BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3868 21. Wahlperiode 08.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 31.03.16 und Antwort des Senats Betr.: Die Bedeutung der Bahn für Industrie und Gewerbe in Hamburg Die Deutsche Bundesbahn plant eine Einschränkung ihres Güterverkehrs, weil dieser sich nicht ausreichend profitabel darstellt. Gleichzeitig führt die Bahn, auch bei Verlusten, eine Dividende an den Alleinaktionär Bundesrepublik Deutschland ab. Es zeichnet sich damit ab, dass, entgegen aller Bekundungen, die Verlagerung des Transports von Gütern von der Schiene auf die Straße und nicht umgekehrt stattfindet – die Planung der Schließung von Verladestationen durch die Deutsche Bahn AG scheint diese Ausrichtung zu bestätigen. Zwar betont die Freie und Hansestadt Hamburg im Zusammenhang mit dem Gütertransport vom und zum Hafen die einmalige Größe der Bahnanlagen der Hafenbahn und die Notwendigkeit, diese Anlagen weiter auszubauen, jedoch scheint sich dies nicht auf weitere Bereiche der Industrie- und Gewerbepolitik Hamburgs auszuwirken. So soll zum Beispiel die durch die Zierliche Tellerschnecke bekannt gewordene Gewerbefläche für sogenannte Green Logistic in Bergedorf, trotz einer unmittelbar angrenzenden Gleisstrecke (Hamburg – Geesthacht), keinen Gleisanschluss erhalten. Gleichzeitig vermitteln viele bestehende Gleisanschlüsse in Gewerbe - und Industriegebieten den Eindruck einer bereits langen Nichtnutzung. Dies erscheint umso verwunderlicher, als die Belastung der Umwelt und der Bevölkerung durch den Transport auf der Straße deutlich höher als durch schienengebundenen Transport ist und Gewerbe- und Industriegebiete in der Regel auch wenig Beeinträchtigung für Anwohner und Anwohnerinnen ergeben . Ich frage den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority (HPA), der AKN Eisenbahn AG (AKN) und der Deutschen Bahn AG (DB) wie folgt: 1. Wie viele Gewerbe- und Industriegebiete gibt es in Hamburg? Bitte die Gebiete auflisten mit der Anzahl der dort ansässigen Betriebe. Nach den Gewerbeflächenkonzepten der Bezirke von 2012 gibt es insgesamt 141 Industrie- und Gewerbestandorte außerhalb des Hafens in Hamburg. Insgesamt sind in Hamburg rund 3.050 Hektar planrechtlich für Industrie und Gewerbe gesichert. Daten zu den dort ansässigen Betrieben liegen nicht vor. In den einzelnen Bezirken befinden sich folgende gewerbliche Standorte: Hamburg Mitte 1 Billbrook 2 Rothenburgsort/Tiefstack 3 Hammerbrook/Borgfelde Drucksache 21/3868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4 Hamm-Süd 5 Obergeorgswerder 6 Harburger Chaussee/Schlenzigstraße 7 Dratelnstraße/Jaffestraße/Rubbertstr. 8 Georgswerder Bogen 9 Georg-Wilhelm-Straße 10 Industriestraße 11 Finkenwerder/Airbus 12 Finkenwerder/Rüschhalbinsel Hafengebiet Altona 1 Altona-Altstadt/Mörkenstraße 2 Altona-Nord 3 Altona-Nord/Waldmannstrasse 4 Ottensen 5 Othmarschen 6 Bahrenfeld/Stresemannstraße 7 Bahrenfeld/Windsbergring 8 Bahrenfeld/Boschstraße 9 Bahrenfeld/Max-Born/Theodorstr. 10 Bahrenfeld/Lurup 11 Lurup 12 Osdorf Eimsbüttel 1 Lokstedt/Hoheluft‐West 2 Waterloohain 3 Stellingen Süd/Langenfelde 4 Stellingen West 5 Nedderfeld / Papenreye 6 Niendorf – Hinschkoppel 7 Niendorf – Krähenweg 8 Niendorf – Vierenkamp 9 Eidelstedt – Holsteiner Chaussee 10 Schnelsen West 11 Schnelsen – Modezentrum Hamburg-Nord 1 Stadtteilzentrum Alsterdorf 2 Deelböge (Teilweise Eppendorf) 3 Bramfelder Straße 4 Drosselstraße 5 Hellbrookstraße 6 Pestalozzistraße 7 Rübenkamp 8 Wiesendamm 9 Alster City 10 Alter Teichweg 11 Barmbeker Markt 12 Dehnheide 13 Feßlerstraße 14 Haferkamp 15 Hamburgerstraße 16 Holsteinischer Kamp 17 Hufnerstraße 18 Komponistenviertel 19 Vogelweide Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3868 3 20 Weidestraße 21 Kümmelstraße 22 Nedderfeld 23 Airport Center 24 Erdkampsweg 25 Borsteler Chaussee 26 Papenreye 27 Südliches Flughafenumfeld 28 Alstertower 29 Elisenstraße 30 Hohenfelder Allee 31 Lübecker Straße 32 Dreyerpfad 33 Essener Straße 34 Flughafenstraße 35 Holitzberg 36 Meyer-Delius-Platz 37 Neuberger Weg 38 Oehleckerring 39 Tangstedter Landstraße 40 Tarpen 41 Philips 42 Wellingsbüttler Landstraße 43 Hans-Henny-Jahn Weg 44 Richardstraße 45 Uhlenhorster Weg 46 Zimmerstraße 47 Borgweg 48 Krohnskamp 49 Poßmoorweg Wandsbek 1 Barkhausenweg 2 Lademannbogen 3 Poppenbütteler Bogen 4 Saseler Bogen 5 Bramfelder Chaussee/ Haldesdorfer Straße 6 Ivo-Hauptmann-Ring 7 Steilshoop 8 Bargkoppelweg 9 Meiendorfer Straße (FHH) 10 Merkurpark /Höltigbaum 11 Plaggenkamp 12 Wragekamp, Duvenstedt 15 13 Friedrich-Ebert-Damm/Am Stadtrand 14 Jenfelder Au, Jenfeld 23 15 Neumann-Reichardt-Straße 16 Rahlau / Holstenhofweg 17 Wandsbeker Zollstraße, Wandsbek Bergedorf 1 Allermöhe 2 Billwerder Billdeich Ost 3 Billwerder Billdeich West 4 Brennerhof 5 Brookdeich/Brookkehre Drucksache 21/3868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 6 Curslacker Neuer Deich/Lehfeld 7 Gerhard-Falk-Straße 8 Havighorster Weg 9 Kurt-A.-Körber-Chaussee 10 Mette-Harden-Straße 11 Moorfleet 12 Oberer Landweg 13 Osterrade 14 Randersweide 15 Schleusengärten 15 Walter-Rudolphi-Weg Harburg 1 Großmoorbogen 2 Großmoordamm 3 Neuländer Kamp 4 Lewenwerder 5 Bahnhofslinse 6 Südlicher Binnenhafen 7 Seevestraße 8 Östlicher Bahnhofskanal 9 Nartenstraße/Hannoversche Str. 10 Nördlicher Binnenhafen 11 Buxtehuder Straße 12 Radeland 13 Bostelbek/Technologiepark 14 Mercedes Benz 15 Hausbruch 16 Stader Straße/Waltershofer Straße 17 Neugraben 18 Marmstorf/Ernst-Bergeest-Weg 19 Winsener Stieg 20 Phoenix/ContiTech 21 Nöldeckestraße 22 Neuenfelde 23 Sietaswerft Neuenfelde 24 Hohe Straße 25 Käfersiedlung/HANSANO Hafengebiet 2. Wie viele dieser Gebiete verfügen über Gleisanschlüsse? Bitte mit der jeweils vorhandenen Länge der Gleise auflisten. Gleislänge der Anschlussbahnen: Billbrook: circa 4 km Hafengebiet: circa 150 km Dazu kommen Anschlussgleise einzelner Unternehmen an DB-Strecken. 3. Wie viele Betriebe haben in den angeführten Gewerbe- und Industriegebieten einen Gleisanschluss und wie viele dieser Betriebe nutzen diesen noch? Billbrook: 18 Hafengebiet: 93 Der Umfang der Nutzung der Gleisanschlüsse ist nicht bekannt. 4. Wie hat sich die Anzahl von Betrieben, die einen Gleisanschluss nutzen, in den Jahren seit 2000 entwickelt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3868 5 Ob Unternehmen, die über einen Gleisanschluss verfügen, diesen tatsächlich nutzen oder seit dem Jahr 2000 genutzt haben, ist nicht bekannt. 5. Wie hat sich die Streckenlänge des Gleiskörpers in den Gewerbe- und Industriegebieten Hamburgs seit dem Jahr 2000 entwickelt und welche maximale Länge hatte dieser Bahnkörper in der Vergangenheit? Bitte mit Jahr des Maximalwerts angeben. Die Streckenlänge der Gleise für das Industriegebiet Billbrook zwischen den jeweiligen Gleisanschlüssen und dem Anschluss an das DB-Netz betrug im Jahr 2000 60 km. Bis heute sind davon 15 km Gleislänge stillgelegt worden und etwa 9 km Gleislänge zur Stilllegung beantragt. Die Streckenlänge der Gleise der Hafenbahn zwischen den jeweiligen Gleisanschlüssen und den Anschlüssen an das DB-Netz bewegt sich seit 2000 stets auf gleichem Niveau von rund 290 km. Die DB teilt mit, dass ihr die Beantwortung der Frage in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war. 6. Welcher Anteil des Gleiskörpers befindet sich jeweils in einem Zustand, der seine Nutzung einschränkt oder unmöglich macht? Derzeit sind circa 6,5 km der Gleise im Industriegebiet Billbrook betrieblich gesperrt. Die übrigen Gleise sind für den öffentlichen Verkehr im Rahmen der betrieblichen Vorgaben nutzbar. Bei der Hafenbahn sind 0,7 km zurzeit nicht befahrbar. Ursache dafür sind Brückenschäden , die das hinter der Brücke liegende Gleis nicht erreichen lassen. Nach Auskunft der DB ist ihr eine Beantwortung der Frage in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 7. Wer ist für die Unterhaltung von Gleisanschlüssen zu und in Gewerbeund Industriegebieten zuständig? Für die Instandhaltung der Bahnanlagen ist das jeweilige Infrastrukturunternehmen zuständig, dem diese Anlagen gehören. 8. Wie ist die Bilanz bei den (Gewerbe- und Industrie-)Bahnanschlüssen seit dem Jahr 2000? Wie viele Kilometer Gleiskörper wurden neu errichtet oder erneuert? Wie viele Kilometer wurden abgebaut beziehungsweise wurden in dieser Zeit nicht mehr (oder eingeschränkt) nutzbar? Bitte aufführen, in welchen Gebieten neue Gleisanlagen errichtet, erneuert beziehungsweise demontiert wurden, oder in ihrer Nutzbarkeit für eingeschränkt beziehungsweise als nicht mehr nutzbar eingestuft wurden und jeweils in welcher Streckenlänge dies geschehen ist. Die Beantwortung dieser Fragen würde die Durchsicht von mehreren Hundert Akten der Gleisanschlüsse und die händische Messung von Gleislängen erfordern, was in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist. Die konkrete Demontage von Gleisanlagen nach genehmigten Stilllegungen ist nicht bekannt, wie auch die gegebenenfalls temporäre Einschränkung der Nutzbarkeit. 9. Spielt die Verlagerung von Transportkapazitäten weg von der Straße zu anderen Verkehrsträgern, vor allem der Bahn, bei der Firmenansiedlungspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg eine Rolle? a. Wenn ja: Wird aktiv bei an- beziehungsweise umsiedlungswilligen Betrieben für einen Gleisanschluss geworben? i. Wenn ja: mit welchem Erfolg? b. Wenn ja: Von welchen Parametern ist es abhängig, dass für einen Gleisanschluss bei der Firmenansiedlung geworben wird (zum Beispiel Firmengröße, Produktpalette, Ressourcenbedarf)? Drucksache 21/3868 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 c. Wenn nein: Welcher Beitrag bezüglich des Transports für Gewerbeund Industriegebiete wird im Rahmen der Klimaschutzziele der Freien und Hansestadt Hamburg bei der An- oder Umsiedlung erbracht beziehungsweise versucht zu erreichen? Der Hamburger Hafen ist mit seinen Hinterlandanbindungen vor allem per Bahn für die Ansiedlung von internationalen Handelsfirmen, die die größte Gruppe der internationalen Firmenansiedlungen in Hamburg darstellen, von großer Bedeutung. Die Ansiedlung von Produktionsbetrieben, für die ein Gleisanschluss sinnvoll ist, hat für die Arbeit der HWF Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH gegenwärtig nur eine untergeordnete Rolle. Derartige Standortentscheidungen werden in der Regel europaweit ausgeschrieben und ein wesentliches Kriterium bei der Vergabe ist die Höhe der Beihilfen, die am jeweiligen Standort gezahlt werden. Hamburg ist kein Fördergebiet nach europäischem Beihilferecht. In Fällen, in denen Hamburg nicht infrage kommt, versucht die HWF, das jeweilige Unternehmen für einen Standort in der Metropolregion Hamburg zu interessieren. 10. Welche Ziele verfolgt der Senat bei der Umsetzung der klimapolitischen Ziele einerseits und der allgemeinen umweltpolitischen Ziele (zum Beispiel Lärm) andererseits im Rahmen des Gütertransports mit Hamburg als Ziel- beziehungsweise Ausgangsort? Der Senat unterstützt den Verkehrsträger Schiene und setzt sich für dessen Stärkung ein. Daneben setzt sich der Senat erfolgreich für den Lärmschutz ein und hat beispielsweise für den Bau der Lärmschutzwände an der Strecke zwischen Harburg und Wilhelmsburg und der Güterumgehungsbahn erfolgt gesorgt. 11. Welche zentralen Güterverladestationen der Deutschen Bahn AG gibt es in Hamburg beziehungsweise welche solche Stationen werden im Umland von Betrieben aus dem Gebiet Hamburgs genutzt? Hamburg Altona (nur für Tankanlage DB Energie) Hamburg Barmbek Hamburg Billbrook Hamburg Billstedt Hamburg Billwerder Hamburg Eidelstedt Hamburg Harburg Hamburg Hohe Schaar Hamburg Langenfelde Hamburg Moorfleet Hamburg Süd Hamburg Unterelbe Hamburg Wilhelmsburg Peute Hamburg Waltershof Eine Auflistung/Übersicht nach Nutzung der Güterverkehrsstellen durch Hamburger Firmen liegt der DB nach deren Auskunft nicht vor. 12. Welche der vorgenannten Verladestationen sind von den Schließungsüberlegungen der Deutschen Bahn AG betroffen? Nach Auskunft der DB sind bisher keine Beschlüsse gefasst worden. Es sollen zunächst Gespräche mit Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern, Kundinnen und Kunden sowie dem Aufsichtsrat geführt werden. Daher kann die DB zu konkreten Auswirkungen auf Standorte/Güterverkehrsstellen derzeit keine Angaben machen.