BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3060 21. Wahlperiode 05.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 28.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Wird die ärztliche Schweigepflicht von der Justizbehörde mit Füßen getreten? Die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht ist ein hohes Gut und ein wesentlicher Pfeiler für ein stabiles und vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis . Ein Patient muss sich darauf verlassen können, dass Informationen nicht durch den Arzt an Dritte weitergegeben werden. Die Schweigepflicht gilt grundsätzlich über den Tod hinaus. Ausnahmen sind nur die Entbindung durch den Patienten selbst oder gesetzliche Vorschriften, die eine Entbindung erlauben oder sogar vorschreiben. Die Schweigepflicht gilt selbstverständlich auch bei der Behandlung inhaftierter Personen und darf nur aus sehr schwerwiegenden Gründen durchbrochen werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur Aufklärung der Anwendungspraxis der Nachtmedikation und für die Entscheidung über den damit verbundenen Personaleinsatz war es für die zuständige Behörde als Aufsichtsbehörde erforderlich, sich einen Überblick über die entsprechenden Medikamente zu verschaffen. Dabei war unter anderem zu berücksichtigen, ob es sich um Medikamente handelt, die dem subkulturellen Handel in der Anstalt dienen können und daher zwingend unter Sicht einzunehmen sind. Ebenso war zu klären, ob der Pflegedienstbereich außerhalb der normalen Dienstzeiten in der JVA Billwerder ausreichend personell ausgestattet ist. In diesem Zusammenhang war auch zu prüfen, ob Untersuchungsgefangene, bei denen bereits in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg eine Nachtmedikation verordnet worden ist, grundsätzlich in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg verbleiben müssen und nicht mehr in die JVA Billwerder verlegt werden, um dort die Anzahl der Ausgabe von Medikamenten während des Nachtdienstes aus Gründen der Sicherheit und Ordnung deutlich zu reduzieren. Als Ergebnis der Prüfung wurde ein weiterer Dienstposten in der Ambulanz für die Ausgabe der Nachtmedikation durch den Krankenpflegedienst in der JVA Billwerder eingerichtet sowie eine Verlegung von Untersuchungsgefangenen mit einer Nachtmedikation aus der Untersuchungshaftanstalt in die JVA Billwerder unterbunden. Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Wurde in den letzten Monaten von Mitarbeitern des Strafvollzugsamtes eine vom medizinischen Personal auszufüllende Liste erstellt, in der teils anonymisiert, teils mit Namensnennung diejenigen Patienten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder aufgelistet werden sollten, die nach Drucksache 21/3060 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ärztlicher Verordnung Medikamente zur Nacht unter Sicht bekommen sollten? Wenn ja, a) wer hat diese Liste veranlasst? b) von wem wurde die Liste erstellt? c) an welcher Stelle kann diese Liste eingesehen werden, um ihre Vereinbarkeit mit der ärztlichen Schweigepflicht zu überprüfen? d) aus welchen Gründen sollten alle verordneten Medikamente unabhängig von der Art und der Ausgabezeit aufgeführt werden? Die für die Justizvollzugsanstalten Aufsicht führenden Abteilung der zuständigen Behörde hat über die Anstaltsleitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder eine Aufstellung der verordneten Medikamente abgefordert. Dabei wurde zunächst die Medikamentenausgabe allgemein abgefragt und es wurden auch Angaben zur Beteiligung von Untersuchungsgefangenen erbeten. Vor Übermittlung der Angaben wurde unter Mitwirkung des medizinischen Personals der Gegenstand weiter konkretisiert, um den Anforderungen des Patientendatenschutzes und dem Schutz des Arzt- Patienten-Verhältnisses uneingeschränkt Rechnung zu tragen. Ein in der JVA Billwerder tätiger Facharzt sowie eine Ambulanzmitarbeiterin der JVA Billwerder übermittelten im Ergebnis eine vollständig anonymisierte Liste, in der die Anzahl der Nachtmedikationen und die Bezeichnung der ausgegebenen Präparate aufgeführt wurden. Darüber hinaus wurden der Liste allgemein gehaltene Angaben über die aufgrund der Wirkstoffe notwendigen Einnahmezeitpunkte beigefügt. Die Liste liegt der zuständigen Behörde vor. Über die Möglichkeit einer Einsichtnahme wird bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags einzelfallbezogen entschieden. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2) Trifft es zu, dass das Krankenpflegepersonal und die zuständigen Ärzte die Erstellung dieser Liste unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht verweigert haben, da durch die geforderten Angaben nicht nur die namentlich aufzuführenden Patienten, sondern auch die anonymisierten Personen rasch zu identifizieren gewesen wären? Siehe Antwort zu 1). 3) Trifft es zu, dass diesem Krankenpflegepersonal und den zuständigen Ärzten ausdrücklich dienstrechtliche Konsequenzen angedroht wurden, wenn diese sich weiterhin weigern würden, die Liste auszufüllen? Um eine sachgerechte Erkenntnisgrundlage zu erhalten, hat die für die Justizvollzugsanstalten Aufsicht führende Abteilung der zuständigen Behörde die rechtlichen Rahmenbedingungen der Übermittlung der zu Aufsichtszwecken erforderlichen Daten umfassend mit den beteiligten Bediensteten erörtert. 4) Wurde als Folge dieser Auseinandersetzung ein Krankenpfleger der JVA Billwerder versetzt? Wenn ja, a) mit welcher Begründung? b) welche Position hatte dieser Mitarbeiter vor seiner Versetzung inne? c) auf welche Stelle wurde dieser Mitarbeiter versetzt? Nein. 5) Wurde als Folge dieser Auseinandersetzung ein Anstaltsarzt der JVA Billwerder versetzt? Wenn ja, a) mit welcher Begründung? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3060 3 b) welche Position hatte dieser Anstaltsarzt vor seiner Versetzung inne? c) auf welche Stelle wurde dieser Anstaltsarzt versetzt? Nein. 6) Von welcher Person wurde die oben genannte Liste ausgefüllt und an Strafvollzugsamt übergeben? Siehe Antwort zu 1). 7) Trifft es zu, dass genau diese Person, die die geforderte Liste ausgefüllt hatte, anschließend mit der Leitung beziehungsweise stellvertretenden Leitung der medizinischen Ambulanz der JVA Billwerder beauftragt wurde ? Zwischen dem Erstellen der Liste und der Übertragung der Aufgaben der stellvertretenden Leitung besteht kein sachlicher Zusammenhang. Die mittlerweile als stellvertretende Leiterin der Ambulanz eingesetzte Mitarbeiterin hat bereits zuvor aufgrund der längeren krankheitsbedingten Abwesenheit des damaligen stellvertretenden Ambulanzleiters bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des Monats August 2015 kommissarisch entsprechende Leitungsaufgaben wahrgenommen. Nach dessen Eintritt in den Ruhestand wird die Bedienstete nunmehr, wie seit längerer Zeit vorgesehen, amtsangemessen als stellvertretende Ambulanzleiterin eingesetzt . 8) Trifft es zu, dass vonseiten des Strafvollzugsamtes und von anderen Stellen auf das Ausfüllen der Liste unter fortgesetzter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen bestanden wurde, obwohl die Notwendigkeit der Verordnung „Ausgabe zur Nacht unter Sicht“ mehrfach von ärztlicher Seite erklärt und begründet sowie eine Überprüfung angeboten wurde? Zur Aufklärung der Anwendungspraxis der Nachtmedikation und für die Entscheidung über den damit verbundenen Personaleinsatz bedurfte es eigener Erkenntnisse der für die Justizvollzugsanstalten Aufsicht führenden Abteilung der zuständigen Behörde. Im Übrigen siehe Antwort zu 3). 9) Welches Wissen und welche Konsequenzen sollten aus der Liste gezogen werden und von wem? Siehe Vorbemerkung. 10) Sollte auf Basis dieser Liste die Medikation vonseiten der Verwaltung beeinflusst oder verändert werden? Nein.