BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3510 21. Wahlperiode 08.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 02.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Leistungsfähigkeit des Schienennetzes des HVV Das Hamburger U- und S-Bahn-Netz bildet die Grundlage des öffentlichen Personennahverkehrs. Abseits der während der Hauptverkehrszeiten oft überlasteten Straßen bietet der HVV schnelle und zuverlässige Verbindungen an, die viele Fahrgäste zu schätzen wissen. Daher ist es naheliegend, wenn bei weiter steigenden Verkehrszahlen in „der wachsenden Stadt“ nunmehr über einen Ausbau des vorhandenen Netzes konkret nachgedacht wird. Doch angesichts der Milliardensummen an Steueraufkommen, die für den Bau von S4, S21 und U5 eingesetzt werden sollen, bedarf es Entscheidungen mit Augenmaß – und einer Beteiligung der Hamburger, die schließlich einmal davon profitieren sollen. Während in der Vergangenheit die Planungen vom Senat oft erst unmittelbar vor Baubeginn bekannt gemacht wurden, soll nach dem Willen der Bürgerschaft in Zukunft die frühzeitige Partizipation des Bürgers im Mittelpunkt stehen. Damit der Bürger aber auch die Möglichkeit einer fachlich fundierten Beteiligung in einem frühen Stadium der Planung hat (dann, wenn noch keine grundsätzlichen Entscheidungen getroffen sind), ist es wichtig, einige Grundlegende Eckpunkte des vorhandenen Schienennetzes zu kennen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) und der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) wie folgt: 1. Wie hoch ist die Auslastung des vorhandenen U- und S-Bahn-Netzes? Bitte die Zugfolgen für alle Linien und Streckenabschnitte im Einzelnen aufführen. Die minimalen Zugfolgeabstände während der Hauptverkehrszeit betragen bei der U-Bahn drei Züge je zehn Minuten und Richtung auf den Linien U1 und U3, zwei Züge je zehn Minuten auf der Linie U2 sowie ein Zug je zehn Minuten auf der Linie U4. Zwischen den Stationen Billstedt und Jungfernstieg überlagern sich die Linien U2 und U4 dabei zu einem Abstand von drei Zügen je zehn Minuten und Richtung. Bei der S-Bahn beträgt die Zugfolge ein Zug je zehn Minuten und Richtung auf den Linien S1, S11, S2, S21, S3 und S31. Durch Linienüberlagerungen auf einzelnen Streckenabschnitten ergeben sich dichtere Zugfolgezeiten auf folgenden Abschnitten: Zwischen Altona, Jungfernstieg und Berliner Tor bis zu vier Züge je zehn Minuten und Richtung, zwischen Holstenstraße, Dammtor und Hauptbahnhof bis zu drei Züge je zehn Minuten und Richtung sowie zwischen Hauptbahnhof und Neugraben, Altona und Blankenese, Berliner Tor und Ohlsdorf, Diebsteich und Elbgaustraße sowie Berliner Tor und Bergedorf bis zu zwei Züge je zehn Minuten und Richtung. Drucksache 21/3510 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2. Lässt sich die Zugfolge aufgrund aktuell installierter Technik weiter verdichten ? Bis zu welchem Grenzwert? Bitte für U-Bahn und S-Bahn und gegebenenfalls Streckenabschnitt getrennt angeben. Ohne Anpassungen der vorhandenen Zugsicherungstechnik können sowohl bei den U-Bahn- als auch bei den S-Bahn-Linien maximal vier Züge pro zehn Minuten mit befriedigender Betriebsqualität gefahren werden. 3. In München gibt es Zugabstände von 90 Sekunden auf der unterirdischen City-S-Bahn-Strecke, Lässt sich auch in Hamburg die Zugfolge durch verbesserte Technik weiter erhöhen? Bis zu welchem Grenzwert? Bitte auch Aussagen zur U-Bahn. Erforderliche Maßnahmen bitte detailliert mit Kosten angeben. Bei entsprechenden Anpassungen der vorhandenen Zugsicherungstechnik wären auch bei der U-Bahn in Hamburg Eineinhalb-Minuten-Takte möglich. Auch bei der S-Bahn könnte dies durch Anpassungen der Signaltechnik erreicht werden. Aufgrund des derzeit nicht vorhandenen Bedarfs wurden für die entsprechenden Anpassungen noch keine Kosten ermittelt. 4. Sind die Zuglängen während der Hauptverkehrszeiten jeweils entsprechend der vorhandenen Bahnsteiglängen voll ausgenutzt? Bitte für alle Linien jeweils detailliert aufführen. 5. Sind die maximal schon heute vorhandenen Bahnsteiglängen durchgängig im Gesamtnetz vorhanden? Falls nein: Bitte detailliert für das Gesamtnetz angeben, welche Bahnsteiglängen vorhanden sind. Auf den Linien U1 und U2 werden die Bahnsteiglängen für 120 Meter lange Züge voll ausgenutzt. Auf der Linie U3 lassen die vorhandenen Bahnsteiglängen auf dem Streckenabschnitt Hauptbahnhof Süd – Schlump – Saarlandstraße nur 80 Meter lange Züge zu, wodurch die Fahrzeuglängen auf der Gesamtlinie definiert sind. Die vorhandenen Bahnsteiglängen für 120 Meter lange Züge auf dem Abschnitt Barmbek – Mundsburg – Berliner Tor können daher nicht voll ausgenutzt werden. Auf der Linie U4 verkehren in Anpassung an den derzeitigen Bedarf und in Abhängigkeit von der weiteren städtebaulichen Entwicklung im Stadtteil HafenCity 60 bis 80 Meter lange Züge. Die Bahnsteiglängen lassen dort 120 Meter lange Züge zu. Bei der S-Bahn ist maximal der Einsatz neunteiliger „Langzüge“ möglich, sofern ausreichende Bahnsteiglängen vorhanden sind. Dies ist auf den Abschnitten Pinneberg – Jungfernstieg – Neugraben, Altona – Dammtor – Hauptbahnhof sowie Hauptbahnhof – Bergedorf möglich. Zurzeit werden Langzüge in den Hauptverkehrszeiten planmäßig auf der Linie S3 eingesetzt. 6. Könnte durch Verlängerung von einzelnen Bahnsteigen die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Strecke gesteigert werden? 7. Falls ja: Welche Haltestellen/Stationen würde dies betreffen? Ja. Die Leistungsfähigkeit einer Linie kann jedoch nur gesteigert werden, wenn alle Bahnsteige der Streckenabschnitte einheitliche Längen aufweisen. Im U-Bahn-Netz betrifft dies die U3 Hauptbahnhof Süd – Schlump – Saarlandstraße. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. und 5. Grundsätzlich wird im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) die Planung maximaler Bahnsteiglängen (bei der U-Bahn 125 Meter, bei der S-Bahn 210 Meter) angestrebt. Werden diese Längen unterschritten, weil zum Beispiel die Nachfrage den Einsatz kürzerer Züge erlaubt, wird eine Verlängerungsoption von Beginn an berücksichtigt (so sieht die S4 Ost Altona – Bad Oldesloe planerisch den Einsatz neunteiliger „Langzüge “ vor, obwohl dort zunächst sechsteilige „Vollzüge“ ausreichen). Maximallängen werden nur dann nicht umgesetzt, wenn Stationen einer Strecke mangels langfristig erkennbarem Bedarfes keine Verlängerungen erfordern (zum Beispiel geplante S-Bahnhöfe Ottensen oder zwischen Eidelstedt-Zentrum und Kaltenkirchen). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3510 3 8. Ist dies konkret geplant? Wenn nein: warum nicht? Nein. Bei Bedarf kann die Leistungsfähigkeit durch eine verdichtete Zugfolge noch in einem ausreichenden Maß gesteigert werden. Weiterhin sprechen technische, wirtschaftliche und denkmalpflegerische Belange gegen einen Ausbau betroffener Haltestellen . 9. Welches Konzept verfolgt der HVV derzeit beim Neubau von U-/S-Bahn- Stationen hinsichtlich der Bahnsteiglänge? Beim Neubau von U-Bahn-Haltestellen werden die Haltestellen für 120 Meter lange Züge ausgelegt. 10. Einzelne Linien sind heute während der Spitzenzeiten schon sehr stark ausgelastet. Verfügt der HVV über konkrete Auslastungszahlen der einzelnen Linien während der Hauptverkehrszeiten? Wenn ja: bitte einzeln nach Linien angeben. Ja. Im Übrigen siehe Drs. 20/14060. 11. Bei stark ausgelasteten Linien: Besteht das Bestreben, während der Hauptverkehrszeiten für jeden Fahrgast einen Sitzplatz zur Verfügung zu haben? Welches Konzept der Zugbelegung wird hier verfolgt? Nein, da eine derartige Vorgabe außerhalb der Hauptverkehrszeiten (HVZ) zu unwirtschaftlichen Überkapazitäten führen würde. Der HVV gibt den Betreibern der Schnellbahnen Soll-Werte zur Beförderungsqualität („BQ-Werte“) vor. Der BQ-Wert definiert in Abhängigkeit von Gebietsstrukturen, Verkehrszeiten und Fahrzeugtypen, wie viel Prozent der Fahrgäste einen Sitzplatz bekommen sollen. In den HVZ sollen zum Beispiel im Kerngebiet circa 50 Prozent, in der Nebenverkehrszeit (NVZ) 80 Prozent sowie in der Spätverkehrszeit (SVZ) 100 Prozent der Fahrgäste Sitzplatz bekommen. Die Vorgaben des HVV sind damit deutlich kundenfreundlicher als die anderenorts angewandten Empfehlungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). 12. Wie wird die Zugauslastung in Bezug auf die Zielsetzung beurteilt, den ÖPNV als attraktive Alternative zum privaten Pkw anzubieten? Sind für bisherige Autofahrer Stehplätze in einer überfüllten Bahn attraktiv? Die vorgegebenen BQ-Werte werden von den Verkehrsunternehmen grundsätzlich (Betriebsstörungen und ähnliche ausgenommen) eingehalten. Die Bahnen sind nicht überfüllt. Für die Verkehrsmittelwahl des Einzelnen ist das ÖPNV-Gesamtsystem maßgeblich. Bestehend aus sicherer Beförderung, hoher Sitzplatzverfügbarkeit, attraktiven Reisezeiten , dichtem Fahrplantakt, dichtem Haltestellennetz und im Vergleich zum Pkw geringeren Kosten, bietet dieses eine attraktive Alternative zum privaten Pkw. 13. Bestünde aufgrund des vorhandenen Fahrzeugbestandes überhaupt die Möglichkeit, zum Beispiel durch längere Züge oder engere Taktdichte die Fahrgastkapazität zu erhöhen? Der vorhandene Fahrzeugbestand der U-Bahn lässt in der Hauptverkehrszeit gezielte Angebotsverdichtungen auf einzelnen Linienabschnitten zu. Die langfristige Fahrzeugbeschaffungsstrategie der HOCHBAHN berücksichtigt den künftigen Bedarf von Taktverdichtungen in größerem Umfang. Im Bereich der S-Bahn werden mit Beginn des ab Dezember 2018 geltenden Verkehrsvertrags Ausweitungen der Fahrzeugkapazitäten , zum Beispiel durch Verlängerung von Zügen auf den Linien S3 und S11, umgesetzt. 14. Welche Entscheidungen welcher Gremien sind dafür gegebenenfalls nötig? Das erforderliche Angebot der Schnellbahnen (U- und S-Bahn) wird zwischen der zuständigen Behörde, dem HVV sowie den Verkehrsunternehmen regelmäßig abge- Drucksache 21/3510 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 stimmt. Maßnahmen wie die Beschaffung neuer U-Bahn-Fahrzeuge werden durch den Aufsichtsrat der HOCHBAHN beschlossen. 15. Wie viel Zeit vergeht aktuell angesichts der Auslastung der Schienenfahrzeugindustrie zwischen Bestellung und Auslieferung der Züge? Der Beschaffungsprozess neuer U- und S-Bahn-Fahrzeuge ist abhängig vom jeweiligen Hersteller, den technischen Fahrzeugausprägungen sowie den behördlichen Genehmigungsverfahren und kann nicht pauschal quantifiziert werden. So sind beispielsweise neue S-Bahn-Züge, die ab Dezember 2018 zum Einsatz kommen sollen, bereits heute im Bau.