BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3611 21. Wahlperiode 18.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 10.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Veranstaltungsreihe der Sexologin Ann-Marlene Henning an Hamburger Schulen Die Sexologin Ann-Marlene Henning hat an Schulen in Hamburg – unter anderem an der Stadtteilschule Walddörfer – Veranstaltungen in der Mittelstufe (achte, neunte und zehnte Klasse) durchgeführt. Sie tat dies auf der Grundlage ihres Buchs „Make Love“. Das Buch zeigt pornografische Fotos (Oralsex, Penetration im Detail und so weiter) und es bietet eine in Handlungsschritte unterteilte Hinführung zum Sex. Eltern berichten Folgendes: Frau Henning schildert vor Schülern ihr eigenes Sexualleben, zeigt im Unterricht Videos aus ihrem Make-Love-Blog und verteilt Kondome in der achten Klasse. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat und den zuständigen Senator: 1. Sind dem Senat und insbesondere dem Senator für Schule und Berufsbildung die Inhalte des Buchs „Make Love“ bekannt? Wenn ja: Wie bewertet der Senat, Senator oder die zuständige Schulaufsicht in der Behörde für Schule und Berufsbildung die Inhalte des Buches? Dem zuständigen Fachreferat für das Aufgabengebiet Sexualerziehung der zuständigen Behörde ist dieses Buch bekannt. In Beratungen und Fortbildungen zur Sexualerziehung durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) werden schulische Fachkräfte darauf hingewiesen, dass aufgrund der Fotos und der zum Teil sehr direkten Ansprache dieses Buch für den Einsatz im Unterricht der Sekundarstufe I nicht geeignet ist. 2. Auf der öffentlichen Info-Veranstaltung am Abend thematisierte Frau Henning zum Beispiel ihre Intimrasur und erklärte, wie man den Geschmack von Sperma beeinflussen könne. Halten der zuständige Senator/die zuständige Behörde solche Diskussionen in einer staatlichen Bildungseinrichtung für angemessen? 3. Wer hat über die Eignung des Buchs für den Einsatz in Hamburger Schulen und über die Eignung von Frau Henning für diese Veranstaltungsreihe entschieden? Bitte alle an der Entscheidung beteiligten Personen benennen. Siehe Antwort zu 1. Nach Auskunft der Schule ist die Veranstaltung an der Stadtteilschule Walddörfer auf Wunsch der Eltern zustande gekommen. Viele Eltern äußerten im Vorfeld ihre Unsicherheit zum Thema „Sexualaufklärung von Pubertierenden“ und wünschten sich dazu Informationen, die sich an den Lebenswelten von Jugendlichen orientieren. Die Veranstaltung wurde unter Einbeziehung der Schulleitung und des Elternrats und mit großer Zustimmung der Elternschaft geplant und durchgeführt. Drucksache 21/3611 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. An wie vielen und an welchen Hamburger Schulen hat Frau Henning ihren Sexunterricht durchgeführt? Sexualerziehung wird in Hamburg auf Grundlage der §§ 5 und 6 des Hamburgischen Schulgesetzes, der Richtlinie zur Sexualerziehung und der Vorgaben der Bildungsund Rahmenpläne durchgeführt. Auf dieser Grundlage entscheidet im Rahmen der selbstverantworteten Schule die Einzelschule, welche Schwerpunkte sie in der schulischen Sexualerziehung setzt und wie die Unterrichtseinheiten ausgestaltet werden. In der Sekundarstufe I binden viele Schulen außerschulische Fachstellen, wie die Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. (ÄGGF e.V.), pro familia Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. Hamburg , den Familienplanungszentrum e.V. (FPZ e.V.), den AIDS-Hilfe Hamburg e.V., den Magnus-Hirschfeld-Centrum e.V. (mhc e.V.), die Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt oder andere Expertinnen und Experten zur Vertiefung der Inhalte ein. So haben die Jugendlichen auch die Möglichkeit, persönliche Fragen, die sie bewegen, außerhalb des „Bewertungsrahmens“ zu äußern und dabei Unterstützung zu erhalten. Von der zuständigen Behörde wird nicht erfasst, mit welchen Experten und Expertinnen die Einzelschule Unterrichtsinhalte in den Fächern und Aufgabengebieten vertieft. Im Übrigen siehe Drs. 20/13403 und 20/14189. 5. Wurden die Eltern über die Inhalte des Buchs „Make Love“ und die Inhalte der Veranstaltung rechtzeitig vorher informiert? Siehe Antwort zu 3. Die Eltern wurden über die Durchführung der Veranstaltung informiert: Am 8. Dezember 2015 erfolgte eine schriftliche Einladung und Information zur Veranstaltung von den Jahrgangskoordinatoren der Jahrgangsstufen 8 und 9 sowie dem Fachbereich Biologie. Darin enthalten waren Informationen über Frau Ann- Marlene Henning, über einen Termin für die Eltern und einen Termin für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8 und 9. Die schulischen Informationen wurden auf unterschiedliche Weise kommuniziert (Internet, Elternbrief, Elternrats-Sitzung und so weiter). Auf einer Elternratssitzung am 15. Dezember 2015 wurde ebenfalls ein Hinweis auf die Veranstaltung gegeben. Eine weitere Elterninformation per E-Mail wurde am 6. Januar 2016 versandt. 6. Warum sollten die Schüler das Thema Sexualität selbstreferentiell und ausschließlich anhand von „Make Love“ erarbeiten? Warum wird den Teenagern nur ein pädagogisches Konzept angeboten? Die in der Frage formulierte Annahme ist nicht zutreffend. Jede Hamburger Schule hat den Auftrag, das Aufgabengebiet Sexualerziehung zu verankern und umzusetzen. Die Stadtteilschule Walddörfer hat gemäß den Vorgaben (siehe Antwort zu 4.) die schulische Sexualerziehung in das schulische Curriculum des Fachbereichs Biologie verankert . Die im Bildungsplan festgelegten Kompetenzen werden im laufenden Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Auf der Grundlage dieses Orientierungswissens wird Raum gegeben, die eigenen Wertvorstellungen zu überprüfen, zu erweitern und gegebenenfalls zu verändern. In diesem Rahmen können Expertinnen und Experten eingebunden werden. Damit ist nicht verbunden, dass die schulische Sexualerziehung an außerschulische Institutionen oder Personen abgegeben wird. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 7. Wer entscheidet grundsätzlich, welche externen Sexualpädagogen oder Organisationen innerhalb der Schulzeit Schüler an Hamburger Schulen unterrichten? 8. Soll Frau Henning auch in Zukunft Sexunterricht an Hamburger Schulen erteilen? Siehe Antworten zu 3., zu 4. und zu 6. 9. Im Bildungsplan der Hansestadt Hamburg für Grundschulen (siehe: http://www.hamburg.de/contentblob/2481804/data/aufgabegebietegs .pdf) heißt es wörtlich (auf Seite 26): „Dabei ist es unerlässlich, dass Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3611 3 die Kinder ein gesichertes Wissen über die menschliche Sexualität als eine positive Lebensenergie erwerben.” Auf welchen wissenschaftlichen Untersuchungen basiert die Aussage, dass „menschliche Sexualität” eine „positive Lebensenergie” sei? 10. Von welchem „gesicherten Wissen” ist hier die Rede? Bitte exakte Quellen benennen. 11. Auf welche wissenschaftlichen Untersuchungen stützt sich die Aussage, dass dieses „gesicherte Wissen” schon an der Grundschule vermittelt werden sollte? Den Ausführungen im Bildungsplan liegt die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Sexualität zugrunde (WHO 2006, Übersetzung in den Standards für Sexualaufklärung in Europa. Siehe http://publikationen.sexualaufklaerung.de/ index.php?docid=2288). Seit der Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK- Beschluss von 1968, der aufgrund der auf Länderebene bestehenden Verankerung inzwischen aufgehoben ist) wird Sexualerziehung als professionelle, intentionale sexuelle Sozialisation als Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrages von der Grundschule an verstanden (siehe Prof. Dr. Klara Etschenberg in „Sexualität und Sexualerziehung – Grundlagen“, www.bzga.de/ pdf.php?id=f9e7b4ca154306c155939cf0c36e8413). „Positive Lebensenergie“ zielt darauf ab, dass in der schulischen Sexualerziehung nicht die Ausgangspunkte schwierige Situationen, wie Teenagerschwangerschaften, sexuell übertragbare Krankheiten oder sexualisierte Gewalt und Partnerschaftsgewalt sein sollen, sondern bei den sogenannten Lebenskompetenzen (wie zum Beispiel Selbstwahrnehmung, Einfühlungsvermögen, Selbstbehauptung, Problemlösen) angesetzt wird. Diese Herangehensweise passt zu aktuellen Konzepten und Befunden aus der Resilienzforschung . Mit „gesichertem Wissen“ sind die in den Bildungsplänen formulierten Kompetenzen gemeint, dazu gehört beispielsweise, dass Schülerinnen und Schüler der Grundschule Körperteile bezeichnen können, einen Zusammenhang zwischen Zeugung, Schwangerschaft und Geburt erkennen, Beispiele für Freundschaft und Liebe nennen können, biologische Geschlechtsunterschiede nennen können sowie körperliche Veränderungen hin zur Pubertät erläutern können.