BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3364 21. Wahlperiode 01.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 22.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Erneuter Suizid in einer Hamburger Justizvollzugsanstalt – 21-Jähriger erhängt sich in der JVA Hahnöfersand In der Nacht von Donnerstag, 18. Februar 2016, auf Freitag, 19. Februar 2016, hat sich der Untersuchungsgefangene Diabi J. in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfersand das Leben genommen. Er befand sich seit dem 15. Januar 2016 wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in der JVA Hahnöfersand. Die Justizbehörde hat seit dem Jahr 2010 bestehende Maßnahmen zur Suizidprävention ergänzt; dennoch gab es allein im Jahr 2015 laut Angaben des Senats in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/2168 bis zum 9. November 2015 neben sechs natürlichen Todesfällen sieben Suizidversuche und zwei vollendete Suizide. In der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/2168 führt der Senat aus: „Zur Prüfung der Suizidgefahr wird im Rahmen des Aufnahmegesprächs in der Zuführungsabteilung der Untersuchungshaftanstalt mit jedem/r aufgenommenen Gefangenen ein spezielles Suizid-Screening, gegebenenfalls mit Beteiligung des Psychologischen oder Medizinischen Dienstes, durchgeführt. Dieses Suizidscreening ist ein speziell für die Abläufe und Erfordernisse der Untersuchungshaftanstalt entwickeltes Verfahren und wird im hamburgischen Justizvollzug dementsprechend nur in der Untersuchungshaft durchgeführt… In allen Hamburger Justizvollzugsanstalten wird darüber hinaus grundsätzlich unverzüglich nach der Aufnahme ein Aufnahmegespräch geführt. In diesem Gespräch sowie im Rahmen der medizinischen Aufnahmeuntersuchung und folgend im Zugangsgespräch mit der Vollzugsabteilungsleitung wird besonders geprüft, ob es Anhaltspunkte für eine Suizidgefährdung gibt.“ Zudem wurde als Maßnahme zur Suizidprävention die Sicherstellung der psychologischen Versorgung von Gefangenen auch am Wochenende und an Feiertagen eingeführt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Informationen liegen der zuständigen Behörde über den Gefangenen , der sich am 19. Februar 2016 in der JVA Hahnöfersand das Leben nahm, vor? Der Gefangene J. wurde am 14. Januar 2016 festgenommen und befand sich zunächst in der Untersuchungshaftanstalt (UHA). Am 18. Januar 2016 wurde er der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfersand zugeführt. Die Untersuchungshaft war vom Drucksache 21/3364 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Amtsgericht Hamburg wegen des Verdachts des Besitzes von Betäubungsmitteln angeordnet worden. J. wurde vorgeworfen, ……………………………………………… ………………………………………………………. Die Untersuchungshaft wurde verhängt , weil Fluchtgefahr bestand. Ausweislich des Haftbefehls vom 15. Januar 2016 gab es bereits ………………………. gegen ihn ………………………………………… .…………….; er wurde bereits am 26. Dezember 2015 festgenommen und einem Haftrichter vorgeführt, allerdings ohne dass ein Haftbefehl erlassen wurde. Mit Datum vom 17. Februar 2016 wurde seitens der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, die dem Gefangenen aber nicht zugegangen ist. Darin wird ihm vorgeworfen, in der Zeit vom …………………….. bis zum ………….…...…… in …..…. Fällen …………...……. Betäubungsmitteln ………………………………………………………………… 2. Aus welchem Land stammt der Gefangene, seit wann befand er sich in Hamburg und welchen Aufenthaltsstatus hatte er? Der Gefangene stammte aus ………………. und war ausweislich des Haftbefehls seit Oktober 2014 als Asylbewerber in Deutschland und einer Unterkunft in ………….…… zugewiesen. Es kann nicht festgestellt werden, seit wann genau er sich in Hamburg aufhielt. Gemäß Anklageschrift zumindest seit Dezember 2014. 3. Hatte der Gefangene Angehörige in Hamburg? Der Gefangene hatte angegeben, dass seine Eltern und eine Schwester in ……….……. leben. In Hamburg habe er bei einem Freund gelebt, zu dem er keine weiteren Angaben machte. Zeitgleich in der JVA Hahnöfersand inhaftiert war zudem ein ……… des Verstorbenen. 4. Wann und vom wem wurde der Gefangene zuletzt lebend gesehen? Der Gefangene wurde am 18. Februar 2016 gegen 18 Uhr von dem Mitarbeiter, der den Nachteinschluss vornahm, zuletzt lebend gesehen. 5. Waren Anzeichen von Depressionen, Ängsten oder psychischen Beeinträchtigungen zu erkennen? Falls ja, welche Maßnahmen wurden daraufhin wann von wem eingeleitet ? Nein. 6. Ist bekannt, ob der Gefangene betäubungsmittelabhängig war? Beim Zugangsgespräch in der Aufnahmeabteilung für die Untersuchungshaft der JVA Hahnöfersand hat der Gefangene angegeben, …………………..……………………… ………….. Hinweise auf eine Abhängigkeit haben sich dabei nicht ergeben. 7. Laut Pressemitteilung der Justizbehörde wurde bei dem Gefangenen unmittelbar nach seiner Zuführung ein Suizidscreening durchgeführt, das keinen Anlass zu besonderen Sicherungsmaßnahmen gab. a. Handelt es sich um das Suizidscreening, das der Senat in seiner Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/2168 für die Untersuchungshaftanstalt beschrieben hat? b. Was umfasste das bei Diabi J. durchgeführte Suizidscreening genau? c. Erfolgte eine Begutachtung nach dem „Vier-Augen-Prinzip“? Falls nein, weshalb nicht? d. Wann und durch wen wurde das Suizidscreening durchgeführt? Bei J. wurde am Vormittag des 15. Januar 2016 um 10.50 Uhr von einem Mitarbeiter der Zuführungsabteilung der Untersuchungshaftanstalt das in der Drs. 21/2168 für die Untersuchungshaftanstalt beschriebene Suizidscreening durchgeführt, das keinen Anlass zu besonderen Sicherungsmaßnahmen ergab. Dieses umfasst eine Auswertung der Aktenlage in Bezug auf bestimmte Delikte (Tötungsdelikt , Sexualdelikt, Brandstiftung, Straftat während einer Vollzugslockerung) und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3364 3 schriftliche Hinweise aus den Haftunterlagen auf ein erhöhtes Suizidrisiko oder einen Substanzmissbrauch. Sobald einer dieser Faktoren vorliegt oder der Gefangene sich aktuell auffällig verhält, erfolgt eine Unterbringung auf der Sicherungs- und Beobachtungsstation . Besondere Sicherungsmaßnahmen werden auch angeordnet, wenn der Gefangene aktuell auf Befragen Suizidgedanken äußert. Wenn der Gefangene auf Befragen in dem Screening über frühere Suizidversuche berichtet, wird er zur weiteren Abklärung umgehend dem ärztlichen oder psychologischen Dienst der Anstalt vorgestellt. Eine umgehende Abklärung durch den ärztlichen oder psychologischen Dienst erfolgt auch, wenn der Gefangene während des Screenings unglaubwürdig, unterschwellig aggressiv, verzweifelt, psychisch krank oder sehr zurückgezogen wirkt. Nur für den Fall, dass sich bei J. aus dem Suizidscreening Hinweise auf eine mögliche Suizidgefährdung ergeben hätten, wäre nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ über weitere Maßnahmen zu entscheiden gewesen. Da der Gefangene kein Deutsch sprach, hat eine Dolmetscherin übersetzt. 8. Welche suizidpräventiven Maßnahmen wurden bei diesem Gefangenen angeordnet? Spezielle suizidpräventive Maßnahmen sind nicht ergriffen worden, weil das Verhalten und die darauf beruhende Einschätzung von dem Gefangenen dazu keinen Anlass gegeben haben. 9. Inwiefern ist die psychologische Versorgung von Gefangenen der JVA Hahnöfersand auch an Wochenenden und Feiertagen gewährleistet? An Wochenenden und an Feiertagen kann im Bedarfsfall eine psychologische Fachkraft bei der zuständigen Behörde angefordert werden. 10. Wie hat sich die Anzahl der Suizidversuche, Suizide und natürlichen Todesfälle seit dem 9. November 2015 entwickelt? Bitte pro Justizvollzugsanstalt wie in Drs. 21/2168 darstellen. Justizvollzugsanstalt BW FB GM HS SH UH Gesamt ab 09.11. bis 31.12.2015 Suizidversuche 0 Suizide 0 andere Todesfälle 0 ab 01.01. bis 23.02.2016 Suizidversuche 1 1 Suizide 1 1 andere Todesfälle 1 1 2 BW=Billwerder FB=Fuhlsbüttel GM=Glasmoor HS=Hahnöfersand SH=Sozialtherapeutische Anstalt UH=Untersuchungshaftanstalt