BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3199 21. Wahlperiode 16.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 10.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebegewahrsam am Hamburger Flughafen Hamburg soll nach Plänen des Senats als erstes Bundesland einen sogenannten Ausreisegewahrsam im Transitbereich des Flughafens Hamburg erhalten. Mithilfe der letzten Asylrechtsverschärfung der großen Koalition (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015) können strafrechtlich unschuldige Menschen vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage „in Gewahrsam“ genommen, also ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. Die Einrichtung am Hamburger Flughafen soll laut Medienberichten für eine niedrige zweistellige Zahl von Menschen Platz bieten. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Inhaftierung von strafrechtlich unschuldigen Menschen zum Zwecke der Sicherstellung der Abschiebung grundsätzlich. Die mit der Inhaftierung einhergehenden psychischen und physischen Folgen seien völlig unverhältnismäßig. Auch die hohe Anzahl von Dublin-Fällen in Haft wird seit langem kritisiert. Der Rechtsanwalt Peter Fahlbusch geht nach eigenen empirischen Auswertungen davon aus, dass eine Vielzahl von Abschiebungshäftlingen zu Unrecht in Haft genommen oder zu lange ihrer Freiheit beraubt wird: Fast die Hälfte der von ihm vor Gericht vertretenen 868 Personen musste wegen Rechtsverstößen entlassen werden, 421 von ihnen befanden sich 11.860 Tage rechtswidrig in Haft. Die Zahlen der Menschen, die bundesweit in Abschiebehaft genommen werden , sind seit Jahren stark rückläufig. Gründe dafür sind mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Praxis der Inhaftnahme in der Bundesrepublik. Zuletzt schuf die Bundesregierung mit mehreren Asylrechtsverschärfungen aber neue Haftgründe. Im Jahr 2015 wurde in der Zuständigkeit der Stadt Hamburg lediglich drei Mal Abschiebungshaft verhängt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wo liegen, nach Ansicht des Senats, die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Ausreisegewahrsam und einer Abschiebehafteinrichtung ? Der Ausreisegewahrsam kann unter den Voraussetzungen des § 62 b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) unabhängig von den Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 62 Absatz 3 AufenthG höchstens für die Dauer von vier Tagen vollzogen werden. Abschiebungshaft hingegen kann für bis zu sechs Monate angeordnet und unter bestimmten Voraussetzungen um zölf Monate verlängert werden (siehe § 62 Absatz 4 AufenthG). Im Unterschied zur Abschiebungshaft wird der Ausreisegewahrsam im Drucksache 21/3199 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Transitbereich eines Flughafens oder einer Unterkunft vollzogen, von wo aus die Ausreise möglich ist. 2. Wie ist der Stand der Planungen des Senats in der Ausgestaltung des Abschiebegewahrsam? In Abstimmung mit den für die Ausgestaltung zu beteiligenden Stellen wird derzeit eine konkrete Planung für die bauliche Ausgestaltung und den Betrieb im Bereich des Flughafens Hamburg erstellt. 3. Plant der Senat in Amtshilfe auch Personen in der Zuständigkeit anderer Bundesländer in Gewahrsam zu nehmen? Wenn ja, aus welchen Bundesländern? Beziehungsweise mit welchen Ländern werden Kooperationsgespräche geführt, aus welchen Ländern gab es diesbezüglich Anfragen? Es wurden erste Kooperationsgespräche mit Schleswig-Holstein geführt. Darüber hinaus sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. 4. Inwiefern ist vorgesehen, dass Personen aus dem Gewahrsam „freiwillig “ ausreisen können? Inwiefern werden dabei Rückkehrhilfen gewährt? § 62b AufenthG sieht vor, dass der Ausreisegewahrsam im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft vollzogen wird, von wo aus – neben der Abschiebung – auch die Ausreise möglich sein soll. Welche konkreten Anforderungen dabei an den Nachweis der Ausreisemöglichkeit gestellt werden, ist noch Gegenstand der laufenden Überlegungen. 5. Will der Senat die in Gewahrsam Genommenen nach Geschlechtern getrennt unterbringen? 6. Will der Senat auch Familien in Gewahrsam nehmen? Wenn ja, gemeinsam? Wenn ja, auch gemeinsam mit anderen Personen? 7. Will der Senat auch Minderjährige in Gewahrsam nehmen? Im Rahmen der Planungen werden verschiedene Gegebenheiten auch der ausreisepflichtigen Personen berücksichtigt. Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen. 8. Inwiefern sind die Verhandlungen der Innenbehörde mit dem Flughafen Hamburg über die Einrichtung eines Ausreisegewahrsams am Flughafen vorangeschritten? Mit welchen Ergebnissen? Es fanden erste Gespräche über die Möglichkeit der Errichtung und des Betriebs eines Ausreisegewahrsams auf dem Flughafengelände mit Vertretern des Flughafenbetreibers statt. Im Übrigen äußert sich der Senat grundsätzlich nicht zu laufenden Vertragsverhandlungen und sieht in ständiger Praxis davon ab, zu noch nicht abgeschlossenen Prüfungsschritten Auskunft zu erteilen. 9. Plant der Senat die Einrichtung mit privatem Betreiber? a. Wenn ja, mit welchen möglichen Betreibern wird dazu verhandelt? b. Wenn nein, welche Behörde soll die Einrichtung betreiben? 10. Auf welcher Fläche beziehungsweise in welchem Gebäude des Flughafens soll der Ausreisegewahrsam entstehen? Befindet sich diese im Transitbereich des Flughafens? 11. Wie viele Quadratmeter sind vorgesehen? 12. In welchem Besitz befindet sich die Fläche beziehungsweise das Gebäude? Für den Betrieb einer solchen Einrichtung müssen Hoheitsträger vor Ort sein. Im Übrigen siehe Antworten zu 2., 5. bis 7. und zu 8.