BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3081 21. Wahlperiode 09.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ludwig Flocken (AfD) vom 01.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Hamburgs osteuropäische Städtepartnerschaften Hamburg als weltoffene Stadt des internationalen Handels, mit dem drittgrößten Hafen Europas, ist auf gute Beziehungen zu anderen Nationen angewiesen . Durch die Sanktionspolitik der EU sank allerdings der Handel mit Russland 2015 um 35 Prozent („Hamburger Abendblatt“ vom 29.12.2015). Der Hafen von Sankt Petersburg ist für Hamburg der wichtigste Hafen im Seecontainerverkehr mit Russland. Etwa 95 Prozent des über Hamburg direkt laufenden Russlandverkehrs wird über den Seehafen St. Petersburg, Russlands „Fenster nach Europa“ abgewickelt (Pressemitteilung HH 17.9.2015). Anlässlich des Besuches unseres Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz in Sankt Petersburg wurde am 17.9.2015 ein Protokoll zu Fragen der Städtepartnerschaft und zum Ausbau der bilateralen Beziehungen mit dem Gouverneur von St. Petersburg, Herrn Georgij Poltawtschenko, unterzeichnet. Hierbei verpflichteten sich beide Seiten im Rahmen der Zusammenarbeit günstige Bedingungen für die Zusammenarbeit auf vielen Gebieten (Wirtschaft , Wissenschaft, Kultur, Sozialpolitik …) zu fördern. Andererseits müssen wir feststellen, dass unter anderem durch die Ukrainekrise und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland diese Beziehungen der EU zu Russland aktuell angespannt und eher konfrontativ sind. Prof. Dr. Peter W. Schulze (Institut für Politikwissenschaft der Georg August Universität Göttingen) schreibt dazu unter anderem: „Die insbesondere von einigen mitteleuropäischen und baltischen Staaten beschworene Kriegsgefahr (Anmerkung : mit Russland) dient eher innenpolitischen Zwecken und sucht außenpolitisch die EU für eine stärker auf Konfrontation mit Russland ausgerichtete Politik zu instrumentalisieren. Im Hintergrund agieren die USA. Die so skizzierte Lage tangiert ebenfalls die Handlungsoptionen einer mehr europäischen und deutschen Interesses verpflichteten Russlandpolitik Berlins . Die Folgen dieser Konfrontationspolitik sind nicht nur in den außen- und sicherheitspolitischen Beziehungen als Eiszeit oder als Beginn eines neuen Kalten Krieges zu beobachten. Sie haben in Mitgliedsstaaten der EU und in Russland die gesellschaftliche Basis für Verständigungen fundamental ausgehöhlt . Neue Feindbilder sind entstanden. Die nahezu einträchtige Beziehung zwischen der deutschen und russischen Gesellschaft ist zerbrochen und hat abstrusen Polemiken Platz gemacht. Drucksache 21/3081 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aufgrund der aufgeheizten Atmosphäre vollzieht sich ein tiefgreifender Paradigmenwechsel in beiden Gesellschaften.“ Eckhard Cordes, der Vorstand des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft , schreibt dazu: „Das Vertrauensverhältnis zwischen Berlin und Moskau ist angeschlagen. Es ist aber immer noch das beste Arbeitsverhältnis mit Russland, das es im Westen gibt – dank der deutschen „Ostpolitik“. Nicht im Verhältnis zu Russland ist dieser Politikansatz demnach gescheitert, sondern allenfalls im Verhältnis zu den Partnern im Westen, die nicht bereit waren, auf Projekte wie die NATO-Osterweiterung, auf Alleingänge im Irak oder in Libyen und Raketenbasen in Osteuropa zu verzichten und das Konzept der Östlichen Partnerschaft mit und nicht ohne Russland zu entwickeln.“ Selbstverständlich hat der Senat Recht, wenn er in Drs. 21/2887 darauf hinweist , dass gemäß Artikel 32 GG die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes ist. Aber der Senat hat im Bundesrat mit seinen drei Vertretern Stimmrechte und Einfluss, die er nutzen kann, um die derzeitige Konfrontation abzumildern und die gutnachbarlichen Beziehungen zu Russland nicht abreißen zu lassen und die Interessen unserer Freien und Hansestadt Hamburg an partnerschaftlichen Beziehungen zu Russland und Sankt Petersburg zu befördern. Das ist Hamburg schon einmal gelungen, den Konfrontationskurs einer Bundesregierung zwar nicht grundlegend zu ändern, den Schaden jedoch deutlich abzumildern, denn genau das war es, was die Städtepartnerschaft mit St. Petersburg, die im Juni 1957, gegen den erklärten Willen von Bundeskanzler Adenauer, auf Betreiben des Ersten Bürgermeisters Kurt Sieveking darstellte . Sieveking (SPD) setzt zu Zeiten des kalten Krieges und trotz der noch sehr schmerzhaften Erinnerungen an den Krieg ein gelungenes Zeichen der Versöhnung mit der damaligen Sowjetunion, von dem beide Städte und mittelbar beide Staaten in vielerlei Hinsicht profitierten. Die vom Ersten Bürgermeister im September 2015 vereinbarte Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Sankt Petersburg kann aber nur funktionieren, wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür günstig sind. Vor diesem Hintergrund frage ich deshalb den Senat: Anders als vom Fragesteller angenommen war der Erste Bürgermeister von 1953 – 1957, Kurt Sieveking, nicht Mitglied der SPD, sondern der CDU. Siehe Drs. 21/2887. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Hat der Senat aktuelle Prognosen über die Auswirkungen der europäischen Sanktionspolitik auf Handel und Hafen in Hamburg für das Jahr 2016? a. Wenn ja: Fügen Sie bitte diese Prognosen als Schriftstück der Antwort bei. b. Wenn nein: Welche Erwartungen hat der Senat für Hafen und Russlandhandel der Hansestadt Hamburg in 2016? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Haben der Senat und der Erste Bürgermeister sich bemüht, über die Städtepartnerschaft zu St. Petersburg einen Ausgleich zum EU-Konfrontationskurs zu schaffen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3081 3 a. Wenn ja: Welche diesbezüglichen Maßnahmen wurden ergriffen und was haben sie bewirkt? b. Wenn nein: Warum wurden die Möglichkeiten, die Städtepartnerschaften bieten, durch den Senat bislang ungenutzt gelassen? 3. Beabsichtigt der Senat in Zukunft, die bestehende Städtepartnerschaft als Möglichkeit zu nutzen, den durch den europäischen Konfrontationskurs entstehenden Schaden zu begrenzen? a. Wenn ja: Welche Maßnahmen sind geplant? Welche sind bereits konkretisiert? b. Wenn nein: Warum beabsichtigt der Senat nicht, bestehende Städtepartnerschaften zu nutzen, um die unter den europäischen Nachbarn rasant wachsende Abneigung gegen Deutschland zu mildern? 4. Welche weiteren Möglichkeiten über die bestehenden Städtepartnerschaften hinaus sieht der Senat, dem für Hamburg schädlichen europäischen Konfrontationskurs mit Russland, zum Beispiel durch eine Bundesratsinitiative , entgegenzuwirken? Siehe Vorbemerkung.