BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3586 21. Wahlperiode 15.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 08.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Beratung für islamistische Straftäter in Justizvollzugsanstalten Justizvollzugsanstalten in Deutschland stehen vor dem Problem, dass sich islamistische Straftäter dort weiter islamistisch radikalisieren oder überhaupt erst mit Radikalisierung konfrontiert werden und orientierungslos sind. In der Debatte um diese Problematik ist auch die Rede davon, (muslimische) Seelsorger oder Berater einzusetzen, die in den Gefängnissen Präventions- oder Deradikalisierungsarbeit leisten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: In der Justizvollzugsanstalt Billwerder, der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, der Untersuchungshaftanstalt und der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg werden muslimische Gefangene regelmäßig durch Imame seelsorgerisch beziehungsweise religiös betreut. Darüber hinaus hat die zuständige Behörde mit dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. – SCHURA – eine Vereinbarung über die Durchführung von Gesprächsangeboten für Gefangene muslimischen Glaubens geschlossen. Die Maßnahme zielt darauf ab, einer religiös motivierten Radikalisierung vorzubeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, geht es bei dem Angebot insbesondere darum, die Persönlichkeit der Gefangenen zu fördern, ihre soziale Integration zu unterstützen und eine Religiosität zu stärken, die sich von extremistischen Ansichten abgrenzt. Die Maßnahme wird in der Justizvollzugsanstalt Billwerder und der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel pilotiert. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Personen befinden sich in Zusammenhang mit islamistischen /jihadistischen Straftaten in Hamburger Justizvollzugsanstalten? Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Strafmaß. Lfd. Nr. Alter Geschlecht Strafmaß 1 29 Jahre männlich Drei Jahre und ein Jahr Freiheitsstrafe (zwei Verurteilungen) 2 41 Jahre männlich 15 Jahre Freiheitstrafe 2. Erhalten diese Personen eine auf sie zugeschnittene Betreuung/Beratung ? Wenn ja, in welcher Form, wenn nein, weshalb nicht? Ja. Die als notwendig erachteten Maßnahmen und Angebote werden im Rahmen der Vollzugsplanung für jeden Einzelfall festgelegt und fortgeschrieben. Neben Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung und der Unterbringung im Vollzug enthält der Vollzugsplan bei diesen Gefangenen unter anderem die Teilnahme an speziellen Behandlungsmaßnahmen . In einem Fall handelt es sich um das Angebot „De-Radikalisierung extremistisch und militant gefährdeter Gewaltstraftäter im Erwachsenenstrafvollzug“ Drucksache 21/3586 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 des Trägers „Violence Prevention Network“. In dem anderen Fall geht es um die Teilnahme an einem Antigewalt- und Kompetenztraining in der Gruppe sowie Einzelgespräche zu den individuell abgestimmten Themen Biografie, Radikalität und Extremismus , Religion und Demokratie, Menschenrechte und Scharia sowie Leben in der Zivilgesellschaft. Darüber hinaus sind die in der Justizvollzugsanstalt tätige Ausländerberaterinnen und -berater und die zuständigen Vollzugsabteilungsleitungen eng in die Betreuung eingebunden . 3. Erachtet der Senat eine Beratung, eventuell mit wissenschaftlicher Begleitung, für islamistische Straftäter für sinnvoll und wenn ja, wann soll diese in welchen JVAs eingeführt werden? Die zuständige Behörde entwickelt aktuell im Rahmen des Beratungsnetzwerkes „Prävention und Deradikalisierung“ ein Beratungsangebot für islamistische Straftäter im Justizvollzug, das auch präventiv ausgerichtet sein soll. Hierbei arbeitet sie eng mit der Einrichtung „legato – systemische Ausstiegsberatung, Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung“ zusammen. Ein Schwerpunkt des Beratungsangebots soll im Jugendvollzug liegen. Darüber hinaus sollen anstaltsübergreifend Heranwachsende und junge Erwachsene erfasst werden. Ein Termin für die Umsetzung dieser Maßnahme steht noch nicht fest. 4. Aus Drs. 21/3069 geht hervor, dass es Verfahren gegen Personen aus dem islamistischen Milieu gibt. Wie viele Verfahren sind das aktuell und was ist ihre Ursache? Insgesamt gibt es derzeit sechs Verfahren gegen Personen aus dem islamistischen Milieu. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg werden derzeit drei entsprechende Ermittlungsverfahren geführt. Ursache für diese Verfahren ist jeweils der Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB). Bei den Amtsgerichten und dem Landgericht Hamburg sind weitere drei Verfahren anhängig. Ursache dieser Verfahren sind Vorwürfe wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot (§ 85 StGB), wegen Missbrauchs von Ausweispapieren (§ 281 StGB) und wegen gemeinschaftlich begangener versuchter Brandstiftung beziehungsweise versuchter schwerer Brandstiftung (§§ 306 Absatz 1 Nummer 1, 306a Absatz 1 Nummer 1, 22, 23 Absatz 1, 25 Absatz 2, 53 StGB). 5. Werden die Beschuldigten während der Verfahren mit Jugendgerichtshilfe und Jugendbewährungshilfe und einer auf sie zugeschnittenen Beratung (Deradikalisierung/Prävention) begleitet? Wenn nein, weshalb nicht und gedenkt der Senat dies künftig zu tun? 6. Nach welchen Kriterien werden die beratenden Personen ausgesucht? Die Jugendgerichtshilfe (JGH) und die Jugendbewährungshilfe (JBH) wirken im Rahmen ihrer Zuständigkeiten im Jugendstrafverfahren mit. Die Jugendgerichtshilfe ist gegenüber allen sieben Beschuldigten der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsund Strafverfahren tätig geworden. Die Jugendbewährungshilfe ist nicht in laufenden Ermittlungs- oder Strafverfahren tätig, sondern betreut Verurteilte. Die Betreuung und Beratung der Jugendlichen beziehungsweise Heranwachsenden richtet sich immer nach den aktuellen Problemlagen des Betroffenen. JGH und JBH wurden über Fortbildungen beziehungsweise Informationsveranstaltungen für das Thema sensibilisiert und über die Beratungsangebote/Interventionsmöglichkeiten des Beratungsnetzwerkes „Prävention und Deradikalisierung“ aufgeklärt. So sind beide Dienste in der Lage, das Problem der Radikalisierung in der Betreuung der Jugendlichen beziehungsweise Heranwachsenden zu berücksichtigen. Die Inanspruchnahme beratender Personen/Dienste richtet sich nach den Bedarfen der betroffenen Personen und erfolgt nicht nach festgelegten Kriterien.