BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3455 21. Wahlperiode 04.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 26.02.16 und Antwort des Senats Betr.: Belastung der Hamburger Justiz – Situation der Verwaltungsgerichtsbarkeit (II) Die gestiegenen Zahlen in den Asylverfahren belasten die Verwaltungsgerichtsbarkeit weiter. Bis zum 3. Quartal 2015 sind 1.398 Klagen in Asylsachen beim Verwaltungsgericht Hamburg eingegangen (vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage FDP-Fraktion Drs. 21/2484). Das sind 1.003 Klagen mehr als im gesamten Jahr 2010. Die Zahl der Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen ist im selben Zeitraum von 130 auf 1.080 angestiegen (vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage FDP-Fraktion Drs. 21/2484). Die komplexen Verfahren und die zunehmende Belastung bleiben. Der Senat hat keine Konzepte oder Ideen angeboten. Die angekündigten verlässlicheren Standards in der Rechtsprechung und effektivere Verfahrensabläufe durch Eröffnung einer weiteren Instanz (Oberverwaltungsgericht) wurden zwar auf der Justizministerkonferenz am 12. November 2015 in Berlin gefordert. Diese sind bisher noch nicht umgesetzt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie haben sich die Zahlen der Neuzugänge von 2013 bis zum Februar 2016 am Hamburger Verwaltungsgericht bezogen auf a. Klagen in allgemeinen Sachen, b. Klagen in Asylsachen, c. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen, d. Verfahren im asylrechtlichen Eilverfahren entwickelt? e. Wie viele Klagen bei „Dublin-Verfahren“ sind darunter? 2. Wie viele erledigte Verfahren gab es von 2010 bis 2016 (bitte auch in Dublin-Verfahren und andere gliedern)? Wie viele Verfahren laufen noch (bitte auch in Dublin-Verfahren und andere gliedern)? 3. Wie stellen sich die durchschnittlichen Verfahrensdauern am Verwaltungsgericht und am Oberverwaltungsgericht von 2013 bis zum Februar 2016 dar, auch im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (bitte gliedern nach Klagen in allgemeinen Sachen, Klagen in Asylsachen und Verfahren im asylrechtlichen Eilverfahren, Klagen bei Dublin-Verfahren)? Die sogenannten Dublin-Verfahren werden statistisch bundeseinheitlich erst seit Beginn dieses Jahres gesondert erfasst. Differenzierte Aussagen über Eingangszahlen , Erledigungen und Verfahrensdauern sind daher erst mit dem Berichtsmonat Januar 2016 möglich. Um die Daten der Vorjahre zu ermitteln, wäre eine händische Auswertung sämtlicher Asylverfahren seit 2010 erforderlich. Diese Aktenauswertung Drucksache 21/3455 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 von mehreren Tausend Akten, die zudem überwiegend bereits archiviert sind, ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die übrigen erbetenen Daten sind der Anlage zu entnehmen. 4. Welche krankheitsbedingte Fehlzeitenquote ist für das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht in den Jahren 2014 bis zum Februar 2016 für die Richterinnen und Richter sowie für das Personal im Servicebereich festgestellt worden, auch im Vergleich zum Durchschnitt in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit der Freien und Hansestadt Hamburg ? Die Vergleichsdaten aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit beinhalten auch Daten aus den Bereichen Familiengericht und freiwillige Gerichtsbarkeit, da in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ebenso wenig wie im Bereich der Fachgerichtsbarkeit Fehlzeiten einer bestimmten Verfahrensart zugeordnet werden. Da es sich bei den Fehlquoten um prozentuale Angaben handelt, unterliegen Abweichungen zwischen den Berichtsjahren bei kleineren Gerichten wie zum Beispiel dem Oberverwaltungsgericht naturgemäß stärkeren Schwankungen als bei größeren Gerichten. Unter Berücksichtigung dieses Hinweises können die Fehlzeitenquoten der folgenden Tabelle entnommen werden: Verwaltungsgericht (VG) Berufskategorien 2014 2015 01/2016 Bürofach-/Bürohilfskräfte 11,8 % 12,7 % 4,0 % Richter/innen, Staatsanwälte/innen 3,7 % 3,4 % 3,9 % Oberverwaltungsgericht (OVG) Berufskategorien 2014 2015 01/2016 Bürofach-/Bürohilfskräfte 22,0 % 15,4 % 11,5 % Richter/innen, Staatsanwälte/innen 0,9 % 2,2 % 7,1 % Hanseatisches Oberlandesgericht Berufskategorien 2014 2015 01/2016 Bürofach-/Bürohilfskräfte 9,2 % 8,6 % 11,1 % Richter/innen, Staatsanwälte/innen 2,3 % 1,2 % 3,4 % Landgericht Hamburg Berufskategorien 2014 2015 01/2016 Bürofach-/Bürohilfskräfte 8,6 % 9,5 % 4,7 % Richter/innen, Staatsanwälte/innen 1,0 % 1,6 % 2,3 % Amtsgerichte Berufskategorien 2014 2015 01/2016 Bürofach-/Bürohilfskräfte 7,8 % 8,7 % 6,1 % Richter/innen, Staatsanwälte/innen 2,0 % 1,9 % 1,0 % 5. Wie viele Ausbildungsplätze gibt es am Verwaltungsgericht? a. Wie hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze von 2010 bis 2016 verändert ? b. Gibt es eine ausreichende Zahl an Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildungsplätze? Welche Maßnahmen plant die zuständige Behörde, um mehr Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen? c. Gibt es Ausbildungsplätze, die unbesetzt sind? Wenn ja, wie viele und warum? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3455 3 d. Wie ist die Besoldung geregelt im Vergleich zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes? e. Wie hoch ist die krankheitsbedingte Fehlzeitenquote für Auszubildende am Verwaltungsgericht? Wie hat sich diese in den Jahren 2010 bis 2016 entwickelt, auch im Vergleich zu Auszubildenden der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit? Die Ausbildung für die Servicebereiche der Gerichte und Staatsanwaltschaften findet zentral in der Verantwortung des Präsidenten des Amtsgerichts statt. Bei den Verwaltungsgerichten absolvieren lediglich einzelne Auszubildende im Zuge einer Wahlpflichtstation praktische Ausbildungsteile. 6. Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Belastungssituation am Verwaltungsgericht anhand a. der zunehmenden Verlagerung der Hauptlast der Ermittlungstätigkeit in das gerichtliche Verfahren? b. der gestiegenen Komplexität der gerichtlichen Verfahren? Wie hat sich dies von 2014 bis 2016 verändert? c. Ist der in Drs. 21/2484 aufgeführte Bewertungsprozess abgeschlossen ? Wenn ja, seit wann und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Der Bewertungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. 7. Sind die zu Beginn 2016 und in 2015 beschlossenen Personalverstärkungen im richterlichen und nichtrichterlichen Bereich umgesetzt worden ? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Wie viel zusätzliches Personal benötigt das Verwaltungsgericht, um die Neuzugänge, insbesondere im Asylverfahren und in asylrechtlichen Eilverfahren, besser bearbeiten zu können? Die im Jahr 2015 beschlossenen Personalverstärkungen wurden umgesetzt. Insgesamt ist das Verwaltungsgericht um zwei zusätzliche Kammern und vier zusätzliche Servicekräfte verstärkt worden. Trotz des Anstiegs der asylrechtlichen Verfahren ist es nach Einschätzung der Verwaltungsgerichte derzeit möglich, den Arbeitsanfall zu bewältigen. Gleichwohl wird das Verwaltungsgericht 2016 zunächst um eine weitere Kammer und zwei zusätzliche Kräfte für den Servicebereich verstärkt, da für 2016 ein Anstieg der Eingangszahlen erwartet wird. 8. Gibt es aus Sicht des Senats in der Freien und Hansestadt Hamburg bei den Behörden im Laufe von Prozessen die Tendenz, Verfahren nach der VwGO trotz Niederlagen in der Vorinstanz und trotz geringer Erfolgsaussichten bis in die letzte Instanz weiter zu verfolgen? Wenn ja, in wie vielen Fällen? Wie wird dem vonseiten des Senates beziehungsweise der zuständigen Behörde im Interesse einer handlungsfähigen Justiz entgegengewirkt? Generell finden regelmäßig ressortübergreifende Gespräche zur Optimierung von Geschäftsabläufen statt, so auch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Im Übrigen siehe Antwort zu 6. a. bis c. 9. Wie ist der aktuelle Stand zur Forderung auf der Justizministerkonferenz vom 12. November 2015, bei asylrechtlichen Eilverfahren eine weitere Instanz (Oberverwaltungsgericht) zu eröffnen? Welche Ergebnisse hat die einrichtete Arbeitsgruppe erzielt und wie oft hat diese getagt? Wird es einen Bericht im März 2016 geben? Was erarbeitet die Unterarbeitsgruppe „Rechtsmittel“ unter Beteiligung von Hamburg? Drucksache 21/3455 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Justizministerinnen und Justizminister haben unter dem Vorsitz der Länder Niedersachsen und Baden-Württemberg eine länderoffene Arbeitsgruppe „Asylprozess“ eingerichtet. Der Auftrag dieser Arbeitsgruppe ergibt sich aus den Beschlüssen der Justizministerkonferenzen vom 17./18. Juni 2015 (TOP I.16) sowie vom 12. November 2015 (TOP I.1.a. und I.1.d.). Die Arbeitsgruppe hat bisher einmal getagt. Die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe ist auf Ende März 2016 terminiert. In der Arbeitsgruppe wurden vier Unterarbeitsgruppen gebildet. Diese umfassen folgende Themenbereiche: Rechtsweg und Verfahren bei asyl- und aufenthaltsrechtlichen Haftsachen Gerichtsverfassungsrechtliche Fragen Verfahren im ersten Rechtszug Rechtsmittelverfahren Hamburg wirkt an der Unterarbeitsgruppe „Rechtsmittelverfahren“ mit. Aufgabe dieser Unterarbeitsgruppe ist es, die speziellen verwaltungsprozessualen Vorschriften des Asylverfahrens- beziehungsweise Asylgesetzes (AsylVfG beziehungsweise AsylG) einer Überprüfung zu unterziehen und Änderungsbedarfe zu identifizieren. Insbesondere wird dabei geprüft, ob die Erweiterung von Rechtsschutzmöglichkeiten – auch in asylrechtlichen Eilverfahren – im Asylgesetz zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung und damit einhergehend zu einer Beschleunigung der Verfahren, der Entlastung der Justiz und einem effektiven Rechtsschutz für die Betroffenen führen kann. Die Arbeitsgruppe wird voraussichtlich der Frühjahrs-Justizministerkonferenz (1. bis 2. Juni 2016) einen Zwischenbericht zu den asylverfahrens- und den strafrechtlichen Fragen vorlegen. Es ist beabsichtigt, darin die in den Unterarbeitsgruppen erarbeiteten Rechtsetzungsvorschläge ausführlich darzustellen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3455 5 Anlage Frage 1 a) bis e) Verwaltungsgericht Hamburg - Neuzugänge 2013 2014 2015 2016 Jan 2016 Feb 1 Klagen in allgemeinen Sachen 2.259 1.860 1.673 129 k.A. Klagen in Asylsachen 889 1.386 1.685 75 k.A. davon in "Dublin-Sachen" 2 k.A. k.A. k.A. 6 k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 3.859 2.952 2.950 79 k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 454 958 1.318 63 k.A. davon in "Dublin-Sachen" 2 k.A. k.A. k.A. 6 k.A. Frage 2, 1. Satz Verwaltungsgericht Hamburg - Erledigungen 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Jan 2016 Feb 1 Klagen in allgemeinen Sachen 2.119 2.029 1.927 1.944 1.968 1.710 105 k.A. Klagen in Asylsachen 303 362 594 752 1.059 1.572 90 k.A. davon in "Dublin-Sachen" 2 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 0 0 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 3.328 3.384 3.761 3.839 2.933 3.031 89 k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 113 143 276 404 824 1.361 55 k.A. davon in "Dublin-Sachen" 2 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 0 4 Frage 2, 2. Satz Verwaltungsgericht Hamburg - Bestand nicht erledigter Verfahren 31.01.2016 1 Klagen in allgemeinen Sachen 2.350 Klagen in Asylsachen 1.356 davon in "Dublin-Sachen" 2 6 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 150 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 199 davon in "Dublin-Sachen" 2 6 Frage 3 Verwaltungsgericht Hamburg - Durchschnittliche Verfahrensdauern in Monaten 2013 2014 2015 2016 Jan 2016 Feb 1 Klagen in allgemeinen Sachen 13,5 13,9 14,6 11,8 k.A. Klagen in allgemeinen Sachen Bundesdurchschnitt 3 8,6 10,3 k.A. Klagen in Asylsachen 10,7 9,7 9,3 7,5 k.A. Klagen in Asylsachen Bundesdurchschnitt 3 9,2 8,6 k.A. davon in "Dublin-Sachen" 2 k.A. k.A. k.A. / k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 1,6 1,7 1,6 2,2 k.A. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen Bundesdurchschnitt 3 2,2 2,3 k.A. Drucksache 21/3455 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Verwaltungsgericht Hamburg - Durchschnittliche Verfahrensdauern in Monaten 2013 2014 2015 2016 Jan 2016 Feb 1 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen 1,2 1,6 2,5 3,2 k.A. davon in "Dublin-Sachen" 2 k.A. k.A. k.A. / 0,5 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in Asylsachen Bundesdurchschnitt 3 0,8 1,1 k.A. Oberverwaltungsgericht Hamburg - Durchschnittliche Verfahrensdauern in Monaten 2013 2014 2015 2016 Jan 2016 Feb 1 Klagen 32,0 18,3 27,6 -- k.A. Klagen Bundesdurchschnitt 3 16,2 15,3 k.A. Berufungen und Berufungszulassungen in allgemeinen Sachen 13,1 11,7 15,3 9,2 k.A. Berufungen und Berufungszulassungen in allgemeinen Sachen Bundesdurchschnitt 3 10,9 11,1 k.A. Berufungen und Berufungszulassungen in Asylsachen 4 12,3 14,0 10,0 4,5 k.A. Berufungen und Berufungszulassungen in Asylsachen Bundesdurchschnitt 3 5,6 7,2 k.A. Beschwerden im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen 3,7 2,7 3,0 1,9 k.A. Beschwerden im einstweiligen Rechtsschutz in allg. Sachen Bundesdurchschnitt 3 3,3 3,1 k.A. Fußnoten/Anmerkungen 1) Für Februar 2016 liegen überwiegend noch keine Zahlen vor. Lediglich zu den "Dublin- Sachen" konnten einige Werte für das Verwaltungsgericht aufgrund der geringen Anzahl händisch ermittelt werden. 2) Dublin-Sachen: Verfahren betreffend die "Verordnung zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist" [VO (EG) 604/2013 - Dublin-Verordnung v. 26.06.2013, Neufassung der VO von 2003] 3) Bundesdurchschnittswerte werden nur einmal jährlich ermittelt. Für 2015 liegen noch keine Ergebnisse vor. 4) Beim Oberverwaltungsgericht sind seit dem 01.01.2016 keine Dublin-Sachen erledigt worden.