BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3561 21. Wahlperiode 15.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 07.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Geplante Großmoschee in Wilhelmsburg Im Dezember 2015 berichtete das „Hamburger Abendblatt“ darüber, dass im Rahmen der Schaffung des Quartiers „Neue Mitte Wilhelmsburg“ der Bau einer Großmoschee für bis zu 1.000 Gläubige geplant ist.1 Zur Überraschung der Öffentlichkeit stellte sich heraus, dass das Projekt damals nicht etwa neu war, sondern der Senat bereits seit zwei Jahren mit der DITIB Nord über die Planungen zum Bau des islamischen Gotteshauses verhandelte. Wie Zekeriya Altuğ, damaliger Vorsitzender des türkischen Islamverbands, erklärte , bestehe der Grund für das Bauprojekt in dem Streben der DITIB, endlich die Hinterhofmoscheen zu verlassen. Die Idee, im Süden Hamburgs eine Großmoschee zu errichten, geht in verschiedener Hinsicht mit den Entwicklungen konform, die sich seit Jahren auf der Elbinsel abspielen. Denn wie man weiß, ist die muslimische Community hier besonders groß, was man nicht zuletzt an der vergleichsweise stark ausgeprägten islamischen Infrastruktur der einzelnen Stadtteile sehen kann. Leider hat sich dies bislang nicht ausschließlich als Bereicherung für die kulturelle Vielfalt erwiesen, sondern nicht selten auch zu Problemen geführt. So werden in Harburg mindestens zwei Moscheevereine dem salafistischen Spektrum zugerechnet, während die Stadtverwaltung von Wilhelmsburg mittlerweile drei Moscheen als bei Salafisten beliebte Treffpunkte identifiziert hat.2 Darüber hinaus darf man annehmen, dass sich im Süden Hamburgs etwa die Hälfte der Bevölkerung zum Islam bekennt. Denn in Wilhelmsburg haben 58,2 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund; der entsprechende Anteil bei den 0- bis 17-Jährigen beträgt hingegen 77,6 Prozent.3 Vor diesem Hintergrund ist die Erklärung der DITIB, der zufolge eine gemeinsame Moschee ein sichtbares Zeichen für die Teilhabe der islamischen Glaubensgemeinschaften an der Gesellschaft sowie die Ausübung ihrer Religion setzte, nicht wirklich plausibel. Von außen betrachtet drängt sich vielmehr der Eindruck auf, als beabsichtige das Bauprojekt, Wilhelmsburg nun auch in architektonischer Hinsicht ein islamisches Antlitz zu verleihen. Obwohl oder vielleicht gerade weil der prozentuelle Anteil von Nichtmuslimen an der Bevölkerung in Hamburgs Süden stetig abnimmt, sind zahlreiche Anwohner aus diesem Milieu in der Regel eher skeptisch, wenn es um den Bau der geplanten Großmoschee geht. Dies zeigt auch der politische Diskurs , wo neben der Größe des Gebäudes vor allem die Frage thematisiert 1 Confer „Wilhelmsburg soll Moschee für bis zu 1000 Gläubige bekommen“. „Hamburger Abendblatt“ online vom 11.12.2015. 2 Confer „Wie Salafisten in Wilhelmsburg Einfluss nehmen“. Ibidem vom 16.10.2015. 3 Confer Drs. 21/2403. Seite 2. Drucksache 21/3561 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 wird, ob das Gotteshaus über Minarette verfügen wird – ein Merkmal, das das Stadtbild unverkennbar prägt. In diesem Zusammenhang hat der CDU- Bürgerschaftsabgeordnete Jörn Frommann geäußert, der auch im Regionalausschuss Wilhelmsburg vertreten ist, dass der Bau von Minaretten unter städtebaulichen Gesichtspunkten problematisch sei.4 Diese Aussage ist jedoch insofern verwunderlich, als der CDU-Senat im Juni 2013 selbst dafür gesorgt hat, dass der Bau von Minaretten grundsätzlich möglich ist. Denn im Staatsvertrag, den er damals mit verschiedenen muslimischen Trägerverbänden geschlossen hat, zu denen auch die DITIB Hamburg zählt, heißt es in Artikel 9, Paragraph 2: „Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet islamischen Religionsgemeinschaften das Recht, im Rahmen der geltenden Gesetze Moscheen, Gebets- und Versammlungsräume sowie Bildungseinrichtungen und sonstige Gemeindeeinrichtungen zu errichten und ihrer Bestimmung entsprechend zu betreiben. Dies schließt die Gewährleistung des Rechts ein, Moscheegebäude der islamischen religiösen Tradition entsprechend, insbesondere mit Kuppeln und Minaretten, auszustatten .“5 Der Standort Wilhelmsburg ist allerdings auch in anderer Hinsicht relevant. Denn im Falle einer Umsetzung des Bauprojekts würde die größte Moschee Hamburgs ausgerechnet in einer Region der Stadt entstehen, die bereits seit Jahren verstärkt mit dem Problem des Salafismus zu tun hat und in dieser Weise auch als Rückzugsgebiet von Salafisten genutzt worden ist. So lebten mit Mohammed Atta und Marwan Al-Shehhi gleich zwei Attentäter des 11. September 2001 in Harburg, während Pierre Vogel, Deutschlands einflussreichster Salafistenprediger, im Herbst 2014 seinen Wohnsitz vorübergehend ebenfalls hierher verlegte. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie sieht der Status quo des Bauprojekts „Großmoschee in Wilhelmsburg “ gegenwärtig aus? Ein Bauprojekt „Großmoschee in Wilhelmsburg“ existiert nicht. Die Stadt unterstützt jedoch den Bau einer auf den regionalen Bedarf ausgerichteten Moschee in Wilhelmsburg . Die DITIB-Gemeinde zu Hamburg Kirchdorf e.V. der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) hat sich im Jahr 2013 an verschiedene Stellen der Stadt mit dem Anliegen gewandt, Hilfe bei der Suche nach einem Grundstück für einen Moscheebau als Ersatz für die räumlich beengte Unterbringung der Gemeinde in einer Wohnanlage zu erhalten. Von der DITIB Nord als regionaler religiöser Dachverband der Gemeinde wurde das Anliegen als prioritär unterstützt. In Absprache der zuständigen Behörden unter Beteiligung des Bezirksamts Hamburg-Mitte ist der Gemeinde die Überlassung eines städtischen Grundstücks an der Dratelnstraße/ Thielenstraße im Wege der Bestellung eines entgeltlichen Erbbaurechts in Aussicht gestellt worden. Vor weiteren Verhandlungen hierüber sind Bauwerk und Architektur noch zu entwickeln und mit den zuständigen Behörden abzustimmen. 2. Inwiefern beziehungsweise wann wurde der Bezirk Mitte in die Planungen eingebunden? Falls nein, warum nicht? 4 „Wie Salafisten in Wilhelmsburg Einfluss nehmen“. „Hamburger Abendblatt“ online vom 11.12.2015. 5 Confer Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. und dem Verband der Islamischen Kulturzentren e.V. Seite 9. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3561 3 Im Zuge der Abstimmung des Rahmenkonzeptes „Hamburgs Sprung über die Elbe – Zukunftsbild 2013+“ (Drs. 20/13206), in dem als möglicher Standort einer Stadtteilmoschee das städtische Eckgrundstück Thielenstraße/Dratelnstraße vorgeschlagen wurde . Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Inwieweit beziehungsweise ab wann wurden die Bürger Wilhelmsburg in die Umsetzung des Projekts eingebunden? Falls nein, warum nicht? Im Rahmen des sogenannten Perspektiven-Prozesses fand am 20. November 2013 eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema Moscheeneubau unter anderem mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der DITIB Nord im Bürgerhaus Wilhelmsburg statt. Basis waren die offenen Planungswerkstätten zur Fortschreibung des Rahmenkonzeptes „Hamburgs Sprung über die Elbe - Zukunftsbild 2013+“ am 25./26. Januar 2013, in denen der Neubau einer Stadtteilmoschee thematisiert wurde. Im Übrigen befindet das Projekt noch nicht in der Umsetzung. 4. Inwieweit ist der Senat an der Finanzierung des Projekts beteiligt? Eine staatliche Finanzierung des Bauprojekts findet nicht statt. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 5. Welche Faktoren haben für die Wahl des Standorts Wilhelmsburg eine Rolle gespielt? In Wilhelmsburg gibt es eine Reihe islamischer Gemeinden, für die nur unzureichende Gebetsräume zur Verfügung stehen. Im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der Neuen Mitte Wilhelmsburg besteht die Möglichkeit, auf gut erschlossenen zentralen Flächen ein entsprechendes Angebot in die Planung einzubeziehen und für eine Verträglichkeit mit Nachbarnutzungen Sorge zu tragen. Die Wahl der Standorte religiöser Einrichtungen im Rahmen der planungsrechtlichen Gegebenheiten steht den Religionsgemeinschaften zu. Im Übrigen siehe Antwort zu 8. 6. Wie viele Moscheeverbände in Hamburg gehören gegenwärtig der DITIB an? Der DITIB gehört in Hamburg als Verband die DITIB Nord (Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Hamburg und Schleswig-Holstein e.V.) an. Sofern der Fragesteller mit dem nicht geläufigen Begriff der Moscheeverbände die Moscheevereine meint, siehe Drs. 20/4886. 7. Inwiefern ist die geplante Auslegung der Moschee für 1.000 Gläubige gerechtfertigt? Die Auslegung islamischer Gebetsstätten bedarf angesichts des verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsrechts der Religionsgemeinschaften ebenso wenig einer Rechtfertigung gegenüber staatlichen Stellen wie die Auslegung von Einrichtungen anderer Religionsgemeinschaften. Sie orientiert sich regelmäßig an der Anzahl der Gottesdienstteilnehmer zu islamischen Feiertagen und am Freitagsgebet. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 8. Wie schätzt der Senat die Resonanz ein, die bisher seitens der Bürger aus Wilhelmsburg erfolgt ist? Die Erstellung des Rahmenkonzepts „Hamburgs Sprung über die Elbe – Zukunftsbild 2013+“ wurde 2013/2014 durch den umfangreichen Beteiligungsprozess „Perspektiven ! Miteinander planen für die Elbinseln“ begleitet. Im Rahmen dieses Prozesses wurden acht öffentliche Veranstaltungen durchgeführt – unter anderem auch zum Thema „Eine Moschee für Wilhelmsburg“. Eine der weiteren Aktivitäten dieses Prozesses waren zwölf Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themenbereichen, an denen sich eine Vielzahl von Menschen einmalig bis dauerhaft beteiligte, sowie die Durchführung von rund 20 aufsuchenden „Stadtteilgesprächen “, in denen rund 390 Personen ihre Meinung einbrachten. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Pläne für den Bau einer attraktiven Moschee in Wilhelmsburg und insbesondere in der Wilhelmsburger Mitte auf positive Resonanz Drucksache 21/3561 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 trafen, zum Teil auf ausdrückliche Unterstützung (vgl. Drs. 20/13206 „Hamburgs Sprung über die Elbe – Zukunftsbild 2013+“). Vor dem Hintergrund dieses Prozesses hat der Senat in das Rahmenkonzept „Hamburgs Sprung über die Elbe – Zukunftsbild 2013+“ einen Standort für den Neubau einer Moschee in das Planwerk aufgenommen. 9. Wie viele Moscheevereine sind derzeit in Hamburg vorhanden? Bitte gesondert anhand der einzelnen Stadtteile sowie in Hinblick auf die verantwortlichen Trägerverbände angeben. Eine systematische staatliche Erfassung religiöser Gemeinschaften findet nicht statt und hätte auch keine rechtliche Grundlage. Schätzungen gehen von bis zu 60 Moscheevereinen in Hamburg aus. Zu den Moscheevereinen der islamischen Verbände , mit denen der Senat den Vertrag vom 13. November 2012 geschlossen hat, siehe Drs. 20/4886 sowie die Studie „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg – Untersuchung der räumlichen Situation“, veröffentlicht im Jahr 2013 unter anderem unter http://www.schurahamburg.de/images/stories/downloads/Bericht_Moscheen_und_Ge betsraeume_in_Hamburg_2013.pdf. 10. Wie viele Bauprojekte von Moscheen sind gegenwärtig in Hamburg für die Zukunft geplant? Die räumliche Situation der Moscheevereine ist in der in der Antwort zu 9. genannten Studie untersucht worden. In welchem Umfang die dort dargestellten räumlichen Bedarfe bereits zu konkreten Planungen geführt haben, ist dem Senat nicht bekannt.