BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3354 21. Wahlperiode 26.02.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 18.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Nachfragen zu Drs 21/3069: Strafverfahren gegen Salafistinnen und Salafisten Aus den Antworten des Senats in der Drs. 21/3069 haben sich Fragen ergeben . Ich frage den Senat: 1. Zu den Haftanordnungen in Tabelle 1 (unter Frage 1.): Stand eine der Verhaftungen, die in Tabelle 1 genannt werden, im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Salafisten und Kurden am Steindamm im Oktober 2014? Nein. a. Wenn nein, ist es im Oktober 2014 bei genannten Auseinandersetzungen zu Verhaftungen/Ermittlungen gekommen und was war der Grund für diese? Am 7./8.Oktober sowie am 10. Oktober 2014 kam es zwischen Kurden und Salafisten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem Steindamm in Hamburg. Die Polizei nahm anlässlich dieser Auseinandersetzungen insgesamt 54 Personen fest und führte 73 Ingewahrsamnahmen durch; Verhaftungen hat die Polizei nicht vorgenommen. Im Zuge der genannten Auseinandersetzungen wurde wegen folgender Straftaten ermittelt: Anzahl Delikt 24 §§ 223/224 Strafgesetzbuch (StGB) – Körperverletzung/gefährliche Körperverletzung (davon zwei Versuche) 1 § 113 StGB – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 § 123 StGB – Hausfriedensbruch 4 § 125 StGB – Landfriedensbruch 2 § 127 StGB – Bildung bewaffneter Gruppen 1 § 185 StGB – Beleidigung 2 § 303 StGB – Sachbeschädigung 3 Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz 3 Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz 7 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 49 Verstoß gegen das Waffengesetz Drucksache 21/3354 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b. Um was für eine terroristische Vereinigung handelt es sich bei der Verhaftung in 2014 und was ist aus dieser geworden? Es handelte sich um eine terroristische Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a und 129b StGB, konkret um die Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigungen Al-Qaida (AQ) und Islamische Bewegung Usbekistans (IBU). Der Tatverdächtige wurde am 21. Februar 2014 durch das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist seit dem 16.04.2014 rechtskräftig, die Strafe wird derzeit noch verbüßt. c. Schildern Sie bitte unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte den Vorfall „Versuchter Totschlag“ aus 2015. Was war passiert beziehungsweise welche Gruppen waren involviert? Der Beschuldigte soll auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnahmeunterkunft für Flüchtlinge im Hörgensweg 6 auf den vor dem Gebäude stehenden Geschädigten zugegangen sein, ihn mit einem Teleskopschlagstock angegriffen und ihm zwei wuchtige Schläge auf den Kopf versetzt haben. Der Beschuldigte gehörte einer Gruppe afghanischer Flüchtlinge an, der Geschädigte einer Gruppe iranischer Flüchtlinge. Tatmotiv soll entweder Rache wegen einer zwei Tage zuvor erfolgten Auseinandersetzung oder die Verärgerung über die Konversion des Geschädigten vom islamischen Glauben zum Christentum gewesen sein. Weitere Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor. 2. Der Senat unterscheidet in seiner Antwort zwischen salafistischen und islamistischen Vorfällen und Strafbeständen oder Personen aus diesen Milieus. Wie unterscheiden sich diese beiden Gesinnungen laut Senat und Staatsanwaltschaft? a. Die Staatsanwaltschaft erfasst Straftaten mit islamistischem Hintergrund erst seit 2015. Sind Straftaten mit salafistischem Hintergrund bereits vorher erfasst worden? Wenn nein, weshalb nicht, wenn es doch bereits vorher Vorfälle aus genannten Milieus gab? Eine Unterscheidung im Sinne von „salafistischen und islamistischen Vorfällen und Straftatbeständen“ findet entgegen dem durch die Drs. 21/3069 möglicherweise entstandenem Eindruck nicht statt. Zum Begriff des Salafismus wird auf den Verfassungsschutzbericht 2014, Seite 39 fortfolgende, verwiesen. Um künftig und fortlaufend eine bessere Übersicht zu erhalten, wurde das Erfordernis, Straftaten mit islamistischem Hintergrund gesondert zu erfassen, seit Beginn des Jahres 2015 gesehen. 3. Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass es Falschbeurkundungen und Urkundsdelikte für Ausreisen nach Syrien gab. Hat hierfür ein Ab-/ Anwerben in Hamburg stattgefunden und wenn ja, weshalb greift Paragraph 109h nicht? Soweit hier im Zusammenhang mit Ausreisen nach Syrien wegen des Verdachts von Urkundsdelikten ermittelt wurde, hat sich in den entsprechenden Verfahren bislang nicht der Verdacht einer Straftat gemäß § 109h StGB ergeben. 4. Laut Paragraf 109h StGB macht sich strafbar, wer „zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt“. Wie häufig ist dieser Paragraf bei Verhaftungen/Ermittlungen gegen Personen aus dem salafistischen und islamistischem Milieu angewandt worden? a. Wenn der Paragraf 109h nicht angewandt wurde, weshalb nicht? Schätzen die Sicherheitsbehörden ISIS und Al-Qaida nicht als „militärische oder militärähnliche Einrichtung“ ein und wenn nein, weshalb nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3354 3 Bislang gab es keine Ermittlungsverfahren gegen oder Verhaftungen von Personen aus dem salafistischen und islamistischen Milieu wegen des Verstoßes gegen § 109h StGB. Nach den vorliegenden Erkenntnissen haben sich Personen, die nach Syrien ausreisten , um sich dort einer Gruppierung zum bewaffneten Kampf anzuschließen, selbst radikalisiert. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass Dritte im Sinne des § 109h StGB auf ausreisewillige Personen eingewirkt haben, konnten bisher im Rahmen von hiesigen Ermittlungsverfahren nicht erlangt werden. Mit der Frage, ob ISIS und Al- Qaida als „militärische oder militär-ähnliche Einrichtungen“ eingeschätzt werden, haben sich die Sicherheitsbehörden nicht befasst, da bereits aufgrund der vorstehenden Gesichtspunkte ein hinreichender Tatverdacht gegen Einzelpersonen nicht bestand.