BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3635 21. Wahlperiode 22.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Oelschlaeger und Dr. Joachim Körner (AfD) vom 14.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Übergriffe auf Rettungskräfte Das „Hamburger Abendblatt“ hat am 11.03.2016 über eine Studie mit dem Titel „Gewalt gegen Rettungskräfte“ berichtet. Diese Studie ist die Doktorarbeit von Janina Lara Dressler für das kriminologische Institut der Universität Bonn. Dressler hat dazu Daten aus Berlin, München, Köln und Hamburg gesammelt. Sie hat 1.659 Retter befragt und mehr als 4.000 Übergriffe dokumentiert . In Hamburg hat Dressler für ihre empirische Studie 487 Rettungskräfte schriftlich und weitere mündlich an 25 Feuerwachen befragt. 1.600 „strafrechtlich relevante Übergriffe“ hat sie erfasst. Über die Ursachen für die Übergriffe gegen Rettungskräfte weiß Dressler wenig. Sie habe die Opfer, nicht die Täter befragt. „Die Betroffenen hatten meist den Eindruck, dass sie nicht respektiert werden“, sagt sie laut Zeitungsbericht . Dressel sagt zudem, dass „kulturelle Differenzen“ hinzukämen und dass „Feuerwehrleute als Teil der Obrigkeit gesehen werden.“ Um bei einigen Menschen ins Feindbild zu passen, reiche häufig schon das Tragen einer Uniform aus. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Ist dem Senat diese Studie bekannt? Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht er daraus? Eine Veröffentlichung der Promotion ist bisher nicht erfolgt, da die Promotion noch nicht abgeschlossen ist. Der Feuerwehr Hamburg ist daher nur die „Kurzauswertung Hamburg“ bekannt, allerdings ohne Auswertung oder Kommentierung der Autorin. 2. Hat der Senat diese oder ähnliche Studien unterstützt beziehungsweise beauftragt, um mehr Informationen über dieses Phänomen zu bekommen ? Die Feuerwehr Hamburg hat im Jahr 2014 eine Bachelorarbeit zum Thema „Aggressive Übergriffe auf Rettungskräfte an Einsatzstellen“ (ISBN: 978-3656765837) unterstützt . 3. Sind dem Senat die Ursachen für derartige Delikte gegen Rettungskräfte bekannt? Siehe Drs. 21/3516. 4. Die Studie oder zumindest der Artikel über die Studie gibt kaum Hinweise darauf, wer die Täter sind, die Rettungskräfte angreifen. Hat der Senat detaillierte Kenntnis über die Täter? Hat der Senat ein Muster bei den Angriffen ausmachen können? Drucksache 21/3635 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Handelt es sich bei den Tätern, die Rettungskräfte in Hamburg angegriffen haben, um Einzeltäter oder Tätergruppen mit mehreren Personen? Bitte Details angeben. 6. Ist bekannt, ob die Täter Migrationshintergrund haben? Aus welchen Staaten kommen sie? Bitte genaue Angaben. 7. Wie weit waren diese integriert? Bitte genaue Angaben mit Zahlen. Daten zu Opfern werden in der PKS nur bei Delikten erfasst, für die im Straftatenkatalog eine Opfererfassung vorgesehen ist. Nach den aktuellen bundeseinheitlich geltenden PKS-Richtlinien betrifft dies grundsätzlich Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung ). In den standardisierten PKS-Auswertungen zu Tatverdächtigen wird nicht nach Delikten , bei denen Rettungskräfte als Opfer erfasst wurden, differenziert. In der PKS wird die Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen erfasst, der Migrationshintergrund wird nicht erhoben. Für die Beantwortung der Fragestellungen wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des Jahres 2015 bei der Kriminalpolizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren Hunderttausend Akten ist in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. 8. Laut oben genannter Studie melden viele Opfer Angriffe nicht, weil die Ermittlungen oft eingestellt werden. Kann dies der Senat für Hamburg bestätigen? Was sind die Gründe dafür? Was tut der Senat dagegen? Die für die Beantwortung der Frage erforderlichen Daten, ob dem jeweiligen Verfahren ein Angriff gegen Kräfte der Feuerwehr oder Hilfsorganisationen zugrunde liegt, werden im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft nicht erfasst. Es müssten wenigstens sämtliche Verfahren, in denen als Delikt die etwa in Betracht kommenden §§ 223, 224, 240 und 241 StGB notiert sind, händisch ausgewertet und dahin gehend überprüft werden, aus welchem Grund gegebenenfalls Ermittlungen eingestellt wurden. Hierbei handelt es sich allein hinsichtlich des Aktenzeichenjahrgangs 2015 um fast 24.000 Bekanntsachen. Eine Durchsicht, Auswertung und Aufbereitung ist innerhalb der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass bei Angriffen auf Rettungskräfte die Annahme von „Geringfügigkeit“ grundsätzlich fernliegend erscheint und die Verfolgung derartiger Taten ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit darstellt. 9. In der Studie ist von „kulturellen Differenzen“ und mangelhaftem Respekt gegenüber Uniform tragenden Einsatzkräften die Rede. Wie sehen diese Respektlosigkeiten aus? Welche Delikte werden gegen Rettungskräfte begangen? Siehe Vorbemerkung. Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Polizei nicht vor. Zu den in der PKS für das Jahr 2015 registrierten Straftaten, bei denen Rettungskräfte als Opfer erfasst wurden, siehe folgende Tabelle: PKS- Delikt Rettungsdienste Feuerwehr sonstige Schlüsselnr. insgesamt Rettungsdienste ------ Straftaten gesamt 68 37 31 030000 Fahrlässige Tötung 1 1 0 217000 Sonstiger Raub auf Straßen, Wegen oder Plätzen 1 0 1 222000 Gefährliche und schwere Körperverletzung 11 4 7 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3635 3 PKS- Delikt Rettungsdienste Feuerwehr sonstige Schlüsselnr. insgesamt Rettungsdienste 224000 Vorsätzliche einfache Körperverletzung 36 18 18 225000 Fahrlässige Körperverletzung 2 2 0 232201 Nötigung im Straßenverkehr 4 4 0 232279 Sonstige Nötigung 2 0 2 232300 Bedrohung 7 4 3 621020 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 4 4 0 10. Bestehen Erkenntnisse darüber, dass aufgrund der Übergriffe auf die Rettungskräfte diese in ihrem Dienst so beeinträchtigt waren, dass Patienten gesundheitlichen Schaden erlitten haben? Bitte Fallzahlen und medizinische Details angeben, soweit verfügbar. In Einzelfällen kann es zu Verzögerungen und Beeinträchtigung der Patientenversorgung kommen, da das Eintreffen weiterer Kräfte (Polizei, zusätzliche Rettungskräfte) abgewartet werden muss. Verzögerungen ergeben sich insbesondere dann, wenn die Gewalt vom Patienten selbst ausgeht. Fallzahlen und medizinische Details werden durch die Feuerwehr nicht erfasst. 11. Welche Maßnahmen hat der Senat angedacht, welche umgesetzt, die Rettungskräfte im Dienst besser schützen? Die Funkgeräte der Feuerwehr sind mit sogenannten Notruftasten ausgestattet. Wenn keine Klartext–Meldung abgesetzt werden kann, steht ein „prioritärer Sprechwunsch“ mit Alarmstichwort zur Verfügung. Bei Rettungsdiensteinsätzen mit vorhersehbaren Gefahrensituationen ist die komplette Rettungsdienstschutzkleidung inklusive Schutzjacke und Schutzhelm zu tragen. Wenn kein Polizeischutz zur Verfügung steht, wird ein Löschfahrzeug zur Sicherung der Einsatzstelle alarmiert. Seit Oktober 2013 ist ein dreitägiges „Deeskalationstraining“ curricularer Bestandteil der Ausbildung für die Laufbahngruppe 1 im feuerwehrtechnischen Dienst. Der Arbeitskreis Rettungsdienst der AGBF hat in seinem Papier „Prävention und Umgang mit Aggression und Gewalt“ folgende Bausteine für die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgestimmt: Prävention von Konfliktsituationen (unter anderem Verbesserung der Fähigkeiten zur Früherkennung potenzieller Gewaltsituationen an Einsatzstellen, angemessene psychologische Betreuung von Patienten und Angehörigen) Konfliktsituation und Aggression (insbesondere Deeskalationstrainings zum gezielten Aggressionsabbau, Verbesserung der Eigensicherungsgrundsätze). Konfliktsituationen mit physischer Gewalt (unter anderem Entwicklung von Rückzugstaktiken , Befreiungsgriffen und Fixierungstechniken, Vermittlung der einschlägigen rechtlichen Grundlagen). In die Führungskräftefortbildung der Feuerwehr aufgenommen wurde der Baustein „Nach der Konfliktsituation“ (Führen angemessener Einsatznachbesprechungen, Ermöglichen einer Psychosozialen Unterstützung, Dokumentation).