BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3164 21. Wahlperiode 16.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 08.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Zwischen Stadtgeschichte und Investorenträumen – Was macht die Stadt am Hafentor und mit der Bastion Albertus? Bekanntlich hat Hamburg mit dem sogenannten Großen Brand 1842 und den Bombardements im Rahmen des „Unternehmens Gomorrha“ 1943 eine flächendeckende Zerstörung erlebt. Bauwerke aus länger zurückliegenden Epochen sind in dieser alten Hansestadt die absolute Ausnahme. Umso wichtiger sollten der Erhalt und der Schutz solcher Relikte aus den vergangenen Jahrhunderten sein, um Stadtentwicklung für nachfolgende Generationen sichtbar und erfahrbar zu machen. Zu den absoluten topographischen Highlights der Freien und Hansestadt Hamburg gehört die erhöhte Plattform und die bedeutende Sichtachse vor der Jugendherberge auf dem Stintfang. Diese Anlage verweist auf die alten, zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges geschaffenen Befestigungsanlagen Hamburgs, die hier gelegene Bastion Albertus ist vielleicht das markanteste Überbleibsel der für die Stadtentwicklung so bedeutsamen Epoche. Ganz abgesehen davon, dass diese Bastion über Jahrhunderte einer der beliebtesten , kostenfreien Aussichtspunkte geblieben ist, die einen weitreichenden Blick auf den Hafen und die Stadt ermöglichen. Doch Senat und Bezirk gehen mit diesem historischen Ort mehr als nachlässig um. Statt ihn denkmalschützerisch zu „stärken“, ist das benachbarte Gelände verkauft worden, um hier vergleichsweise üppige Investorenträume zu ermöglichen. Ein neungeschossiger Bau der Körberstiftung ist vor gut zehn Jahren auch am Protest der Bürger/-innen gescheitert. Doch mit „Euroland “ ist 2007 ein Unternehmen in Erscheinung getreten, das hier einen noch größeren Gebäudekomplex errichten will, mit dem zu befürchtenden Ergebnis , dass der Charakter der jahrhundertelangen Aussichtsplattform de facto zerstört wird. Seit Jahren halten die Auseinandersetzungen um dieses Hochhaus am Hafentor an, seit Anbeginn des Konflikts um den Bebauungsplan- Entwurf Neustadt 42 „Hafentor“ kommen Geschichtsbewusstsein und Denkmalschutz offensichtlich zu kurz. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie ist der aktuelle Stand des Bebauungsplan-Entwurfs Neustadt 42 „Hafentor“? Der vorhabenbezogene Bebauungsplan-Entwurf Neustadt 42 „Hafentor“ ist am 1. April 2014 im Hauptausschuss in Vertretung für die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte beschlossen worden. Drucksache 21/3164 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1.1. Welche Verfahrensschritte sind schon erfolgt? Es sind alle vorgeschriebenen Verfahrensschritte im Bebauungsplanverfahren durchgeführt worden. Dazu zählen insbesondere der Aufstellungsbeschluss, die Bürgerbeteiligung (öffentliche Plandiskussion), die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, die öffentliche Auslegung sowie die Prüfung der eingegangenen Stellungnahmen. 1.2. Liegt bereits die Vorweggenehmigungsreife vor? Falls nicht: Wann ist sie nach gegenwärtigem Zeitplan erreicht? 1.3. Ist geplant von einer Vorweggenehmigung Gebrauch zu machen? Wenn ja, wann wäre damit ist zu rechnen? Ja. Am 29. Dezember 2015 ist bei dem zuständigen Bezirksamt der Bauantrag eingereicht worden. 2. Was sehen die aktuellen Pläne des Investors „Euroland“ vor? 2.1. Was soll genau und in welcher Dimension und Höhe gebaut werden ? Parallel zur Straße Stintfang soll ein Wohngebäude mit einem zwei- bis dreigeschossigen Basisgeschoss und mit einer weiteren Erhöhung in einem Teilbereich auf insgesamt maximal sechs Geschosse errichtet werden. Es sollen ausschließlich Mietwohnungen sowie Einzelhandel und teilweise Büros umgesetzt werden. Das Bauvorhaben beinhaltet ein Volumen von insgesamt 5.263 m² Bruttogeschossfläche mit folgenden Gebäudehöhen: Gebäudehöhe sechsgeschossiger Baukörper 27,1 m über Normalnull (NN) Gebäudehöhe zweigeschossiger Baukörper 15,1 m NN Gebäudehöhe dreigeschossiger Baukörper 18,2 m NN 2.2. Wie verhält es sich mit dem Verhältnis von Gewerbe- und Büroraum beziehungsweise den Anteilen von öffentlich gefördertem und frei finanziertem Wohnungsbau? Im Durchführungsvertrag ist ein Anteil von mindestens 50 Prozent der insgesamt zu errichtenden Wohnfläche als öffentlich geförderter Mietwohnungsbau vertraglich gesichert . Der eingereichte Bauantrag wird zurzeit geprüft, sodass derzeit keine weiteren Angaben gemacht werden können. 2.3. Was hat sich an den gegenwärtigen Plänen von „Euroland“ gegenüber den ursprünglichen beziehungsweise früheren Entwürfen, soweit sie in der Senatsantwort auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage vom 17. Dezember 2013 (Drs. 20/10243) Erwähnung fanden, geändert? Das Bauantragsverfahren läuft aktuell. 2.4. Welche Änderungen hat der Investor im Vergleich zum ursprünglichen Bauantrag wann beantragt? Es gibt keinen ursprünglichen Bauantrag. 2.5. Welche Änderungen sind bereits im Bauausschuss vorgestellt und beraten worden? Der Bauantrag befindet sich im Prüfverfahren, sodass eine Beteiligung des Bauausschusses noch nicht stattgefunden hat. 2.6. Welche Änderungen wurden der Öffentlichkeit vorgestellt? Falls keine Information der Öffentlichkeit erfolgte: warum nicht? Im öffentlichen Teil der Sitzung des Stadtplanungsausschusses am 18. November 2015 wurde über Änderungen der Planung berichtet. Dabei handelt es sich lediglich Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3164 3 um kleinere Verschiebungen einzelner Gebäudeteile. Die Grundkonzeption wurde jedoch nicht verändert. 3. Wenn es Änderungen an den Plänen von „Euroland“ gegeben haben sollte, warum ist dann nicht ein komplett neuer Bauantrag eingefordert und damit eine neue Diskussion um dessen Genehmigung entfacht worden ? Siehe Antwort zu 2.4. 3.1. Wann liefen ggfs. Fristen ab, den (neuen) Bauantrag einzureichen? 3.2. Wann war der genaue Abgabetermin für den Bauantrag? 3.3. Wurde der Bauantrag fristgerecht abgegeben? Wenn nein, wie geht die zuständige Behörde damit um? Bereits vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist am 28. August 2015 hat das zuständige Bezirksamt Gespräche mit dem Vorhabenträger geführt. Dieser konnte glaubhaft nachweisen, dass er die vertraglich vereinbarte Frist zur Abgabe des Bauantrags nicht werde einhalten können und noch eine Verlängerung von etwa vier Monaten benötige. Diese Verlängerung wurde dem Vorhabenträger zugestanden. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.2 und 1.3. 4. Welchen Stellenwert haben historische und denkmalschützerische Aspekte bei dem Bauvorhaben und dem Bebauungsplan-Entwurf? Nach Abwägung der öffentlichen Interessen wurden die denkmalpflegerischen Belange zugunsten des Wohnungsbaus zurückgestellt. 4.1. Was steht auf dem Stintfang konkret unter Denkmalschutz, was gilt als denkmalwürdig und was nicht? Zwischen Seewartenstraße, Kuhberg/Hafentor, Bei den St. Pauli-Landungsbrücken und Helgoländer Allee stehen unter Denkmalschutz: - die Grünfläche, - der Tiefbunker Helgoländer Allee, - der Bahnhof Landungsbrücken mit den Viadukten über die Helgoländer Allee und der Brücke über die Straße Bei den St. Pauli-Landungsbrücken, - die Kersten-Miles-Brücke über die Helgoländer Allee. 4.2. Welche Flächen wurden gegebenenfalls wann und warum aus den denkmalgeschützten Hanglagen herausgenommen? Es wurden keine Flächen der Hanglagen aus dem geschützten Bereich herausgenommen . 4.3. Welche Gutachten und Expertisen sind wann, von wem und mit jeweils welchem Ergebnis eingeholt worden? 4.4. Welche Rolle haben bisher die kritischen Äußerungen des Kunsthistorikers und ehemaligen Mitarbeiters beim Denkmalschutz Prof. Dr. Hermann Hipp gespielt? Ist er in die Bewertung dieses Ortes offiziell miteinbezogen worden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? 4.5. Welche Rolle haben bisher die kritischen Äußerungen der Landschaftsarchitektin Prof. Dipl. Ing. Jana Sörensen gespielt? Ist sie in die Bewertung dieses Ortes offiziell miteinbezogen worden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 21/3164 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die zuständige Behörde hat keine Expertisen eingeholt, da der Vorgang mit eigenem Sachverstand hinreichend zu beurteilen ist. Insofern erfolgte keine Hinzuziehung Dritter . Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens wurde in Abstimmung mit dem zuständigen Bezirksamt und den örtlichen Vertretern eine sehr intensive Stadtbilduntersuchung hinsichtlich der Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Sichtbeziehungen und die Einfügung in die Umgebung erstellt und bewertet. Dabei wurden insbesondere Blickbeziehungen von der Bastion Albertus untersucht. 5. Im Innenstadtkonzept und auch im „Leitbild Wallring“ sind wichtige Sichtachsen und die Bedeutung der Wallanlagen besonders hervorgehoben worden. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass mit den Bauplänen von „Euroland“ der Wallring an seiner womöglich markantesten Stelle in gewisser Hinsicht verwundet sowie eine der wichtigsten Hamburger Sichtachsen teilweise zerstört wird? Der Senat hat auf Vorschlag der zuständigen Fachbehörde 2014 eine Änderung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms beschlossen. In diesen Verfahren sowie dem B-Plan-Verfahren wurde der Eingriff in den Wallring und die Bastion als vertretbar eingestuft. In der Drs. 20/13051 ist die Fläche „Hafentor“ als Fläche mit Entwicklungspotenzial dargestellt und als Beispiel für eine geplante Bebauung in der südlichen Neustadt beschrieben. Diese Bebauung soll den Eingang zur S-Bahn-Haltestelle „Landungsbrücken “ am Ende des Wallrings überbauen und die städtebauliche Situation neu ordnen. Insofern widerspricht das Innenstadtkonzept einer Bebauung nicht. 6. Welche weiteren Zeitpläne gibt es für den Stintfang, die Bastion Albertus und den Bebauungsplan-Entwurf Neustadt 42 „Hafentor“? Der Bebauungsplan-Entwurf befindet sich aktuell in der Rechtsprüfung, bevor er der zuständigen Behörde zur Genehmigungsprüfung vorgelegt wird. Nach der Genehmigung kann der Plan formal festgestellt werden.