BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3130 21. Wahlperiode 09.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlef Ehlebracht und Dr. Bernd Baumann (AfD) vom 03.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Planungswirrwarr in der Shanghaiallee – Wie sinnvoll geplant war die Radverkehrsführung? Über den Bau des Fahrradschutzstreifens auf der Fahrbahn der Shanghaiallee ist bereits an verschiedenen Stellen berichtet worden. Er war auch Gegenstand parlamentarischer Initiativen sowohl auf Bezirks- als auch auf Landesebene. Anlass der Initiativen war die im Nachhinein geplante Verlegung des im Frühjahr 2012 teilweise fertiggestellten Radwegs. Die federführende Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) begründet die Baumaßnahmen zur Errichtung des Fahrradschutzstreifens auf der Fahrbahn in der Shanghaiallee mit der zum 1. September 2009 wirksamen rechtlichen Neufassung der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsbehördlicher Vorschriften. „Demnach ist es auch an Hauptverkehrsstraßen in Hamburg möglich, Radfahrer auf der Fahrbahn in Radfahr- oder Schutzstreifen zu führen“, so die BSU in einem Schreiben vom 26. Februar 2014. Der Bund der Steuerzahler dokumentiert in seinem aktuellen Schwarzbuch 2015 bundesweit Fälle mit unwirtschaftlichem und verschwenderischem Umgang mit Steuern und Abgaben. Weiter führt der Steuerzahlerbund in einer Pressemitteilung vom 30. September 2015 zu den Baumaßnahmen in der Shanghaiallee aus: „Für den aufmerksamen Steuerzahler ist es jedoch zum einen nicht nachvollziehbar, warum ein Radweg trotz neuer vom Gesetz zugelassener Möglichkeiten auf Grundlage alter Vorgaben fertiggebaut wird, um ihn dann kurz darauf wieder zu verlegen. Zum anderen hätten die Verantwortlichen diese 444.000 Euro besser in diejenigen Radwege im Stadtstatt investieren sollen, die für die Nutzer deutlich gefährlicher sind als bei der für alle Verkehrsteilnehmer übersichtlichen Shanghaiallee.“ Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1) Welche Behörde, Gremien oder sonstige Institutionen/Personen haben darüber entschieden, den 2012 fertiggestellten Radweg auf dem Gehweg in der Shanghaiallee zu errichten? Welche Rechtsgrundlage war maßgebend und inwieweit ist diese weiterhin gültig? Die Rechtswirksamkeit wird über ein Verschickungsverfahren mit Zustimmungserfordernissen hergestellt (siehe Drs. 20-4886). Daran waren unter anderem das Bezirksamt Hamburg-Mitte, die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW), die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI), der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) sowie Leitungsträger beteiligt. Drucksache 21/3130 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 a) Wann ist mit der Planung und dem Bau des Radweges begonnen worden? Zu welchem Zeitpunkt erfolgte die Einstellung der Baumaßnahme ? Mit der Planung wurde im Jahr 2004 begonnen. Die Baumaßnahmen wurden nicht eingestellt, sondern erfolgten planmäßig zunächst in einer sogenannten 1. Baustufe, das heißt überwiegend ohne Nebenflächenbefestigung, mit provisorischer Bordanlage und Bepflanzung sowie ohne die endgültige Fahrbahndecke, bis nach Fertigstellung der Gebäude die Straße in endgültiger Form hergestellt wird. b) Welche Straßenabschnitte der Shanghaiallee waren für den Radweg vorgesehen? Zu welchem Zeitpunkt sollte die Fertigstellung des gesamten Geh- und Radweges erfolgen? Zum Zeitpunkt der Herstellung der 1. Baustufe 2006 wurden die Nebenflächen der gesamten Shanghaiallee in erforderlicher Breite zur Integration eines Radweges provisorisch hergestellt. Die endgültige Herstellung der Straßennebenflächen erfolgt in der HafenCity immer dann, wenn der Abschluss der Hochbauvorhaben dies sinnvoll macht. Insofern ist die Herstellung der Straßennebenflächen immer abhängig von der zeitlichen Fertigstellung der Hochbauten und nicht exakt festgelegt. Im Übrigen siehe Drs. 20/12723. 2) Mit welchen Kosten hat der Senat für den gesamten Geh- und Radweg gerechnet? Bitte getrennt nach Geh- und Radweg beziffern. Falls keine Daten vorliegen, bitte schätzen. Bei der Umlegung der Gesamtbaukosten der Shanghaiallee auf einer Länge von rund 500 m würden sich Nettobaukosten für den Radweg in Höhe von rund 300.000 Euro, für den Gehweg rund 980.000 Euro ergeben. 3) Entspricht es der Tatsache, dass die bisherigen Kosten des zu 31 Prozent fertiggestellten westlichen Geh- und Radwegs 110.000 Euro betragen ? Die westlichen Nebenflächen vor den Hausnummern 6 – 14 bilden 31 Prozent der von den Umplanungen betroffen Flächen. Die Kosten für die Herstellung beliefen sich auf circa 109.000 Euro (netto). a) Wenn nein, wie beziffern sich die Kosten getrennt nach Geh- und Radweg und zu welchem Teil ist der Radweg auf dem Gehweg bereits fertiggestellt? Entfällt. 4) Warum wurde die ursprüngliche Radverkehrsführung in Form eines Radweges auf dem Bürgersteig nicht beibehalten? a) Inwiefern wurde der bis dahin geleistete finanzielle Aufwand für den Radweg bei der Entscheidungsfindung, diesen zu verlegen, berücksichtigt ? b) Welche Kriterien entscheiden maßgeblich darüber, ob ein Radweg oder ein Fahrradschutzstreifen an einer Stelle errichtet wird? Radfahrer, die auf baulich getrennten Radwegen in den Nebenflächen geführt werden, werden oftmals von Kfz-Lenkern im Kreuzungsbereich nicht als Verkehrsteilnehmer wahrgenommen. Die neue Gestaltung der Shanghaiallee von der Shanghaibrücke bis zur Überseeallee wirkt dieser Entwicklung entgegen. Mit ihr wird eine (weitgehende) nachträgliche Vereinheitlichung der Fahrradverkehrsführung in der HafenCity erreicht. Mit der Umplanung der Shanghaiallee und der Vermeidung eines Systemwechsels im Nahbereich der HafenCity Universität im Verknüpfungsbereich der Straßen Shanghaiallee und Überseeallee/Versmannstraße wird die spezifische Verkehrssicherheit in den zukünftig intensiv von Fahrradfahrern genutzten Bereichen deutlich erhöht. Zudem wird an der Shanghaiallee die allgemeine Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer erhöht. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3130 3 Gleichzeitig bietet die geänderte Radverkehrsführung wesentliche Vorteile, den Straßenraum im Sinne der urbanistischen Qualität der HafenCity zu steigern. Die bisherigen Breiten der Nebenflächen mit den Radwegen neben den Gehwegen in der Shanghaiallee führen zu Nebenflächenbreiten von 7,75 – 8,75 m. Durch die Verlegung des Radverkehrs in einen Radfahrstreifen ist eine maximale Breite der Straßennebenflächen von 6 m möglich, was eine direkte Anleiterbarkeit der Gebäude für die Feuerwehr aus dem Straßenraum zulässt. Das wiederum ermöglicht, dass in den Seitenstreifen zwischen den Baum- und Laternenstandorten entlang des Gehwegs auch Parkstände (vorgesehen mit Parkraumbewirtschaftung) für Besucher und Kunden, Anlieferzonen für die Geschäfte und Fahrradständer im öffentlichen Raum wie in der übrigen HafenCity angeordnet werden können. 5) Welche technischen und rechtlichen Anforderungen muss ein Radweg generell erfüllen? a) Inwieweit treffen diese Anforderungen nicht auf den Radweg auf der Shanghaiallee zu? Die technischen und rechtlichen Anforderungen für Radwege sind in der Straßenverkehrsordnung (StVO) sowie in den Planungshinweisen für Stadtstraßen, Teil 9 – Anlagen des Radverkehrs für die Freie und Hansestadt Hamburg, geregelt. Die Rahmenbedingungen haben sich 2009 mit der Novellierung der StVO geändert. Der Radfahrstreifen ist grundsätzlich als sicherer und attraktiver anzusehen und aus wirtschaftlichen Gründen vorzuziehen. 6) Da seitens Politik, Behörden und Medien unterschiedliche Begriffe verwendet werden, hier die Frage, wie die offizielle Bezeichnung für Radwege lautet, die nicht auf der Straße errichtet wurden und für Radwege, die als Fahrbahnmarkierung auf der Straße gekennzeichnet sind. a) Gibt es weitere Unterscheidungsmerkmale, die zu den verschiedenen Bezeichnungen führen, als der Umstand, dass der eine Radweg sich auf der Straße befindet und der andere nicht? Radwege Der Radverkehr wird auf den Nebenflächen auf Radwegen getrennt vom Gehweg geführt. Schutzstreifen Schutzstreifen für den Radverkehr werden durch Aufbringen einer Leitlinie (unterbrochene Markierung) am Fahrbahnrand gekennzeichnet. Radfahrstreifen Radfahrstreifen sind Sonderstreifen für den Radverkehr auf der Fahrbahn. Gemeinsame Geh- und Radwege Fußgänger- und Radverkehr teilen sich gleichberechtigt die Nebenflächen. Servicelösung Der Gehweg wird durch das Verkehrszeichen 239 (Gehweg) mit dem Zusatzzeichen 1022-10 (Radverkehr frei) für den Radverkehr freigegeben. 7) Warum hat die federführende Behörde den Bau des Radfahrweges, nach Inkrafttreten der veränderten Rechtslage von 2009, nicht gleich als Fahrradschutzstreifen auf der Fahrbahn errichten lassen? a) Inwieweit ist das Anlegen von Fahrradschutzstreifen auf der Fahrbahn seit dem neuen Rechtsrahmen verbindlich? Eine sofortige Umsetzung eines Radfahrstreifens war ohne eine vollständige Umplanung des Straßenzugs, eine entsprechende Kostenoptimierung der Planung und des Ablaufs sowie ohne eine Genehmigung nicht möglich. In Abhängigkeit von Verkehrsbelastung, Flächenbedarf und Bedeutung anderer Nutzungsansprüche sowie der verfügbaren Breiten im Straßenquerschnitt ist eine Rad- Drucksache 21/3130 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 verkehrsführung zu bestimmen. Bei hohen Verkehrsstärken (> 10.000 Kfz/24h) wie in der Shanghaiallee ist eine separate Führung des Radverkehrs auf Radfahrstreifen oder Radwegen erforderlich. 8) Welche Straßenabschnitte der Shanghaiallee sind für den Fahrradschutzstreifen auf der Fahrbahn vorgesehen? Die gesamte Shanghaiallee südlich der Einmündung Brooktorkai ab der Shanghaibrücke erhält beidseitig und durchgehend einen Radfahrstreifen. 9) Welche Fahrbahnbreite verbleibt nach der Fertigstellung des Fahrradschutzstreifens auf der Fahrbahn für den Kraftfahrzeugverkehr? Wie groß ist die Mindestbreite für einen Fahrradschutzstreifen sowie für eine Pkw-Fahrspur? Nach Herstellung der Radfahrstreifen verbleiben weiterhin zwei Fahrstreifen je Richtung mit 3,25 m Fahrbahnbreite für den Kfz-Verkehr. Die Mindestbreite für Radfahrstreifen inklusive Fahrbahnmarkierung beträgt 1,50 m. Tatsächlich ausgeführt werden 1,75 m breite Radfahrstreifen. 10) Trifft es zu, dass die geplanten Kosten durch die Errichtung des Fahrradschutzstreifens auf der Fahrbahn in der Shanghaiallee mit 450.000 Euro kalkuliert wurden? Trifft diese Kalkulation noch zu oder wird mit Mehr- oder Minderkosten gerechnet? Die Kosten für den Querschnittsumbau der Shanghaiallee, der neben der Einrichtung von Radfahrstreifen auch die Herstellung von Parkständen vorsieht, wurden mit etwa 373.000 Euro (netto) ermittelt. Aufgrund eines günstigen Ausschreibungsergebnisses infolge eines optimierten Vergabeverfahrens für die bereits in Herstellung befindlichen Verkehrsflächen zwischen Shanghaibrücke und Hongkongstraße, wird mit Minderkosten gegenüber der veranschlagten Summe gerechnet. Die zusätzlichen Kosten für den geänderten Endausbau der Shanghaiallee werden nun auf etwa 310.000 Euro netto geschätzt.