BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3515 21. Wahlperiode 08.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann, Andrea Oelschlaeger und Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 02.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Vergewaltigung einer Minderjährigen Wie dem „Hamburger Abendblatt“ vom 01.03.2016 zu entnehmen ist, hat bereits am 11.02.2016 in Harburg ein Verbrechen an einem 14-jährigen Mädchen stattgefunden. Das Mädchen wurde alkoholisiert, sexuell missbraucht und nur wenig bekleidet in einem Hinterhof bei winterlichen Temperaturen hilflos zurück gelassen. Vier Tatverdächtige wurden bisher ermittelt, eine weitere anwesende Minderjährige hat die Tat mit ihrem Handy gefilmt. Das missbrauchte Mädchen stand laut Pressebericht unter der Obhut des Jugendamtes Wandsbek. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Bei den erfragten Informationen handelt es sich überwiegend um geschützte Sozialdaten im Sinne der §§ 35 SGB I, 61 fortfolgende SGB VIII, 67 fortfolgende SGB X. Nach dem umfassenden Sozialdatenbegriff der SGB I, VIII und X sind nicht nur alle in den Jugendamtsakten befindlichen Daten bezüglich des betroffenen Kindes Sozialdaten, sondern auch alle Daten über seine Familienmitglieder und Dritte. Die Übermittlung solcher Informationen durch den Senat kommt damit nur unter den engen gesetzlichen Voraussetzungen infrage. Gemäß § 67 b Absatz 1 S. 1 SGB X ist die Verarbeitung von Sozialdaten, zu der gemäß § 67 Absatz 6 S. 1 SGB X auch das Übermitteln gehört, nur zulässig, soweit eine Rechtsvorschrift im SGB dies erlaubt oder anordnet oder soweit der Betroffene schriftlich eingewilligt hat. Im SGB existiert keine Übermittlungsbefugnis zugunsten des Parlaments. Eine vorherige schriftliche Einwilligung der Betroffenen, die eine Übermittlung zulassen würde, liegt derzeit nicht vor. Auch der Umstand, dass viele Informationen bereits in den Medien verbreitet wurden, rechtfertigt eine Übermittlung von Sozialdaten nur dann, wenn die öffentlich bekannten Informationen nachweislich aus einer zuverlässigen Quelle stammen. Nicht als „öffentlich bekannt“ und damit dem Sozialdatenschutz unterliegend gelten Informationen aus „zweiter Hand“, vom Hörensagen und solche, deren Ursprung nicht bekannt ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie war die Unterbringungssituation des missbrauchten Mädchens? Lebt das Mädchen in einer betreuten Jugendwohnung oder vergleichbaren Einrichtung? 2. Wann wurde das Verschwinden des Mädchens aus der Unterbringungseinrichtung bemerkt? Drucksache 21/3515 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wurde das Mädchen bei der Polizei als „vermisst“ gemeldet? Wann und durch wen? 4. Wenn dies nicht geschehen sein sollte, warum nicht? Die Betroffene war im Rahmen einer stationären Hilfe in einer rund um die Uhr betreuten Wohngruppe untergebracht. Diese Wohngruppen sind mit einem Stellenschlüssel von 1:2,15 ausgestattet. Alle Betreuungszeiten inklusive der Nachtzeiten werden durch mindestens einen Sozialpädagogen abgedeckt. Freizeitaktivitäten der Minderjährigen außerhalb der Wohngruppe finden nur nach Absprache mit den Betreuern statt. Eine Vermisstenanzeige bei der Polizei wurde nicht erstattet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 5. Wie oft sind in den Jahren 2013, 2014 und 2015 durch die Jugendämter in Obhut genommene Jugendliche als „vermisst“ gemeldet worden? 6. Welche Regelungen gelten in den Einrichtungen, wenn in Obhut genommene Jugendliche nicht zeitgerecht vor Ort sind? Die Inobhutnahme durch das Jugendamt ist eine vorläufige Maßnahme zum Schutz von Kindern und Jugendlichen nach § 42 SGB VIII. Im Übrigen siehe Drs. 21/3174, Drs. 21/3322 und Drs. 21/3345. 7. Sind die ermittelten Tatverdächtigen bereits vorher strafrechtlich in Erscheinung getreten? Die Beschuldigten leben in Hamburg und sind jeweils nicht vorbestraft. Sie waren vor der Verhaftung in dieser Sache nicht in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert. Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes sieht der Senat davon ab, etwaige Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, der entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen ist. 8. Sind einer oder mehrere der Tatverdächtigen in Obhut der Jugendämter ? Siehe Vorbemerkung. 9. Wie ist der Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen? Nach Erkenntnissen der Polizei handelt es sich bei zwei Tatverdächtigen um serbische Staatsangehörige. Einer dieser Tatverdächtigen ist seit dem 5. Oktober 2015 im Besitz einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz, ausgestellt von der Ausländerbehörde Hamburg. Über den zweiten serbischen Staatsangehörigen liegen keine Erkenntnisse zum ausländerrechtlichen Status vor. Die drei weiteren Tatverdächtigen sind deutsche Staatsangehörige.