BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3074 21. Wahlperiode 05.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 29.01.16 und Antwort des Senats Betr.: Identitätsfeststellung bei Ausländern Nach Presseberichten sind Polizeibeamte in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr über eine Leitlinie angewiesen worden, Straftaten wie Diebstahl und Sachbeschädigung, die von Ausländern, deren Identität nicht bekannt ist, begangen werden, nicht zu verfolgen beziehungsweise die Verfolgung massiv einzuschränken, weil die Feststellung der Identität der Täter zu aufwendig und oft erfolglos sei. Zudem werde bei Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht nur eingeschränkt oder gar nicht ermittelt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde in den vergangenen Jahren Leitlinien oder ähnliche Orientierungshilfen zum Umgang mit von Ausländern begangenen Straftaten, auch im Bereich des Aufenthaltsrechts , erlassen oder zumindest mündlich verbreitet? Wenn ja, wann und welche? Am 16. September 2015 ist vom Justiziariat der Polizei Hamburg in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Hamburg und dem Amt für Innere Verwaltung und Planung der Behörde für Inneres und Sport die JL-Anweisung 2015-1 erstellt worden. Diese beinhaltet ausschließlich Anweisungen im Umgang mit Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hinsichtlich Flüchtlingen, die aus Ungarn über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Verstöße gegen anderweitige Strafvorschriften bleiben hiervon unberührt. Die Anweisung regelt den Umfang der polizeilichen Maßnahmen im Rahmen einer Einzelfallprüfung bezogen auf die jeweilige Antreffsituation: Kommen Flüchtlinge in größeren Gruppen insbesondere im Rahmen einer behördlich gesteuerten Weiterreise zu einer bestimmten Aufnahmeeinrichtung in oder außerhalb Hamburgs, kann von polizeilichen Sofortmaßnahmen wegen eines möglichen Verstoßes nach § 95 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 AufenthG zunächst abgesehen werden. Die erforderliche Registrierung dieser Flüchtlinge wird in der Regel in den Aufnahmeeinrichtungen erfolgen, in deren Nachgang mögliche Verstöße nach dem AufenthG geprüft werden können. Im Fall des Antreffens kleinerer Gruppen oder einzelner Flüchtlinge ist kurz zu prüfen, ob aufgrund konkreter Umstände mit der baldigen Registrierung der Flüchtlinge gerechnet werden kann. Ist dies zu bejahen, kann wegen eines möglichen Verstoßes nach § 95 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 AufenthG von polizeilichen Sofortmaßnahmen zunächst abgesehen werden. In allen übrigen Antreffsituationen, die sich nicht unter die beiden oben aufgeführten Fallvarianten subsumieren lassen beziehungsweise im Zusammenhang mit einem anderen Anlass stehen (Mischsachverhalte), ist die jeweilige Person zu kon- Drucksache 21/3074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 trollieren und ihre Berechtigung zum Aufenthalt zu prüfen. Erforderlichenfalls sind Folgemaßnahmen in Abstimmung mit der zuständigen kriminalpolizeilichen Dienststelle vorzunehmen beziehungsweise einzuleiten. Darüber hinaus verweist die JL-Anweisung auf die nur für den Dienstgebrauch bestimmte Polizeidienstvorschrift (PDV) 350 (Hamburg), in der die allgemeinen polizeilichen Maßnahmen und Zuständigkeiten bei Ausländerangelegenheiten geregelt sind. Die PDV 350 wird regelmäßig an Gesetzesänderungen angepasst. 2. Wie geht die Polizei in Hamburg vor, wenn sie einen Ausländer antrifft, der sich bei einer Überprüfung nicht ausweisen kann? Ausländer unterliegen ausweisrechtlichen Pflichten. Sie sind verpflichtet, einen Pass oder ein anderes anerkanntes Identitätsdokument besitzen (§ 3 AufenthG, §8 Absatz 1 Nummer 2 FreizügG-EU). Darüber hinaus benötigen sie gemäß § 4 AufenthG einen Aufenthaltstitel, sofern nicht durch das Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist. Erfüllt der Ausländer eine der Voraussetzungen nicht oder ergeben sich Zweifel an seiner Identität, an der Richtigkeit oder Echtheit des vorgelegten Dokuments, besteht grundsätzlich der Verdacht eines illegalen Aufenthaltes und somit einer Straftat gemäß § 95 AufenthG. In diesen Fällen werden von der Polizei gemäß der Strafverfolgungspflicht immer strafrechtliche und strafprozessuale Maßnahmen eingeleitet. Der Person ist der Verdacht des illegalen Aufenthaltes zu eröffnen und sie ist anschließend einer Polizeidienststelle für die weitere Identitätsfeststellung nach § 163b/§ 81b StPO zuzuführen. Strafprozessuale Maßnahmen werden gegebenenfalls darüber hinaus erforderlich, wenn der Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit Anlass der Überprüfung des Ausländers gewesen ist. 3. Wie geht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde vor, wenn ein Ausländer sich weigert, zur Feststellung seiner Identität beizutragen? Beim Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 95 AufenthG und nicht feststehender Identität erfolgt eine erkennungsdienstliche Behandlung des Ausländers gemäß § 81b StPO. Diese kann auch mit Zwang erfolgen. Über die der Polizei zur Verfügung stehenden Auskunftsdateien POLAS/INPOL/ EURODAC und Schengener Informationssystem (SIS) können dann mögliche Personalien ermittelt werden. Sollte bei diesen Abfragen kein Ergebnis erzielt werden, wird der Beschuldigte im Auskunftssystem der Polizei Hamburg mit den erlangten erkennungsdienstlichen Daten wie Fingerabdrücken und Lichtbild als „unbekannte Person“ geführt. 4. In wie vielen Fällen weigerte sich ein Ausländer im vergangenen Jahr, zur Feststellung seiner Identität beizutragen? Die erfragten Daten werden bei der Polizei statistisch nicht erfasst. Zur Beantwortung dieser Frage müssten sämtliche ausländerrechtlichen Vorgänge des vorangegangenen Jahres händisch ausgewertet werden. Die Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.