BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3174 21. Wahlperiode 16.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 08.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Verschwundene Kinder in Hamburg? Nach Medienberichten werden in ganz Europa mehr als 10.000 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge vermisst. Allein in Deutschland wurden Anfang Januar 4749 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst gemeldet. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. Von wie vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in der Obhut der Freien und Hansestadt Hamburg ist der aktuelle Aufenthaltsort unbekannt? 2. Wie viele Vermisstenanzeigen wurden durch die zuständige Behörde seit 2010 gestellt? (Bitte jahresweise und nach Ergebnis aufschlüsseln.) In Hamburg treffen zahlreiche ältere (16 – 18 Jahre) Jugendliche ein, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Obhut genommen werden. Für viele von ihnen ist Hamburg nicht das Fluchtziel, sondern eine Zwischenstation. Jugendliche, die aus diesem oder einem anderen Grund aus Hamburg wieder abreisen wollen, teilen dies dem Fachdienst Flüchtlinge oder der Einrichtung, in der sie leben, in der Regel nicht mit. Die Inobhutnahme eines Minderjährigen ist im Übrigen ein Verwaltungsakt, der nicht mit Freiheitsentzug verbunden ist. Insofern können die Minderjährigen die Einrichtung , in der sie untergebracht sind, jederzeit verlassen und sie unterliegen zumeist auch keiner Residenzpflicht, weil vielfach für die Dauer der Minderjährigkeit keine Asylanträge gestellt werden. Vor diesem Hintergrund endet bei Minderjährigen, die nicht in die Einrichtung zurückkehren , die Inobhutnahme nach einer Abwesenheit von 48 Stunden wegen Undurchführbarkeit der Maßnahme. Dies entspricht der bundesweiten Praxis der Jugendämter . Daneben wird regelhaft je nach Alter und der konkreten Gefährdungseinschätzung jeweils zeitnah, spätestens jedoch nach 48 Stunden eine Vermisstenanzeige gestellt. Bei kurzfristigen Abwesenheiten innerhalb dieser 48 Stunden ist der Aufenthaltsort der minderjährigen Person grundsätzlich die Einrichtung, in der die Inobhutnahme durchgeführt wird. Sofern sich der Minderjährige außerhalb der Einrichtung aufhält, ist der genaue Aufenthaltsort nicht immer bekannt. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht geführt. Für die Beantwortung der Frage wäre eine Auswertung sämtlicher kriminalpolizeilicher Handund Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums erforderlich. Die Durchsicht von mehreren Hunderttausend Vorgängen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Drucksache 21/3174 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Auch im LEB wird keine Statistik über Vermisstenanzeigen geführt, jedoch über das Entweichen von Jugendlichen mit unbekanntem Ziel. Hiernach sind seit 2010 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in folgender Anzahl mit unbekanntem Ziel aus der Inobhutnahme entwichen (mehrfache Entweichungen sind möglich, können aber nicht gesondert ausgewiesen werden): 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 25 74 93 105 215 841 51 3. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese vermissten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zu finden? Bei der Polizei ist die Bearbeitung von Vermisstenfällen bundesweit einheitlich geregelt . Minderjährige gelten als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthalt unbekannt ist. Die konkreten Maßnahmen werden, ausgerichtet am jeweiligen Einzelfall, entschieden. Dabei wird die Gesamtsituation einbezogen . Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gibt es daher keine spezielle Regelung . Die Polizei trifft insbesondere folgende Maßnahmen: Durchführung erster Suchmaßnahmen, wenn anzunehmen ist, dass die Suche zum Auffinden der Person führen kann, Nachfrage bei der Feuerwehr, ob die als vermisst gemeldete Person durch die Feuerwehr oder im Auftrag der Feuerwehr transportiert wurde und Durchführung von Recherchen in den polizeilichen Auskunftssystemen, ob die als vermisst gemeldete Person anderweitig gesucht wird oder ihr die Freiheit entzogen ist. Die/der Anzeigende wird darüber hinaus zur Ermittlung des Verbleibs der vermissten Person und zur Feststellung der Ursachen sowie den Umständen des Verschwindens von der Polizei aufgefordert, bei Angehörigen, Freunden, Bekannten, sonstigen Bezugs- und letzten Kontaktpersonen der vermissten Person Anhaltspunkte über mögliche Aufenthaltsorte zu erfragen. Des Weiteren gibt die Polizei die Daten der vermissten Person als Fahndung in das bundesweite polizeiliche Auskunftssystem und in das Schengener Informationssystem ein, setzt nach Prüfung des Einzelfalls ein Fahndungs-Fernschreiben beziehungsweise eine Fahndungs-Mitteilung ab und leitet je nach Sachlage des Einzelfalles bei besonders akuter Gefahr für Leib oder Leben der vermissten Person weitere erforderliche Maßnahmen sowie eine Öffentlichkeitsfahndung ein. 4. Wie viele Betreuer stehen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen absolut und relativ Tag und Nacht zur Verfügung? Für Erstversorgungseinrichtungen zur Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist ein pädagogischer Betreuungsschlüssel von 1:3 (ein Pädagoge für drei Minderjährige) vereinbart. Beim Aufbau neuer Einrichtungen mit Personalauswahlprozessen und durch temporär notwendig werdende Überbelegungen ergeben sich wechselnde höhere Betreuungsschlüssel, die vorrangig durch die Einbindung von Personal ohne formalen pädagogischen Abschluss aufgefangen werden. Aktuell stehen in den Erstversorgungseinrichtungen insgesamt rund 320 Betreuungskräfte (VZÄ) zur Verfügung, das entspricht bei 1.017 UMF, die sich aktuell in einer Erstversorgungseinrichtung befinden, einem Betreuungsschlüssel von 1:3,2. In den Einrichtungen ist auch in der Nacht Personal anwesend. a. Werden die gesetzlichen und Jugendschutzbestimmungen zur Betreuungs- und Fürsorgepflicht eingehalten? Ja. Für die Betreuung gelten insbesondere die erziehungsrechtlichen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches, Regelungen der Betriebserlaubnis und interne Dienstanweisungen . b. Wenn nein, wer haftet bei Folgen aus dieser Nichterfüllung von gesetzlichen Bestimmungen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3174 3 c. Wenn nein, wie und bis wann soll gewährleistet werden, dass die gesetzlichen Bestimmungen und Jugendschutzbestimmungen eingehalten werden? Entfällt.