BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/305 21. Wahlperiode 28.04.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 21.04.15 und Antwort des Senats Betr.: Frühe Prävention in Hamburgs Bezirken Chancen für eine gute Gesundheit ab Lebensbeginn können statusbedingt sehr verschieden sein. Zu den sozialen Determinanten von Gesundheit gehören soziale und wirtschaftliche Bedingungen wie Arbeits-, Umwelt- und Wohnbedingungen, Familienformen, soziale Netze. Langzeitstudien aus den USA belegen einen positiven Effekt frühzeitiger Intervention auf die Entwicklungschancen von Kindern, auf Bildung und Gesundheit im weiteren Lebensverlauf. Bei langfristig angelegten Interventionen ist zudem ein positiver Effekt auf öffentliche Kassen belegt. Während in Deutschland dazu noch keine Studien vorliegen, zeigt das Nationale Zentrum Frühe Hilfen am Beispiel des Projektes „Guter Start ins Kinderleben “, dass jeder in eine frühzeitige Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern investierte Euro im Lebensverlauf ein Vielfaches an Folgekosten einspart. Prävention braucht aber eine Infrastruktur für Kinder und ihre Familien. Der 2010 geschlossene „Pakt für Prävention“ hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, neue Aktivitäten zu entwickeln, vorhandene Aktivitäten zu vernetzen und besser abzustimmen (Pressemitteilung vom 23.06.2010). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Schlüsselfunktion nimmt der öffentliche Gesundheitsdienst in Hamburg konkret bei der Prävention von Lebenswelten in den jeweiligen Bezirken und Stadtteilen ein? Bitte mit aktuellen Beispielen und Zielen unterlegen. Der öffentliche Gesundheitsdienst in Hamburg nimmt insbesondere für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen – also in den Lebenswelten Familie, Kindertagesstätte und Schule – eine Schlüsselfunktion ein. Ein spezielles Augenmerk gilt den benachteiligten , besonders belasteten oder schutzbedürftigen Familien und ihren Kindern. Dies dokumentiert sich in den §§ 2 und 7 des Gesundheitsdienstgesetzes (GDG). Gesundheitliche Vorsorge, Früherkennung von Krankheiten sowie Erhalt und Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sollen dazu beitragen, dass den Säuglingen und Kindern ein gesundes Aufwachsen in Hamburg ermöglicht wird. Zur Erreichung dieser präventiven Ziele bietet der ÖGD eine Reihe von Regelangeboten im Rahmen der bezirklichen Mütterberatungen, der Schulärztlichen, Schulzahnärztlichen sowie der Jugendpsychiatrischen Dienste an. - Im Rahmen der Mütterberatung werden Sorgeberechtigte in Fragen der Pflege, Ernährung und Entwicklung ihres Kindes unterstützt. Ärztinnen oder Ärzte des Kin- Drucksache 21/305 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der- und Jugendgesundheitsdienstes beziehungsweise Kinderkrankenschwestern bieten beispielsweise Sprechstunden, Untersuchungen, Hausbesuche, Informationen zur Kariesprophylaxe und Impfungen, Beratungen über Eltern-Kind-Kuren und ähnliches an. Die Mütterberatungsstellen der Bezirke arbeiten hierbei eng im Rahmen des Landesprogramms „Guter Start für Hamburgs Kinder“ mit dem Hamburger Hilfesystem zusammen. - Im Schulärztlichen Dienst besteht das Ziel, mit Blick auf die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern die bestmöglichen Voraussetzungen für einen Schulbesuch zu schaffen und gesundheitlichen Gefährdungen vorzubeugen. - Zur Verbesserung der Zahngesundheit werden in Kindertagesstätten und Schulen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder angeboten. Im Falle von Kariesrisiken wird zum Beispiel ein spezielles Fluoridierungsprogramm zur Zahnschmelzhärtung angeboten. - Ein besonderer Schwerpunkt liegt außerdem im Infektionsschutz. Dazu hält der ÖGD spezielle Impfangebote vor, um bestehende Impflücken zu den Standardimpfungen speziell bei Kindern und Jugendlichen zu schließen. Darüber hinaus spielt der ÖGD eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Hamburger Programms „Frühe Hilfen – Guter Start für Hamburgs Kinder“. Dieses Programm zielt darauf ab, frühkindliche Entwicklungsbedarfe des Kindes, aber auch Unterstützungsbedarf der Familien frühzeitig zu erkennen, und – soweit erforderlich – die Familie in wohnortnahe Unterstützungsangebote zu vermitteln. Dies geschieht durch das Knüpfen von Präventionsketten im Rahmen eines umfangreichen Hilfesystems wie den niedergelassenen Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten, den örtlichen Mütterberatungsstellen sowie wohnortnahen Familienteams (vergleiche auch www.fruehehilfenhamburg .de/). Eine weitere wichtige Funktion hat der ÖGD im Pakt für Prävention (http://www.hamburg.de/pakt-fuer-praevention/), der sich in verschiedenen Lebenswelten Schwerpunkte gesetzt hat. Darüber hinaus ist zu verweisen auf das Kommunale Gesundheitsförderungsmanagement (KGFM) in den Hamburger Bezirksämtern. Dazu gehören Gesundheitsberichterstattung, Durchführung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen und Gesundheitskonferenzen. Über einen integrierten kommunalen Handlungsansatz und den Aufbau eines multiprofessionellen Netzwerks der Akteure vor Ort sollen zum Beispiel positive Entwicklungsbedingungen für Kinder und deren Familien gefördert werden. Abgesehen von der Arbeit in den Mütterberatungsstellen und dem Frühe-HilfenSystem sind als präventive Maßnahmen des ÖGD auf bezirklicher Ebene einige weitere Beispiele zu benennen, die das Ziel haben, mit einem lebensweltorientierten Ansatz zur Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung beizutragen: - Im Bezirk Hamburg-Mitte wird im Rahmen des Paktes für Prävention beispielsweise das Projekt „Gesund Aufwachsen in Rothenburgsort“ durchgeführt. Die Weiterentwicklung einer Gesundheits- und Präventionskette soll das gesunde Aufwachsen verbessern. - Für den Bezirk Altona sind beispielhaft die Bewegungsförderungsprojekte der AG Bewegung und der Altonaer Gesundheits- und Pflegekonferenz anzuführen. Es handelt sich um gesundheitsförderliche Aktivitäten in den Quartieren bestimmter Altonaer Stadtteile. - Der Bezirk Eimsbüttel führt zum Beispiel Angebote zur gesundheitlichen Aufklärung dem Bedarf der Stadtteilbewohner entsprechend durch. - Im Bezirk Hamburg-Nord werden gesundheitsfördernde Angebote im RISE-Gebiet Essener Straße koordiniert und implementiert. 2. Gibt es einen verbindlichen Personalschlüssel zur Besetzung aller Stellen und Funktionen für Hamburgs Gesundheitsämter? Woran bemisst er sich, zum Beispiel Arzt, Ärztin je Schüler/-in, Mütterberatungsschwestern je Familienbedarf im Bezirk, im Stadtteil et cetera? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/305 3 Nein. Den Bezirksämtern obliegt im Rahmen des Personalkostenbudgets die gegebenenfalls erforderliche Prioritätensetzung für eine bestmögliche Wahrnehmung und Organisation der Aufgaben und des Einsatzes der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel . 3. In wie vielen Bezirken in Hamburg gibt es einen BabybegrüßungsHausbesuch wie im Bezirk Hamburg-Mitte? Wie bewertet der Senat die Arbeit des Hausbesuchsdienstes als Teil der Frühen Hilfe? In allen sechs weiteren Bezirken in Hamburg gibt es Babybegrüßungs-Hausbesuche ähnlich wie im Bezirk Hamburg-Mitte. Diese werden teilweise allen Neugeborenen des Bezirkes, teilweise selektiv angeboten und erfolgen im Kontext der Frühen Hilfen. Zur Bewertung der Arbeit des Hausbesuchsdienstes als Teil der Frühen Hilfen siehe Drs. 20/12881. 4. Wie viel Personal mit welcher Qualifikation ist notwendig für den Babybegrüßungsdienst für alle Bezirke und Stadtteile für Hamburg? Wie hoch wären/sind die Kosten dafür? In Hinblick auf die Qualifikation handelt es sich in der Regel um Kinderkrankenschwestern , gegebenenfalls mit einer Zusatzqualifikation als (Familien-)Gesundheitsund Kinderkrankenschwester. Vor dem Hintergrund, dass derzeit Baby-Hausbesuche in den Bezirken in unterschiedlichem Umfang angeboten werden und sowohl integriert in die Arbeit der Mütterberatungsstellen der Bezirksämter als auch im Kontext der Frühen Hilfen erfolgen, ist eine Angabe zu Personalbedarf und Qualifikation sowie eine genaue Bezifferung der Kosten für flächendeckende Babybegrüßungs-Hausbesuche nicht möglich. 5. Wie werden die Früherkennungsuntersuchungen in Hamburg für Kinder der U1 bis U9 (einschließlich der 7a) wahrgenommen? Bitte die Entwicklungstendenz der einzelnen Altersgruppen/Lebensmonate der letzten drei Jahre aufzeigen. Auf Grundlage der vorgelegten Untersuchungshefte bei den Schulärztlichen Untersuchungen 2012 bis 2014 ergeben sich die in der nachfolgenden Tabelle berechneten Teilnahmequoten für die Kindervorsorgeuntersuchungen U1 bis U9: Kindervorsorgeuntersuchung 2012 (in %) 2013 (in %) 2014 (in %) U1 (unmittelbar nach Geburt) 96,0 96,3 95,9 U2 (3. – 10. Lebenstag) 95,7 96,2 95,7 U3 (4. – 6. Lebenswoche) 95,5 95,8 95,5 U4 (3. – 4. Lebensmonat 94,8 95,1 94,7 U5 (6. – 7. Lebensmonat) 94,0 94,5 94,3 U6 (10. – 12. Lebensmonat) 94,1 94,2 94,6 U7 (21. – 24. Lebensmonat) 92,5 92,6 92,7 U7a (34. – 36. Lebensmonat)* 37,2 56,9 63,8 U8 (43. – 48. Lebensmonat) 89,4 89,8 90,4 U9 (60. – 64. Lebensmonat) 90,7 91,2 91,6 *) Die U7a wurde am 1. Juli 2008 eingeführt. Sie wird zwar zunehmend besser, aber immer noch deutlich weniger angenommen als alle anderen Vorsorgeuntersuchungen und muss weiter bekannt gemacht werden. Zu diesem Zweck hat die BGV eine Kampagne zur Bewerbung der Kindervorsorgeuntersuchungen gestartet (vergleiche auch www.hamburg.de/ u-untersuchungen/4406368/kampagne-u7a/).