BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3738 21. Wahlperiode 29.03.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 21.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Inhaftierter aus der JVA Glasmoor entflohen – Wie ist der aktuelle Stand? Am 16. März 2016 ist ein Gefangener aus dem offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor (JVA) entwichen. Der 35-jährige Mouhamed J. war gegen 7 Uhr zu einem Gespräch mit der Vollzugsabteilungsleitung bestellt worden. Nachdem der Gefangene nicht erschien, ergab eine Bestandskontrolle , dass er sich nicht mehr auf dem Anstaltsgelände befand. Immer wieder entweichen Inhaftierte aus den Hamburger Justizvollzugsanstalten . Konsequenzen hat der Senat bisher nicht gezogen. Speziell der offene Vollzug ist ein wichtiger Teil des Justizvollzugs, im Sinne einer funktionierenden Resozialisierung. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie konnte der Inhaftierte flüchten und warum ergab erst eine Bestandskontrolle, dass er sich nicht mehr auf dem Gelände der JVA Glasmoor befand? (Bitte aus Sicht und nach Kenntnissen der zuständigen Behörde darstellen.) Der offene Vollzug hat das Ziel, den Gefangenen mit einem Höchstmaß an Eigenverantwortung , ohne technische Sicherheitsvorkehrungen und unter Bedingungen, die den allgemeinen Lebensverhältnissen weitgehend angeglichen sind, auf seine Wiedereingliederung vorzubereiten. Eine ständige und unmittelbare Beaufsichtigung der Gefangenen ist gesetzlich und konzeptionell in dieser Vollzugsform nicht vorgesehen. Ebenso sind gemäß § 99 Absatz 3 HmbStVollzG nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vorgesehen. Die Gegebenheiten des offenen Vollzuges lassen ein unerlaubtes Entfernen von Gefangenen vom Anstaltsgelände daher grundsätzlich zu. Da die Gefangenen sich tagsüber zweckgebunden in verschiedenen Bereichen der Anstalt aufhalten können, kann nur durch eine umfassende Bestandskontrolle sicher festgestellt werden, ob ein bestimmter Gefangener beziehungsweise eine bestimmte Gefangene sich in der Anstalt aufhält oder nicht. 2. Ab welchem Zeitpunkt und durch wen wurde bemerkt, dass sich der Inhaftierte nicht mehr in der JVA Glasmoor befand? J. war bei der regelmäßigen morgendlichen Bestandskontrolle, die ab 6.00 Uhr bis circa 6.20 Uhr durchgeführt wird, anwesend. Er wurde um 7.00 Uhr zu einem Gesprächstermin bei der Vollzugsabteilungsleitung erwartet, zu dem er nicht erschien. Auf entsprechende Ausrufe um 7.05 Uhr und 7.15 Uhr meldete er sich nicht. Gegen 7.30 Uhr wurde eine außerordentliche Bestandskontrolle durch die im Meldezimmer Drucksache 21/3738 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der Anstalt eingesetzten Bediensteten durchgeführt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass J. sich nicht mehr auf dem Anstaltsgelände aufhielt. 3. Befand sich der Inhaftierte in Begleitung eines Justizvollzugsbediensteten zu dem Gesprächstermin? Der Gesprächstermin sollte innerhalb der Anstalt stattfinden. Insoweit war eine Begleitung nicht vorgesehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 4. Zeigten sich Auffälligkeiten im Verhalten bei dem Inhaftierten? Wenn ja, seit wann und durch wenn wurden diese dokumentiert? J. hatte sich bereits vom 24.10.2013 bis 10.03.2014 und vom 02.06.2014 bis 03.08.2014 im offenen Vollzug befunden. In dieser Zeit zeigte er Auffälligkeiten im Umgang mit illegalen Suchtmitteln sowie durch eine Nichtrückkehr aus einer Freistellung von der Haft. Am 10.03.2014 wurde J. nach einer positiven Drogentestung aus dem offenen Vollzug in den geschlossenen Vollzug der JVA Billwerder zurückverlegt. In einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren wurde die JVA Glasmoor vom LG Hamburg verpflichtet, J. wieder in den offenen Vollzug aufzunehmen, was am 02.06.2014 geschah. Am 16.10.2014 wurde J. festgenommen, nachdem er am 03.08.2014 aus einer Freistellung von der Haft nicht in die Anstalt zurückgekehrt war und er unter Drogen- und Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall mit einem Pkw verursacht hatte. Die Auffälligkeiten wurden von der zuständigen Vollzugsabteilungsleitung in der Gefangenenpersonalakte von J. dokumentiert. Seit seiner erneuten Verlegung in die JVA Glasmoor vom 21.08.2015 hatte J. 21 Ausgänge , 25 Freistellungen von der Haft und vier Aufenthalte in einem externen Krankenhaus ohne Bewachung beanstandungsfrei absolviert. Seit dem 05.02.2016 ging er als Freigänger einer Arbeit als Maler außerhalb der Anstalt nach. Am 23.02.2016 wurde bei J. eine von der Vollzugsabteilungsleitung angeordnete routinemäßige Urinkontrolle zur Überprüfung der Abstinenz von Suchtmitteln vorgenommen . Die Testung erfolgte mittels des üblichen Multidrogen-Bechertests und erbrachte ein positives Ergebnis. J. räumte daraufhin ein, am 22.02.2016 illegale Suchtmittel konsumiert zu haben. Er wurde durch die Vollzugsleitung der JVA Glasmoor wegen des Konsums disziplinarisch mit einem Tag Arrest, ausgesetzt auf drei Monate zur Bewährung, belangt. Über die vorgenannte Testung hinaus wurde die Urinprobe des Gefangenen zusätzlich auf weitere illegale Suchtmittel untersucht. Das insoweit positive Ergebnis lag der Vollzugsabteilungsleitung am 15.03.2016 im Laufe des Vormittags vor und sollte J., der die Anstalt bereits um 5.00 Uhr mit der Rückkehrzeit 19.00 Uhr zur Arbeit verlassen hatte, am 16.03.2016, 7.00 Uhr, von der Vollzugsabteilungsleitung eröffnet werden. 5. Wie ist der aktuelle Stand der Umstände des Hergangs nach den Ermittlungen ? Gefangene, die im Wege des Berufsfreigangs einer Arbeit außerhalb der Anstalt nachgehen, kommen üblicherweise zu Gesprächen mit der Vollzugsabteilungsleitung (VAL) zu deren Dienstzeiten in die Anstalt beziehungsweise bleiben vor dem Freigang in der Anstalt. J. wurde am Abend des 15.03.2016 unterrichtet, dass er die Anstalt am nächsten Morgen nicht wie üblich zur Arbeit verlassen soll. Im Übrigen siehe Antwort zu 2. 6. Wie viele und welche vergleichbare Vorfälle hat es in den Jahren 2011 bis 2016 in Hamburger Justizvollzugsanstalten gegeben (bitte Angaben in Jahren unter Angabe der Straftaten der Inhaftierten und der Angabe der Justizvollzugsanstalt darstellen)? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3738 3 Offener Vollzug wird im Hamburger Justizvollzug in den Justizvollzugsanstalten Glasmoor und Hahnöfersand durchgeführt. In den Jahren 2011 bis 2016 (Stand: 22.03.2016) ist es ohne die Entweichung vom 16.3.2016 zu zwölf Entweichungen aus dem offenen Vollzug gekommen. Jahr JVA Straftat(en) 2011 JVA Glasmoor Diebstahl in besonders schweren Fällen, Verstoß gegen das Waffengesetz 2011 JVA Glasmoor Gefährliche Körperverletzung 2011 JVA Glasmoor Schwerer Bandendiebstahl 2011 JVA Glasmoor Diebstahl 2012 JVA Glasmoor Bandendiebstahl 2012 JVA Glasmoor Raub, Gefährliche Körperverletzung 2012 JVA Glasmoor Schwerer Raub 2012 JVA Glasmoor Diebstahl 2013 JVA Glasmoor Trunkenheit im Verkehr 2014 JVA Glasmoor Diebstahl 2014 JVA Glasmoor Versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl 2014 JVA Glasmoor Bandendiebstahl Zu Entweichungen von Gefangenen aus dem offenen Vollzug der JVA Hahnöfersand ist es im erfragten Zeitraum nicht gekommen. 7. Wer ist aus Sicht der zuständigen Behörde für die Flucht des Inhaftierten verantwortlich? J. wurde gemäß § 11 HmbStVollzG die Eignung für den offenen Vollzug zuerkannt. Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten von Bediensteten bestehen nicht.