BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3806 21. Wahlperiode 05.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Philipp Heißner und Karin Prien (CDU) vom 29.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Umverteilung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Hamburg gekommen ist, ist 2015 stark gestiegen, ebenso die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge. Nach Hamburg kamen überproportional viele Minderjährige. Seit dem 1. November 2015 werden die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge allerdings bundesweit nach einem Schlüssel verteilt. Für Hamburg besteht eine Verteilquote von 2,53 Prozent, das sind aktuell knapp 1.200 Personen. So kamen im Februar 2016 mit 109 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen nicht nur deutlich weniger als im Oktober, wo die Zahl bei 384 lag, sondern durch die Umverteilung sinkt auch der Bestand: Waren es im Oktober 2015 noch 1.940, sind es im Februar 2016 nur noch 1.600 gewesen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Angestoßen durch Hamburg, gemeinsam mit anderen Ländern, wurde im Oktober 2015 in Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher beschlossen, das ein bundesweites Verteilungsverfahren beim Bundesverwaltungsamt nach dem Königsteiner Schlüssel vorsieht. Das bereits am 01.11.2015 in Kraft getretene Gesetz stellt durch Änderungen des achten Sozialgesetzbuches, Kinder- und Jugendhilfegesetz ein am Kindeswohl orientiertes Verteilungsverfahren sicher. Ziel der Neuregelung ist eine Überforderung einzelner Jugendämter und Überbelegungen in Einrichtungen, wie zum Beispiel dem KJND in Hamburg, zu vermeiden und eine bedarfsgerechte individuelle Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge und damit gute Chancen für eine gelingende Integration zu ermöglichen. Durch die gesetzliche Neuregelung sind bereits über 450 unbegleitete Minderjährige aus Hamburg in andere Länder verteilt worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge waren oder sind in Hamburg seit Anfang 2015 untergebracht? Bitte nach Monaten aufgeschlüsselt und ohne Verweis auf andere Drucksachen aufführen. Jan 2015 862 Feb 2015 887 Mrz 2015 926 Apr 2015 957 Mai 2015 1.032 Jun 2015 1.143 Jul 2015 1.290 Aug 2015 1.503 Sep 2015 1.759 Drucksache 21/3806 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Okt 2015 1.950 Nov 2015 2.052 Dez 2015 1.901 Jan 2016 1.678 Feb 2016 1.600 2. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge kamen seit dem 1. November 2015 in Hamburg an? Wie viele müssen davon gemäß dem Verteilungsmechanismus der Bundesländer in Hamburg untergebracht werden? Bitte nach Geschlechtern getrennt, nach Monaten aufgeschlüsselt sowie insgesamt, und ohne Verweis auf andere Drucksachen angeben . In Hamburg sind im erfragten Zeitraum 1.087 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge angekommen. Gemäß dem aktuellen Verteilungsschlüssel hat Hamburg noch keine Aufnahmeverpflichtung. Monat in Hamburg angekommene unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gesamt m w Nov 15 457 435 22 Dez 15 241 232 9 Jan 16 199 185 14 Feb 16 109 99 10 Mrz 16 81 76 5 gesamt 1.087 1.027 60 Von den 1.087 unbegleiteten Minderjährigen wurden 453 gemäß § 42b SGB VIII auf andere Länder umverteilt, 54 wurden gemäß § 42 Absatz 2 Satz 1 von der Verteilung ausgeschlossen. In 56 Fällen fand eine Familienzusammenführung statt. 207 unbegleitete Minderjährige werden vermisst, 15 haben einen sonstigen Verbleib (Rückführung , Haft oder Ähnliches). In 274 Fällen wurde die Inobhutnahme wegen Volljährigkeit beendet, 28 unbegleitete Minderjährige befinden sich noch im Clearingverfahren. Darüber, ob diese weiterreisen, sich der Altersfeststellung oder der Verteilung entziehen wollten oder aus anderen Gründen die Einrichtungen verlassen haben, liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wurden seit dem 1. November 2015 in welche anderen Bundesländer tatsächlich umverteilt? Wie viele waren davon Mädchen? Bitte nach Monaten aufgeschlüsselt und insgesamt angeben. Seit 1. November 2015 wurden 453 unbegleitete Minderjährige auf andere Länder verteilt. Monat Niedersachsen Sachsen- Anhalt Mecklenburg- Vorpommern Brandenburg gesamt m w gesamt m w gesamt m w gesamt m w Nov 15 55 53 2 Dez 15 123 115 8 12 12 Jan 16 150 144 6 1 1 Feb 16 54 48 6 10 8 2 Mrz 16 29 23 6 0 13 13 6 6 gesamt 411 383 28 23 21 2 13 13 0 6 6 0 4. Wie viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge entzogen sich der Umverteilung? Aus welchen Gründen? Wie viele kehrten nach der Umverteilung nach Hamburg zurück? Seit Inkrafttreten des Verteilungsverfahrens am 1. November 2015 gelten 207 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als vermisst. Nach der Verteilung auf ein anderes Land kehrten 21 nach Hamburg zurück. 19 wurden an den Verteilort zurückgebracht, zwei haben den Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) mit unbekanntem Ziel verlassen. Siehe Antwort zu 2. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3806 3 5. Wie viele in Hamburg untergebrachte minderjährige unbegleitete Flüchtlinge haben seit Anfang 2015 die Volljährigkeit erreicht? Bitte nach Monaten aufgeschlüsselt und insgesamt angeben. Seit Januar 2015 vollendeten insgesamt 1.494 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge das 18. Lebensjahr: Monat der Vollendung des 18.Lebensjahres Anzahl UMF 2015 Jan 70 2015 Feb 49 2015 Mrz 55 2015 Apr 57 2015 Mai 60 2015 Jun 69 2015 Jul 87 2015 Aug 80 2015 Sep 93 2015 Okt 80 2015 Nov 169 2015 Dez 101 2016 Jan 186 2016 Feb 73 2016 Mrz 67 Summe: 1.296 6. Wie erfolgt die Unterbringung von Flüchtlingen, die als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Hamburg in Obhut genommen wurden, wenn sie die Volljährigkeit erreichen? Um für jeden volljährig werdenden Flüchtling einen geeigneten Betreuungsort im Rahmen der Jugendhilfe vorzuhalten, sind große Anstrengungen notwendig. Hierzu gehört, neben dem Ausbau von Plätzen bei freien Trägern, insbesondere die Umwidmung von bisherigen Erstversorgungsplätzen. Unbegleitet und minderjährig eingereiste junge Volljährige haben gegebenenfalls Anspruch auf Volljährigenhilfe nach § 41 SGB VIII. Je nach dem Unterstützungsbedarf im Einzelfall kann eine ambulante oder stationäre Hilfe bewilligt werden. Auch wenn der junge Flüchtling nach Eintritt der Volljährigkeit außerhalb einer Jugendhilfeeinrichtung lebt, zum Beispiel bei Freunden oder anderen Personen, aber auch in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, werden entsprechend dem individuellen Bedarf gegebenenfalls unterstützende ambulante Hilfen nach § 41 SGB VIII geleistet. 7. Wie hat der Senat die Bedarfsplanung für die Unterbringung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge seit dem 1. November 2015 angepasst? Der LEB hat seit dem 1. November 2015 folgende Maßnahmen ergriffen: Abbau von zusätzlichen temporären Platzkapazitäten (insbesondere von Zelten/ Hallen) für die Erstaufnahme im Kinder- und Jugendnotdienst am Standort Feuerbergstraße und weiteren Standorten Abbau von Überbelegungen in bestehenden Erstversorgungseinrichtungen Reduzierung der Sollplätze in bestehenden Erstversorgungseinrichtungen und damit Schaffung eines angemesseneren Standards (zum Beispiel durch Reduzierung der Anzahl der Betten pro Zimmer) Umwandlung einer Erstversorgungseinrichtung mit 52 Plätzen in eine Einrichtung nach § 41/34 SGB VIII für volljährig gewordene unbegleitete Flüchtlinge. 8. Erstattet der Senat Vermisstenmeldung bei der Polizei, wenn minderjährige unbegleitete Flüchtlinge vor der Umverteilung verschwinden? Wenn ja, wie viele solcher Meldungen ergingen seit Anfang 2015? Siehe Drs. 21/3174 und Drs. 21/3345. Drucksache 21/3806 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 9. Wie stellt der Senat sicher, dass sich Jugendliche nicht fortwährend einer Umverteilung entziehen? Sofern bekannt ist, dass sich ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling der Verteilung entziehen will, wird versucht, pädagogisch auf diesen einzuwirken. Die Inobhutnahme eines Minderjährigen ist jedoch ein Verwaltungsakt, der nicht mit Freiheitsentzug verbunden ist. Insofern können die Minderjährigen die Einrichtung, in der sie untergebracht sind, jederzeit verlassen. Die Verteilentscheidung ist ebenfalls ein Verwaltungsakt. Soweit sich ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling der Verteilung nachhaltig entzieht, kann zur Vollstreckung des Verwaltungsaktes in Amtshilfe die Polizei hinzugezogen werden. 10. Im Februar waren beim LEB 497 VZÄ beschäftigt. Wie viele VZÄ sind davon mit der Betreuung der Flüchtlinge betraut? Im Februar war beim LEB Personal im Umfang rund 862 VZÄ eingesetzt. Bei der Zahl 497 handelt es sich um den Personalbestand, der zum Stichtag 29. Februar 2016 ausschließlich für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingesetzt war (siehe Drs. 21/3646). 11. Wieso wird seit Monaten weiter Personal aufgestockt, obwohl die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge rückläufig ist? 12. Plant der LEB weitere Personalaufstockungen? Wenn ja, in welchen Bereichen und wie viele VZÄ für 2016? 13. Wie wird diese Aufstockung angesichts der rückläufigen Zahlen zu betreuender Personen begründet? Eine prospektive Personalplanung bezogen auf den Bereich der unbegleiteten Minderjährigen ist nicht möglich, da der Personalbedarf für die Bereiche Erstaufnahme, Erstversorgung , Fachdienst Flüchtlinge sowie für Einrichtungen für Anschlusshilfen von Fallzahlen abhängig ist. Der Bedarf an Plätzen und zugehörigem Betreuungspersonal muss daher fortlaufend überprüft und erforderlichenfalls angepasst werden. Trotz der leicht gesunkenen Bestandszahlen an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist bisher im LEB kein Personalüberhang entstanden. Der aufgrund des starken Zuzugs von unbegleiteten Minderjährigen im zweiten Halbjahr 2015 entstandene hohe Personalbedarf für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen konnten wegen der Personalakquise und der Einstellungsverfahren immer nur zeitversetzt erfolgen.