BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3570 21. Wahlperiode 15.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) vom 07.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Zugang zu Cannabis aus medizinischen Gründen Bei einer erheblichen Zahl von Patienten kann die Verabreichung von Cannabis beziehungsweise cannabishaltigen Medikamenten zu einer erheblichen Linderung der Beschwerden führen. Entsprechende Rezepte sind auf BTM- Rezeptformularen auszustellen. Außerdem können aufgrund einer Ausnahmegenehmigung Cannabisblüten vom Patienten selbst aus der Apotheke bezogen werden und diese zur Selbstzucht von Cannabispflanzen verwendet werden. Allerdings werden die entstehenden Kosten von den Krankenkassen nicht übernommen. Ich frage den Senat: 1. Bei welchen Krankheitsbildern kann die Gabe von Cannabis beziehungsweise cannabishaltigen Medikamenten zu einer Linderung führen? 2. Welche Wirkungen des Cannabis werden dabei ausgenutzt? Die arzneiliche Anwendungsmöglichkeit von Cannabis ist nicht auf einzelne Krankheitsbilder (Indikationen) und die Wirkungen sind nicht auf einzelne Wirkmechanismen beschränkt wie bei den üblichen Arzneimitteln. Die Anwendung ist vielmehr nur auf Grundlage einer ärztlichen Diagnose vertretbar und nur, wenn andere Behandlungsmethoden oder Therapeutika nicht die benötigte Wirksamkeit gezeigt haben. 3. Wie viele Patienten werden derzeit in Hamburg mit Cannabis beziehungsweise cannabishaltigen Medikamenten behandelt? Wie hat sich diese Zahl in den letzten fünf Jahren entwickelt? Im Rahmen der ärztlich betreuten Eigentherapie mit Ausnahmegenehmigung durch die Bundesopiumstelle und entsprechend mit selbstbeschafftem „Medizinalhanf“ haben 13 Patienten aus Hamburg seit 2005 Cannabis angewendet. Über die Behandlungen mit cannabishaltigen oder cannabinoidhaltigen Arzneimitteln liegen dem Senat keine statistischen Daten vor. 4. Wie viele Menschen haben im Jahre 2015 einen Antrag auf Erlaubnis zur therapeutischen Anwendung von medizinischen Cannabisblüten gestellt? Wie vielen dieser Anträge wurde stattgegeben? Wie viele wurden zurückgewiesen? Was hat das Verwaltungsgericht Köln hierzu entschieden ? Die nachfolgenden Auskünfte der Bundesopiumstelle entsprechen dem Sachstand vom 11. Januar 2016: Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 19. Mai 2005 haben 1.050 Patientinnen und Patienten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anträge auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 Drucksache 21/3570 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bundesbetäubungsmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie gestellt. 635 Patientinnen und Patienten erhielten eine entsprechende Erlaubnis. Von diesen verfügen derzeit 581 über eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG, da zwischenzeitlich 54 Patientinnen und Patienten ihre Erlaubnis an das BfArM zurückgegeben haben oder verstorben sind. Von den derzeit gültigen Ausnahmeerlaubnissen wurden 552 für den Erwerb von Cannabis-Blüten und 34 für den Erwerb von Cannabis -Extrakt erteilt. Fünf Patientinnen und Patienten wurde die Erlaubnis für den Erwerb sowohl von Cannabis-Blüten als auch des Cannabis-Extrakts erteilt. Aus der Differenz zwischen gestellten Anträgen und erteilten Erlaubnissen kann man nicht auf die Anzahl der versagten Anträge schließen, da sich zahlreiche Anträge noch in verschiedenen Phasen der Bearbeitung befinden. Die abschließende Bearbeitung von Anträgen kann erst erfolgen, wenn alle erforderlichen Unterlagen zur Antragstellung vorliegen und deren Bewertung nicht zu weiteren Nachforderungen führt. Das Verwaltungsgericht Köln hat im Sommer 2014 geurteilt, dass das BfArM über die Anträge einiger Kläger auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken neu entscheiden müsse. Das BfArM hat gegen die Urteile Berufung eingelegt, sodass die Urteile bisher nicht rechtskräftig geworden sind. 5. Welche Kosten entstehen, wenn sich Patienten Cannabisblüten mit entsprechender behördlicher Erlaubnis in der Apotheke beschaffen? Von wem und unter welchen Umständen können sie einen Ersatz der entstehenden Kosten verlangen? Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Gesundheit liegen die monatlichen Behandlungskosten für Medizinalhanf in der Eigentherapie, abhängig vom Tagesbedarf , bei bis zu 1.800 Euro pro Patient. Die Kostenerstattung kann gegebenenfalls im Einzelfall bei der jeweiligen gesetzlichen Krankenversicherung beantragt werden. Einen generellen Anspruch auf Erstattung gibt es nicht. 6. Wie viele schwerkranke Menschen wurden in Hamburg in den Jahren 2010 – 2015 wegen Verstoßes gegen das BtMG unter anderem wegen des Anbaus und Besitzes von Cannabis strafrechtlich verfolgt? Bitte nach Jahren aufschlüsseln und angeben, zu wie vielen Verurteilungen es kam. Die gewünschten Angaben werden statistisch nicht erfasst und die zuständige Behörde kann daher hierzu keine Angaben machen. 7. Setzt sich der Senat auf Bundesebene dafür ein, dass die gesetzliche Krankenversicherung stets die Kosten einer Behandlung mit Cannabis beziehungsweise cannabishaltigen Medikamenten übernimmt, sofern eine entsprechende medizinische Indikation besteht? Wenn ja: Was hat er bisher dafür unternommen? Wenn nein: warum nicht? Zur therapeutischen Anwendung von Arzneimitteln auf Cannabisbasis liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (Stand 07.01.2016) vor, der unter anderem die Möglichkeit einer Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung regelt. Die zuständige Behörde unterstützt grundsätzlich das Ziel der Gesetzesänderung. Eine Befassung des Senats mit dem Gesetzentwurf erfolgt im Rahmen des Bundesratsverfahrens.