BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3527 21. Wahlperiode 11.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 03.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Polizeieinsatz im Innenhof des Montblanc-Gebäudes (Schanzenhof) Seit geraumer Zeit wehren sich alteingesessene Mieterinnen und Mieter des sogenannten Schanzenhofes im Stadtteil Sternschanze gegen die Kündigung ihrer Mietverträge. Im Anschluss an eine Informationsveranstaltung des Projekts Schanzenhof e.V. kam es am Abend des 25.02.2016 im Innenhof des Montblanc- Gebäudes (Schanzenhof), Bartelsstraße 12, zu einem Polizeieinsatz. Auf dem Privatgelände befindet sich neben der Rezeption und der Gastronomie des Hotelbetriebs Schanzenstern unter anderem auch der Zugang zum 3001-Kino. Augenzeugen/-innen zufolge wurden durch Einsatzkräfte der Polizei zwischen 21.00 und 0.45 Uhr über weite Strecken die Zugänge zum Innenhof (von Seiten der Bartels- sowie der Schanzenstraße) sowie zeitweise die Eingänge der auf dem Gelände befindlichen Betriebe blockiert. Des Weiteren wurden im Zuge des Polizeieinsatzes Personalienfeststellungen, Personenkontrollen und -durchsuchungen durchgeführt, Platzverweise erteilt, Zwangsmittel in Form von Handschellen und körperlicher Gewalt eingesetzt sowie mindestens eine Person in Gewahrsam genommen. Personen, die im Schanzenhof arbeiten, wurde der Zugang zu ihrem Arbeitsplatz verwehrt. Diverse Passanten haben den Polizeieinsatz durch Bild- und Videoaufnahmen dokumentiert. Ich frage den Senat: Bei dem Gebäudekomplex „Schanzenhof“ handelt es sich um ein ehemaliges Geschäftsgebäude, das sich in Privateigentum befindet. Die Eigentümer haben die Räumlichkeiten an Initiativen, Vereine und diverse soziale, kulturelle und bildungspolitische Einrichtungen als auch kleine Betriebe vermietet; in dem Objekt befinden sich keine Wohnungen. Der Innenhof ist öffentlich zugänglich. Nach den Erkenntnissen der Polizei haben die Eigentümer die bestehenden Mietverträge zum 31. März 2016 gekündigt, einige Mieter haben das Objekt bereits verlassen. Auf einschlägigen Internetseiten wird das Gebäude seit dem Bekanntwerden der Absicht der Eigentümer, das Gebäude verkaufen zu wollen, als Gentrifizierungsobjekt betrachtet und dieses im Viertel anhaltend thematisiert. Am Gebäudekomplex selbst haben unbekannte Täter wiederholt Farbschmierereien angebracht. Die überwiegend beleidigenden Schmierereien richteten sich teilweise konkret gegen die aktuellen Eigentümer sowie gegen den zukünftigen Investor und thematisierten die Schanzenhofproblematik. Vor dem Firmenobjekt der Eigentümer ist Drucksache 21/3527 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 es bis Januar 2016 mehrfach zu Protestaktionen und einer Sachbeschädigung gekommen. Darüber hinaus hat die Polizei im Zeitraum von Dezember 2015 bis Februar 2016 an einem Gebäude des neuen Investors in unmittelbarer Nähe des „Schanzenhof“ drei Sachbeschädigungen registriert. Insgesamt sind seit dem 30. Oktober 2015 bei der Polizei im Zusammenhang mit dem Themenkomplex „Schanzenhof“ bisher 32 Strafanzeigen erstattet worden. Nach den Feststellungen der Polizei fand am 25. Februar 2016, in der Zeit von 19 Uhr bis 20.47 Uhr, in einem Veranstaltungsraum im Schulterblatt 63 eine Informations- und Mobilisierungsveranstaltung unter dem Motto „Schanzenhof bleibt“ statt. Die Veranstaltung sollte laut Vorankündigung unter anderem auch zum „Austausch über geplante Aktionen“ genutzt werden. Anlässlich dieser Veranstaltung führte die Polizei zur Gefahrenabwehr Objektschutzmaßnahmen an den Zugangspunkten Bartelsstraße 12 und Schanzenstraße 75 sowie an dem Objekt Schanzenstraße 101 durch. Die Polizei konnte aufgrund der hohen Intensität der Protestaktionen in den letzten Wochen und dem anstehenden Kündigungstermin weitere strafbare Aktionen um und im „Schanzenhof“ nicht ausschließen. Nach Beendigung der Veranstaltung im Schulterblatt begaben sich nach den Feststellungen der Polizei einige Teilnehmer in die Schanzenstraße 75 vor das Objekt „Schanzenhof“. Die Polizei verweigerte einer Gruppe von fünf Personen aus Gründen der Gefahrenabwehr in der Bartelsstraße 12 den Zutritt zum „Schanzenhof“, um vergleichbare Straftaten aus der Vergangenheit im „Schanzenhof“ zu verhindern. Im Verlauf der Maßnahmen hat die Polizei bei allen fünf Personen die Identität festgestellt und gegen sie Aufenthaltsverbote ausgesprochen. Zwei der Personen verweigerten die Herausgabe von Personaldokumenten und wurden von der Polizei nach Ausweispapieren durchsucht, eine weitere Person wurde zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes in Gewahrsam genommen. Darüber hinaus hat die Polizei den beiden durchsuchten Personen und der in Gewahrsam genommenen Person aufgrund deren unkooperativen Verhaltens unmittelbaren Zwang angedroht. Eine der durchsuchten Personen und die in Gewahrsam genommene Person verhielten sich gegenüber den Einsatzkräften weiter aggressiv und widersetzten sich den Maßnahmen. Gegen beide setzte die Polizei im weiteren Verlauf unmittelbaren Zwang ein. Der einen Person wurden während der Identitätsfeststellung und der in Gewahrsam genommenen Person auf dem Transport zum Polizeikommissariat (PK) 16 Handfesseln angelegt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: (Bitte die Fragen einzeln und nicht gebündelt beantworten.) 1. Wie lange hat der oben genannte Polizeieinsatz insgesamt gedauert? (Bitte die genauen Uhrzeiten angeben.) Vom 25. Februar 2016, 20 Uhr, bis zum 26. Februar 2016, 01.10 Uhr. 2. Wie viele Beamtinnen und Beamte der Polizei Hamburg, anderer Bundesländer und der Bundespolizei und welche Gerätschaften wurden von wann bis wann, zu welchem Zweck und aufgrund welcher Gefahrenprognose bereitgehalten beziehungsweise eingesetzt 3. Inwiefern und in welcher Anzahl waren Zivilbeamte/-innen beteiligt? Es wurden 23 Beamte der Polizei Hamburg eingesetzt. Beamte anderer Länder oder der Bundespolizei wurden nicht eingesetzt. Darüber hinaus berührt die Fragestellung die Einsatztaktik der Polizei, zu der der Senat grundsätzlich keine Angaben macht; im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Inwiefern und mit welcher Begründung wurde das Gelände von Polizeieinheiten betreten? Siehe Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3527 3 5. Inwiefern wurden Übersichtsaufnahmen oder Ähnliches angefertigt? Wenn ja, auf welche Rechtsgrundlage und was waren genau die Gründe dafür? Es wurden keine Aufnahmen im Sinne der Fragestellung gefertigt. 6. Wer war zu welchen Zeiten jeweils der/die Einsatzleiter/-in? Der Einsatz wurde durch den Leiter der jeweilig diensthabenden Dienstgruppe das Polizeikommissariats 16 geleitet. 7. Was war der Anlass des oben genannten Polizeieinsatzes? Siehe Vorbemerkung. 8. Auf welcher Rechtsgrundlage, mit welcher Begründung und durch wen wurde der Polizeieinsatz angeordnet? Die Polizei wurde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung tätig; eine gesonderte Anordnung ist nicht erforderlich . 9. Ist die Polizei durch eine Privatperson an den Einsatzort gerufen worden ? 10. Wurde im Zuge des Einsatzes, der Polizei das Hausrecht übertragen? Wenn ja, durch wen? Nein. 11. Auf welcher Rechtsgrundlage ist die Polizei befugt, auf privatem Grund Platzverweise gegen Personen auszusprechen? Gemäß § 12 a des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG). 12. Auf welcher Rechtsgrundlage wurden im Zuge des oben genannten Polizeieinsatzes folgende Maßnahmen durchgeführt: Sicherung der Zugänge zum Innenhof von Seiten der Bartelstraße sowie der Schanzenstraße, Fixierung durch Handschellen, Durchsuchungen, Zwangsmittel in Form von körperlicher Gewalt, Personalienfeststellungen, Ingewahrsamnahme? Bitte den konkreten Anlass und die Rechtsgrundlage sämtlicher durchgeführter Maßnahmen angeben. Die polizeilichen Maßnahmen erfolgten auf Grundlage des SOG und dem Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG): Maßnahme Gesetzliche Grundlage Aufenthaltsverbote § 12 b SOG Unmittelbarer Zwang §§ 18 ff SOG Durchsuchung nach Ausweispapieren § 4 PolDVG Personalienfeststellung § 4 PolDVG Ingewahrsamnahme § 13 SOG 13. Wurde der Einsatz unmittelbaren Zwangs vor Anwendung angedroht? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann und warum wurde er umgesetzt? Ja; im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/3527 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 14. Aus welchem Grund und auf welcher Rechtsgrundlage wurde Betroffenen eine schriftliche Mitteilung bezüglich ihres Platzverweises verweigert ? Die Polizei hat die Aushändigung einer schriftlichen Mitteilung des Aufenthaltsverbots nicht verweigert. 15. Im Zuge des Einsatzes am 25./26.02.2016 gab ein Beamter auf Nachfrage nach der Rechtsgrundlage der angewendeten polizeilichen Maßnahmen an, es handele sich bei dem Gelände des Schanzenhofes um ein „gefährdetes Gebiet..“. Was bedeutet das? Welcher Rechtsgrundlage entspricht die Einstufung einer konkreten Fläche als „gefährdetes Gebiet“? Wer hat wann mit welcher Begründung den sogenannten Schanzenhof für welchen konkreten Zeitraum als „gefährdetes Gebiet“ deklariert? Zu vermeintlichen Äußerungen einzelner Beamter nimmt der Senat grundsätzlich keine Stellung. Der Senat hat sich hiermit im Übrigen nicht befasst. 16. Wie beurteilt der Senat die polizeilichen Maßnahmen am 25./26.02. auf dem „Schanzenhofgelände“ vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ? Abwehr von Gefahren durch bevorstehende Straftaten gehört zu den gesetzlichen Aufgaben der Polizei. Die von ihr hierzu im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften getroffenen Maßnahmen genügen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 17. Wie hoch waren die finanziellen Kosten des Einsatzes insgesamt? Kosten im Sinne der Fragestellung werden vom Senat nicht gesondert erhoben.