BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3280 21. Wahlperiode 23.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 16.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Kooperation der norddeutschen Bundesländer bei der Telefonüberwachung Laut Berichterstattung des Magazins „Focus“ werde derzeit zwischen den norddeutschen Bundesländern Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig -Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ein Staatsvertrag zur Kooperation bei der Telefonüberwachung abgestimmt. Inhalt sei insbesondere ein gemeinsames Rechenzentrum, um schneller technisch in der Lage zu sein, Telefone zu überwachen und Kosten zu sparen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welchen Inhalt hat der Staatsvertrag zur Kooperation der norddeutschen Bundesländer bei der Telefonüberwachung? Der Senat hat im Herbst 2015 mit den Ländern Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein Verwaltungsabkommen unterzeichnet, durch das ein länderübergreifendes Projekt zur Planung und Errichtung eines gemeinsamen Dienstleistungs- und Rechenzentrums zur Telekommunikationsüberwachung eingerichtet worden ist. In dem Abkommen haben die beteiligten Länder vereinbart, einen Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb eines Dienstleistungs- und Rechenzentrums Telekommunikationsüberwachung für die Polizei abzuschließen. Eine Einbeziehung der Landesämter für Verfassungsschutz wird nicht erfolgen (siehe hierzu auch Drs. 21/93). Der Staatsvertrag ist noch nicht unterzeichnet. Der Senat hat sich mit dem Staatsvertrag bislang noch nicht befasst. Damit unterliegt die Ausgestaltung des Staatsvertrages noch dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung des Senats, über den der Senat keine Auskunft erteilt. 2. Welche technischen Einrichtungen und Anschaffungen zu welchen Kosten sind hierfür an welchen Standorten durch Umsetzung welcher Behörden vorgesehen? In dem Verwaltungsabkommen wurde vereinbart, das Land Niedersachsen mit der Durchführung des Projektes zu beauftragen. Die kalkulatorischen Kosten für die Umsetzung des Verwaltungsabkommens bis zur Errichtung eines gemeinsamen Dienstleistungs- und Rechenzentrums Telekommunikationsüberwachung auf der Grundlage eines noch abzuschließenden Staatsvertrages sind für die Jahre 2015 bis 2019 mit insgesamt 2.748.711,21 Euro berechnet. Die Aufteilung der Kosten zwischen den beteiligten Ländern erfolgt in entsprechender Anwendung des Königsteiner Schlüssels. Hamburg soll von den genannten Kosten danach einen Anteil von 380.557,97 Euro tragen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. und Drs. 21/93. Drucksache 21/3280 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie ist die Telefonüberwachung bis zur Umsetzung der Kooperation zurzeit und in der Vergangenheit rechtlich und technisch in Hamburg geregelt? 4. Wie viele Telefonüberwachungen wurden in Hamburg in den Jahren 2009 bis 2015 jeweils durch welche Behörde aus welchem Anlass beziehungsweise wegen welcher Straftatbestände pro Jahr durchgeführt ? Die Rechtsgrundlagen für die Telekommunikationsüberwachung sind in Hamburg für den Bereich der Strafverfolgung in §§ 100a, 100 b Strafprozessordnung und für den Bereich der Gefahrenabwehr in §§ 10b, 10c Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei geregelt. Die Polizei hat folgende Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt: Delikte 2013 2014 2015 Abgabenordnung - - 27 Aufenthaltsgesetz 1 - 15 Außenwirtschaftsgesetz 7 - - Arzneimittelgesetz - 22 2 Bandendiebstahl 62 52 63 besonders schwerer gemeinschaftlicher Diebstahl - 2 - Betäubungsmittelgesetz 640 691 650 Betrug 516 214 191 Bildung krimineller/ terroristischer Vereinigungen 2 5 28 Brandstiftung/Explosion 4 19 94 Gefahrenabwehr/PolDVG 9 11 75 Geldfälschung 3 16 73 Geldwäsche 10 66 6 Hehlerei 43 34 7 Hochverrat/Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates 3 - 3 Korruption 4 34 11 Kriegswaffenkontrollgesetz 8 8 - Menschenhandel/Schleusung 79 19 20 Menschenraub/Verschleppung - - 14 Mord/Totschlag 186 284 313 Raub/Erpressung 188 185 255 Steuerhinterziehung 40 43 - Straftat gegen sexuelle Selbstbestimmung 8 13 17 Testaufschaltung 5 - - Urkundenfälschung 39 - 13 Völkerstrafgesetzbuch 2 4 - Waffengesetz 7 11 12 Gesamtsumme 1.866 1.733 1.889 Eine Beantwortung für das Jahr 2009 ist nicht möglich, da hierzu aufgrund der Aktenaufbewahrungsfristen bei der Polizei keine Dokumentation mehr vorhanden ist. Darüber hinaus siehe Drs. 20/2751 und 20/9412. Die Staatsanwaltschaft in Hamburg führt im Sinne der Anfrage selbst keine Telekommunikationsüberwachungen durch. Die technische Durchführung der Telekommunikationsüberwachung obliegt grundsätzlich der Polizei Hamburg, gegebenenfalls auch den Polizeidienststellen des Bundes oder anderer Länder. Die Telekommunikationsüberwachung durch die Polizei Hamburg wird derzeit auf einer Anlage beim Landeskriminalamt (LKA) 25 vorgenommen. 5. Welche Verbesserungen verspricht sich der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde hinsichtlich der Technik, Kosten und Ermittlungsarbeit ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3280 3 Der erhebliche Zuwachs zu überwachender Kommunikationsmittel bei Beschuldigten (Festnetzanschluss, häufig mehrere Smartphones, Tablets und so weiter) sowie die erheblich steigenden Bandbreiten und die damit einhergehenden Mengen an relevanten wie redundanten auszuwertenden Daten stellen die Polizei vor große Herausforderungen bei der Gewinnung geeigneten Personals, der Entwicklung und Beschaffung geeigneter Technik und der Bereitstellung der dafür erforderlichen Ressourcen. Durch eine Bündelung der Ressourcen in einem gemeinsamen Rechen- und Dienstleistungszentrum erwarten sich die Kooperationspartner Vorteile bei der Fähigkeit, diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können. Dabei geht es nicht um eine Ausweitung von Kompetenzen, sondern um den Erhalt der Fähigkeit, Telekommunikationsüberwachung unter erschwerten Bedingungen auch zukünftig im erforderlichen Umfang durchführen zu können. Im Zusammenhang mit der Abstimmung des Staatsvertrages wird durch die zuständige Behörde eine Nutzwertanalyse vorgenommen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 6. Welche Kosten in welcher Höhe sind in den Jahren 2009 bis 2015 jeweils für die Telefonüberwachung in welchen Behörden jeweils für Personal und Technik pro Jahr entstanden? Bezüglich der Kostendarstellung für die stationäre Telekommunikationsüberwachungsanlage der Polizei Hamburg siehe Anlage. Bei den dargestellten Kosten für die Polizei handelt es sich um anteilige Kosten der Kostenstelle LKA 25, die sich ausschließlich auf die stationäre Telekommunikationsüberwachungsanlage beziehen. Die Kostenrechnung der Polizei differenziert nicht zwischen operativer und stationärer Telekommunikationsüberwachung; insofern handelt es sich hier um Schätzwerte. Im Rahmen einer Einzelerhebung im Jahr 2014, bei der auch nicht gesondert ausgewiesene Kostenpositionen anteilsmäßig überschlägig Berücksichtigung fanden, ergaben sich für die stationäre Telekommunikationsüberwachung Kosten für Personal (LKA 25), Betrieb, Abschreibungen und Verwaltungspauschalen in Höhe von 1.925.000 Euro p.a.. Der Personalkostenanteil davon betrug 809.000 Euro p.a. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und 4. 7. Welche Kosten in welcher Höhe werden künftig durch die Zusammenarbeit pro Jahr eingespart und erwartet? Im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Abstimmung des Staatsvertrages wird durch die zuständige Behörde ein Vergleich der für die Jahre 2020 bis 2035 für die Szenarien einer Kooperation und einer Hamburger Einzellösung zu prognostizierenden Kosten vorgenommen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. K os te nd ar st el lu ng s ta tio nä re T el ek om m un ik at io ns üb er w ac hu ng sa nl ag e (T K Ü -A nl ag e) - LK A 25 2 An la ge z u D rs . 2 1/ 32 80 Ze itr au m 20 09 20 10 20 11 20 12 20 13 20 14 20 15 Ei nm al ko st en In ve st iti on sk os te n* 1 9 3 .6 4 9 ,1 2 € 3 3 7 .8 9 9 ,4 8 € 1 0 .2 0 7 ,4 8 € 2 0 3 .3 2 7 ,3 3 € 1 .3 0 9 .6 4 6 ,3 0 € 5 3 .4 2 6 ,5 5 € 3 5 7 .6 1 5 ,1 0 € la uf en de K os te n Be tri eb sk os te n* * 1 6 9 .4 0 8 ,8 1 € 2 6 6 .0 7 2 ,1 3 € 2 2 4 .3 5 1 ,0 1 € 2 3 9 .2 1 2 ,5 8 € 3 5 0 .5 1 7 ,8 6 € 2 1 1 .4 7 2 ,2 1 € 2 2 8 .5 5 1 ,7 0 € Pe rs on al ko st en ** * 3 6 1 .1 0 0 ,0 0 € 5 2 6 .3 6 3 ,3 7 € 3 8 9 .2 9 0 ,0 0 € 4 7 2 .9 2 1 ,0 0 € 6 7 8 .1 5 6 ,0 0 € 7 9 4 .0 3 1 ,0 0 € 9 1 0 .5 4 1 ,0 0 € G es am t l fd . K os te n p. a* ** * 5 3 0 .5 0 8 ,8 1 € 7 9 2 .4 3 5 ,5 0 € 6 1 3 .6 4 1 ,0 1 € 7 1 2 .1 3 3 ,5 8 € 1 .0 2 8 .6 7 3 ,8 6 € 1 .0 0 5 .5 0 3 ,2 1 € 1 .1 3 9 .0 9 2 ,7 0 € G es am t 7 2 4 .1 5 7 ,9 3 € 1 .1 3 0 .3 3 4 ,9 7 € 6 2 3 .8 4 8 ,5 0 € 9 1 5 .4 6 0 ,9 1 € 2 .3 3 8 .3 2 0 ,1 6 € 1 .0 5 8 .9 2 9 ,7 6 € 1 .4 9 6 .7 0 7 ,8 0 € * Fü r d ie H au ha lts ja hr e 20 09 b is 2 01 2 si nd - an al og d en B et rie bs ko st en - 56 % d er G es am tk os te n al s Sc hä tz w er t e in ge flo ss en , d a ei ne D iff er en zi er un g zw is ch en d er s ta tio nä re n un d op er at iv en T K Ü n oc h ni ch t b es ta nd ** B et rie bs ko st en : G ru nd la ge b ild et d er je w ei lig e B ud ge tja hr es ab sc hl us sb er ic ht . D a ke in e D iff er en zi er un g de r K os te n na ch s ta t. TK Ü -A nl ag e m ög lic h, S ch ät zu ng g em . L K A 25 0 (5 6 % d er K os te n fü r s ta t. 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