BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3329 21. Wahlperiode 23.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 17.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Übergang von IVK in Regelklassen In Hamburg werden nach Angaben der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) aktuell circa 2.500 Kinder in rund 200 Basisklassen und Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) unterrichtet (Drs. 21/2990). In den Basisklassen werden diejenigen Flüchtlingskinder unterrichtet, die in ihrem Heimatland gar nicht oder nicht lateinisch alphabetisiert wurden. Innerhalb eines Jahres sollen sie fit gemacht werden für den Unterricht in einer IVK. Dort steht insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache im Vordergrund . In der Regel wechseln die Schüler nach einem Jahr von einer IVK in eine Regelklasse. Bislang unklar sind die Kriterien, nach denen dieser Wechsel in den Regelunterricht funktioniert. Flüchtlingskinder, die im höheren Alter (ab 15/16 Jahre) nach Deutschland kommen, haben häufig keine Chance, auf direktem Wege das Abitur zu erlangen. Entsprechende Vorschriften , nach denen zwei Fremdsprachen für eine bestimmte Zahl von Jahren belegt werden müssen, um für die Abiturprüfung zugelassen zu werden, können diese Jugendlichen häufig nicht mehr erfüllen. In ihren Heimatländern haben sie in den Jahren zuvor oftmals nicht in der erforderlichen Dauer Fremdsprachen belegt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Werden in eine bestehende IVK laufend neue Schüler zugeschult und andere abgeschult, sodass sich diese Klassen ständig im Fluss befinden , oder erfolgt nach der Einrichtung einer IVK keine Bewegung mehr, sodass nach einem Jahr die IVK aufgelöst wird und alle Schüler in eine Regelklasse wechseln? 2. Findet der Wechsel von einer IVK in eine Regelklasse zu bestimmten Zeitpunkten (zum Beispiel zu Beginn eines Schulhalbjahres) statt oder auch im laufenden Schulhalbjahr? In eine bestehende IVK werden laufend neue Schülerinnen und Schüler zugeschult und andere abgeschult. Der Wechsel von einer IVK in eine Regelklasse findet auch im laufenden Schulhalbjahr statt. 3. Welche Kriterien liegen der Entscheidung für den Wechsel aus einer IVK in eine Regelklasse zugrunde? a. Wer entscheidet darüber, ob und wann ein Schüler aus einer IVK in eine Regelklasse wechselt? Über den Wechsel aus einer IVK in eine Regelklasse entscheidet die Zeugniskonferenz (siehe Punkt 1.5 der Rahmenvorgaben zur schulischen Integration zugewanderter Kinder und Jugendlicher in Regelklassen, http://www.hamburg.de/contentblob/ 3237252/data/ivk.pdf). Drucksache 21/3329 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b. Liegt dieser Entscheidung ausschließlich das Beherrschen der deutschen Sprache zugrunde? Wenn nein: Welche anderen Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Beim Übergang in eine Regelklasse aus einem Gymnasium müssen die gymnasialen Anforderungen erfüllt sein, siehe auch Antwort zu 4.c. Im Übrigen erfolgt der Wechsel, wenn die Schülerinnen und Schüler einen Lernstand erreicht haben, um in der Regelklasse erfolgreich weiter lernen zu können, siehe auch Drs. 20/13705. c. Auf welchem Niveau muss die deutsche Sprache beherrscht werden , um in eine Regelklasse wechseln zu können? In den Rahmenplänen Deutsch als Zweitsprache in Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) ist in Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen als Mindestanforderung am Ende der IVK in den Grundschulen die Niveaustufe A 2+ und am Ende der IVK in den weiterführenden Schulen die Niveaustufe B 1- festgelegt. Im Übrigen siehe Drs. 20/13705. d. Findet ein Sprachtest statt, der das erforderliche Sprachniveau bescheinigt? Wenn nein: warum nicht? Die Lehrkräfte der IVK sind gehalten, die Sprachentwicklung der Schülerinnen und Schüler kontinuierlich zu beobachten und hierzu auch altersangemessene Tests einzusetzen , die zum Beispiel in den verschiedenen Lehrwerken für Deutsch als Zweitsprache enthalten sind. e. Erhalten die Schüler ein Zeugnis oder ein Zertifikat, das ihnen die erfolgreiche Teilnahme an der IVK bescheinigt? Wenn nein: warum nicht? Ja, die Schülerinnen und Schüler erhalten am Übergang von einer IVK in eine Regelklasse ein Übergangszeugnis (siehe http://www.hamburg.de/contentblob/3237252/ data/ivk.pdf). 4. Nach welchen Kriterien erfolgt die Zuweisung in eine Regelklasse? a. Werden Schüler regelhaft nach Besuch einer IVK in eine Regelklasse an derselben Schule zugeschult oder erfolgt dann eine gänzlich neue Zuweisung an irgendeine passende Schule? b. Wer entscheidet darüber, in welche Regelklasse ein ehemaliger IVK-Schüler zugeschult wird? Muss sich der Schüler selbst bewerben und anmelden? Bei ausreichender Platzkapazität erfolgt der Wechsel in die Regelklasse an derselben Schule. Sind an derselben Schule nicht ausreichend Plätze vorhanden oder wünscht die Schülerin beziehungsweise der Schüler den Wechsel an eine andere Schule, leitet die Schule das übliche Verfahren für Schulwechsler unter Einbeziehung der zuständigen Behörde ein. c. Welche Kriterien sind mit welcher Gewichtung ausschlaggebend für die Wahl der aufnehmenden Schule und Regelklasse (Leistungen und Fähigkeiten des Schülers, Wünsche des Schülers, Wohnortnähe , verfügbare Kapazitäten der aufnehmenden Schulen, Sozialindex der aufnehmenden Schule et cetera)? Ausschlaggebend sind die Kriterien Wohnortnähe und verfügbare Kapazitäten der aufnehmenden Schule, bei Zuschulung in ein Gymnasium auch der Leistungsstand gemäß § 43 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3329 3 d. Nach welchen Kriterien werden die Schüler in welche Jahrgangsstufe zugeschult (Alter, Leistung et cetera)? Die Zuschulung erfolgt nach den Kriterien Alter und Leistung. Ausschlaggebend ist die Einschätzung der Zeugniskonferenz. e. Unter welchen Voraussetzungen ist die Zuschulung in ein Gymnasium möglich? Siehe Antwort zu 3.b. 5. Welche Vorschriften hinsichtlich der Belegung von Fremdsprachen gelten für die Zulassung zur Abiturprüfung in Hamburg seitens der Kultusministerkonferenz (KMK) und der BSB? Bitte genau nennen. Siehe Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 in der Fassung vom 06.06.2013, http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/ 1972/1972_07_07-Vereinbarung-Gestaltung-Sek2.pdf). Diese Regelungen der KMK entsprechen den § 6 Absatz 1 sowie § 7 Absätze 1 und 3 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (APO-AH) in der Fassung vom 27.03.2014 (siehe http://www.hamburg.de/contentblob/ 1332736/data/bsb-apo-ah-18-03-2009.pdf). 6. Kommt es nach Kenntnis der BSB in der Praxis zu Fällen von Nichtzulassung von Flüchtlingskindern in die schulische Laufbahn mit Abschlussziel Abitur aufgrund fehlender Fremdsprachenkenntnisse? Wenn ja: in welchem Umfang? 7. Sieht die BSB Möglichkeiten, pragmatische Lösungen ohne Absenkung von Leistungsstandards in diesen Fällen zu finden? a. Ist es beispielsweise denkbar, die notwendige Anzahl an Fremdsprachen -Unterrichtseinheiten zusätzlich nachzuholen, um auf das Äquivalent von notwendigen belegten Jahren zu kommen? Entsprechende Hinweise liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Grundsätzlich sind alle im Kontext der Beschulung von Flüchtlingskindern auftretenden Fragestellungen mit Blick auf pragmatische Lösungen einerseits und verbindliche Vorgaben der KMK beziehungsweise der einschlägigen hamburgischen Regelungen andererseits zu lösen. b. Kann die Anerkennung von notwendigen Fremdsprachenfähigkeiten beispielsweise auch abweichend von einer festgelegten Zahl von unterrichteten Jahren darüber erfolgen, dass eine Prüfung erfolgt, die die nötigen Kenntnisse mittels Zertifikat bescheinigt? Für die Regelungen zur Anerkennung von herkunftssprachlichen Vorkenntnissen für die Belegverpflichtungen nach § 7 APO-AH siehe Broschüre zum Fremdsprachenunterricht in Hamburg (http://www.hamburg.de/contentblob/64460/data/bbs-brfremdsprachenunterricht .pdf, Seite 22). Für das Abendgymnasium und das Hansa-Kolleg gilt eine abweichende Regelung: Schülerinnen und Schüler, die in der Sekundarstufe I nicht mindestens vier Jahre lang Unterricht in einer zweiten Fremdsprache erhalten haben, aber außerhalb der Schule eine zweite Fremdsprache erlernt haben, können nach Entscheidung der zuständigen Behörde auf Antrag von der Verpflichtung zum Belegen einer zweiten Fremdsprache in der Vorstufe und in der Studienstufe befreit werden, wenn sie Kenntnisse nachweisen , die mindestens dem Niveau B 1 des europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen. Der Nachweis wird durch eine schriftliche und mündliche Prüfung erbracht (siehe §§ 45, 53 APO-AH). Drucksache 21/3329 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 8. Welche Erfahrungen hat die BSB damit gemacht, dass die Muttersprache der Flüchtlinge als Fremdsprache gelten kann beziehungsweise sollte ? Wie erfolgt die formale Anerkennung von Muttersprachen als Fremdsprachen ? Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler machen zunehmend Gebrauch von der Möglichkeit nach § 23 APO GrundStGy, am Ende der Sekundarstufe I die Englischprüfung oder die Note in einer weiteren Sprache durch eine Sprachfeststellungsprüfung in der Herkunftssprache zu ersetzen (360 Anmeldungen für eine Sprachfeststellungsprüfung im allgemeinbildenden Bereich in 2015 gegenüber 225 Anmeldungen in 2014). Darüber hinaus stellt die Förderung und Anerkennung der herkunftssprachlichen Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler einen wichtigen Bestandteil der Vielfalt des Sprachenunterrichts an Hamburger Schulen dar. Dies gilt grundsätzlich auch für die Sprachkenntnisse, die Flüchtlinge aus ihren Herkunftsländern mitbringen. Im herkunftssprachlichen Unterricht werden beispielsweise Kurse in Arabisch oder Farsi, aber auch in Italienisch, Portugiesisch, Türkisch oder Russisch angeboten. Für die Anerkennung als Fremdsprache ist der Bezug auf die entsprechenden Vorgaben und Anforderungen der Rahmenpläne maßgeblich (Herkunftssprachen in der Grundschule, Stadtteilschule und Gymnasium, neuere Fremdsprachen in der gymnasialen Oberstufe). Für die Anerkennung als Prüfungsfach sind die Vorgaben der KMK entscheidend (einheitliche Prüfungsanforderungen zum Beispiel in den Fächern Russisch und Türkisch sowie gegenseitig anerkannte länderspezifische Fächer in der Abiturprüfung). Die Vorgehensweise Hamburgs entspricht den Grundsätzen der KMK, wie sie in dem Beschluss zur „Weiterentwicklung des Schulwesens in Deutschland seit Abschluss des Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens vom 28.10.1964 i.d.F. vom 14.10.1971“ vom 10.05.2001 festgelegt wurden (siehe http://www.kmk.org/ fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2001/2001_05_10- Weiterentwicklung-Schulwesens.pdf).