit ein Gesamtkonzept zur besseren Versorgung vordringlich Wohnungsuchender mit Wohnraum. Zielgruppe des Gesamtkonzepts sind auch obdachlose Haushalte als Teilgruppe der vordringlich wohnungsuchenden Haushalte. Die Wohnraumversorgung wohnungsloser Haushalte erfolgt insbesondere auch über die Kooperationsbeziehungen mit der Wohnungswirtschaft. 2004 haben die zuständigen Behörden mit SAGA GWG und zehn Genossenschaften Kooperationsverträge über die Versorgung der vordringlich wohnungsuchenden Haushalte mit Wohnraum abgeschlossen. Diese Vereinbarung umfasst auch die Wohnraumversorgung von Obdachlosen als Teilgruppe der vordringlich Wohnungsuchenden. Die zuständige Behörde hat der gesamten im Bündnis vertretenen Wohnungswirtschaft Anfang September 2013 ein Angebot zum Abschluss eines neuen (modifizierten) Kooperationsvertrages unterbreitet. Dieser beinhaltet eine feste Versorgungsverpflichtung in Bezug auf sozialwohnungsberechtigte Haushalte insgesamt, vordringlich jedoch Wohnungsuchende und wohnungs- beziehungsweise obdachlose Haushalte. Bislang haben SAGA GWG und drei Genossenschaften diesen neuen Vertrag abgeschlossen. Im Übrigen wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Kooperationsverträge mit den Genossenschaften zügig abgeschlossen werden. Die SAGA soll weiterhin einen entsprechenden Beitrag zur Verbesserung für vordringlich Wohnungssuchende leisten und den Anteil von 1.700 auf 1.900 Wohneinheiten erhöhen. Zudem wurde vereinbart, dass mindestens 200 WA-gebundene Wohnungen im Jahr über Genossenschaften, soziale Stiftungen und soziale Träger wie beispielsweise auch f & w fördern und wohnen AöR errichtet werden. Hierfür sollen Grundstücke zur Verfügung gestellt und Finanzierungshilfen gegeben werden. Die Verhandlungen mit den Genossenschaften sind bereits angelaufen. 2. Wie viele Wohnungen wurden in den vergangenen vier Jahren fertiggestellt , die nur dem Zweck dienten, Obdachlosen eine Wohnung zu Verfügung zu stellen? Bitte diese nach den einzelnen Jahren aufschlüsseln. Wenn solche Wohnungen geplant waren und fertiggestellt wurden, wie viele dieser Wohnungen wurden dann tatsächlich von Obdachlosen bezogen ? Wenn diese Wohnungen nicht von Obdachlosen bezogen wurden, an wen wurden diese dann zugewiesen? Zu den Fertigstellungszahlen von Wohnungen mit WA-Bindungen (für vordringlich Wohnungsuchende reservierte Sozialwohnungen) siehe Drs. 20/14397. Ob diese WAgebundenen Wohnungen tatsächlich von obdachlosen Haushalten bezogen wurden, wird statistisch nicht erfasst, insofern liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 3. Im Jahr 2009, davor im Jahr 2002, wurden die letzten Erhebungen hinsichtlich der Zahl von Obdachlosen in Hamburg vorgenommen. Wann ist geplant, die nächste empirische Erhebung dieser Art durchzuführen ? Es ist nicht geplant, eine empirische Erhebung in der genannten Art durchzuführen. 4. Wenn die Absicht besteht, in absehbarer Zeit eine Zählung durchzuführen , wird a) damit erneut der Sozialwissenschaftler Torsten Schaak beauftragt, und b) diese mit gleicher Zielsetzung, Methodik und Analyseform durchgeführt ? Entfällt. 5. Nennen Sie bitte, unabhängig von der Frage 1., weitere Maßnahmen des Senates, mit denen nachhaltig die Obdachlosigkeit bekämpft werden soll. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/303 3 Mit der Umsetzung des Fachstellenkonzeptes wurden Hilfestrukturen eingerichtet, die Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht, wohnungslos oder obdachlos sind, Hilfen bieten. Sie sind Bestandteil des breiten Angebots der Wohnungslosenhilfe in Hamburg. Hierzu gehören niedrigschwellige Überlebenshilfen, Straßensozialarbeit und Beratungsangebote, die obdachlose Menschen unterstützen, geeignete Leistungen anzunehmen. Im Übrigen siehe auch http://www.hamburg.de/contentblob/127994/data/hilfesystem-datei.pdf. Der wichtigste Aspekt der nachhaltigen Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist die Verhinderung von Wohnungsverlust, die in Hamburg durch die Fachstellen für Wohnungsnotfälle erfolgreich vorangetrieben wird. Die Integration in Wohnraum wird unterstützt durch die Fachstellen sowie ambulante und stationäre Leistungsangebote zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten . Der verbesserte Zugang in Wohnraum wird durch Kooperationsverträge mit der Wohnungswirtschaft, die Möglichkeit des Ankaufs von Belegungsbindungen und die Wohnerprobung in zunächst von Trägern angemieteten Wohnungen forciert. Eine Überprüfung der Wohnungslosenhilfe auch im Zusammenhang mit angrenzenden Leistungssystemen erfolgte aktuell mit der Erstellung des Gesamtkonzeptes Wohnungslosenhilfe und in Zusammenarbeit von Vertreterinnen und Vertretern der freien Wohlfahrtspflege und der Behörden. Erforderliche Modifikationen und eine Ausweitung einzelner Leistungsangebote werden derzeit umgesetzt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 6. Wie viele Wohnunterkünfte führt der Träger f & w aktuell in seinem Bestand? Werden alle diese Wohnungen von Menschen bewohnt, die zuvor auf der Straße lebten beziehungsweise denen der akute Verlust der Wohnung drohte? Wenn nicht, welche Gruppen/Personen leben dort und in wie viel Wohnungen ? Nennen Sie bitte die Kriterien, nach denen die Vergabe dieser Wohnunterkünfte vorgenommen wird. f & w fördern und wohnen – Anstalt öffentlichen Rechts – (f & w) betreibt derzeit 74 Wohnunterkünfte (Stand 31. März 2015) zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Zuwanderern und Wohnungslosen. Alle Wohnunterkünfte sind mit gemischten Personengruppen belegt, dies bezieht sich auf Wohnungslose und Zuwanderer unterschiedlicher Statusgruppen sowie Alleinstehende, Paare und Familien. Daher ist davon auszugehen , dass nicht alle Unterkünfte von Menschen bewohnt werden, die zuvor auf der Straße lebten beziehungsweise ihrer Wohnung verloren haben. Personen und deren dazugehörige Wohnungen oder Unterbringungsplätze werden nicht differenziert aufgelistet und auch nicht regelhaft erfasst. Eine entsprechende Auswertung ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, da es sich hierbei um rund 12.000 Personen handelt. Die Raumbedarfe der Haushalte bestimmt im Wesentlichen die Entscheidung zur Vergabe von Unterkunftsplätzen, die von f & w unter Abwägung von sozialen, kulturellen , örtlichen/infrastrukturellen Faktoren getroffen wird.