BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3899 21. Wahlperiode 12.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dora Heyenn (fraktionslos) vom 04.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Hamburger Morbiditätsatlas und seine Umsetzung für die Bedarfsplanung Mit dem Morbiditätsatlas von 2013 hat Hamburg eine wichtige Voraussetzung für eine kleinräumige Bedarfsplanung in Hamburg geschaffen. Stellt der Morbiditätsatlas doch mit dem Gutachten zum kleinräumigen Versorgungsbedarf Unterschiede zwischen 67 Stadtteilen und Stadtteilclustern dar und analysiert diese. So werden unter anderem bedeutsame räumliche Unterschiede in der Krankheitshäufigkeit, in der Häufigkeit von Erkrankungen in Altersgruppen, in der unterschiedlichen allgemeinen Krankheitsdichte und in der unterschiedlichen allgemeinen Krankheitsdichte bei Kindern und Jugendlichen festgestellt. Einbezogen in die Analyse des Gutachtens wurde die Darstellung des Faktors „soziale Belastung“ wie Arbeitslosenquote, SGB-II- Empfänger, Migrantenanteil, Sozialwohnungen und andere. Das Gutachten stellt fest, dass in Stadtteilen mit hoher Krankheitshäufigkeit „auch mehr ärztliche Leistungen in Anspruch genommen“ wurden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg wie folgt: 1. Welchen Einfluss hat der Hamburger Morbiditätsatlas mit seinem Gutachten auf die kleinräumige Versorgungsplanung über alle Stadtteile für Hamburg? Welche Berücksichtigung fand dabei insbesondere der Faktor „soziale Belastung“ wie Arbeitslosenquote, Migrantenanteil et cetera? (Siehe obigen Text.) Bitte aufschlüsseln nach Fachärzten auf die Stadtteile und Stadtteilcluster des Morbiditätsatlas. Zu den Ergebnissen der Studie „Morbiditätsatlas Hamburg“ der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) hat die Landeskonferenz Versorgung Ende 2013 die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beschlossen. In die Beratungen mit einbezogen wurden Ergebnisse aus den Studien der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) zur Versorgungssituation in den Bezirken und Stadtteilen Hamburgs. Festgestellt wurde, dass nach den Studien in Hamburg vom Grundsatz her eine gute medizinische Versorgungssituation besteht. Ein grundlegendes strukturelles Versorgungs - oder Verteilungsdefizit haben die jeweiligen Gutachter nicht festgestellt. Dennoch zeigte sich, dass punktuell Versorgungsengpässe auftreten könnten und dann lokale Lösungen angebracht wären. Daher hat die Landeskonferenz Versorgung einvernehmlich „Maßnahmen zur flexiblen Gestaltung der ambulanten Versorgung in Hamburg“ empfohlen und der Landesausschuss der Ärzte/-innen und Krankenkassen nach § 90 SGB V hat diesen Maßnahmenkatalog als Anlage zum Bedarfsplan für die Drucksache 21/3899 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ambulante vertragsärztliche Versorgung in Hamburg beschlossen (siehe Bedarfsplanung unter www.kvhh.net). Die zuständige Behörde geht davon aus, dass mit den Kriterien des Maßnahmenkatalogs und den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten des Zulassungsausschusses flexibel auf lokale Versorgungsbedarfe reagiert werden kann und eine kleinräumige Versorgungsplanung möglich ist. 2. Erfolgten nach dem „Bedarfsplan für den Planungsbereich Hamburg“ (Drs. 20/6694), der zum 01.07. 2013 in Kraft getreten ist, „im Wege einer Sonderbedarfszulassung oder wegen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs “ Zulassungen? Wenn ja, welche Facharztgruppen waren davon betroffen, für welche Stadtteile, Stadtteilcluster erfolgten die Zulassungen? Bitte aufschlüsseln . Laut KVH wurden seit Beschluss des Bedarfsplans für den Planungsbereich Hamburg vom 1. Juli 2013 insgesamt 25 Vollzeitäquivalente als Sonderbedarfszulassung vom Zulassungsausschuss genehmigt. Eine Aufteilung nach Facharztgruppen und Stadtteilen ist der Anlage 1 zu entnehmen. 3. Wurden seit Inkrafttreten des Bedarfsplans der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) Arztsitze auf Antrag genehmigt, abgelehnt beziehungsweise ausgeschrieben? Welche Facharztgruppen waren davon für welche Stadtteile, Stadtteilcluster betroffen? Bitte auflisten. Laut KVH werden vorhandene Arztsitze entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in aller Regel ausgeschrieben und nachbesetzt. Darüber hinaus gibt es auf Antrag keine neuen Arztsitze, da gemäß der Bedarfsplanungs-Richtlinie für alle Arztgruppen in Hamburg eine Überversorgung vorliegt und somit alle Arztgruppen für neue Zulassungen gesperrt sind. Eine händische Ermittlung der seit dem Beschluss der Bedarfsplanung genehmigten, abgelehnten oder ausgeschriebenen Arztsitze wäre nach Auffassung der KVH mit einem nicht vertretbaren erheblichen zeitlichen Auswertungsaufwand verbunden. 4. Außerhalb von üblichen Praxiszeiten wird die ambulante Versorgung durch die ärztliche Notfallversorgung in Hamburg sichergestellt. Wie haben sich die Leistungen seit 2012 hier entwickelt? Gibt es lokale Auffälligkeiten , Konzentrationen in der Leistungsabforderung beziehungsweise -inanspruchnahme? Bitte ausführen. In Zeiten, in denen die Praxen üblicherweise geschlossen sind, steht ein von der KVH organisierter ärztlicher Notfalldienst zur Verfügung. Hierzu gehören die telefonische ärztliche Beratung, die Notfallpraxen, der fahrende Notfalldienst und der kinderärztliche Notfalldienst. Lokale Auffälligkeiten sind laut KVH nicht feststellbar. Die Entwicklung der Leistungen (Behandlungszahlen) des Notdienstes ist in der Anlage 2 dargestellt . 5. Inwiefern wurde es notwendig, seit 2012 angestellte Ärzte zur Sicherstellung der Versorgung im Sinne des Bedarfsplans der KVH einzubeziehen ? (Siehe Vorwort zum Bedarfsplan „allmählicher Wandel auf größere Einheiten“.) Gemäß der Bedarfsplanungs-Richtlinie weist der Bedarfsplan alle zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärztinnen und Ärzte aus, die bei der Feststellung des Versorgungsgrads mitberücksichtigt beziehungsweise gezählt werden. Hierzu gehören sowohl selbständig tätige als auch angestellt tätige Ärztinnen und Ärzte. Die zitierte Stelle im Vorwort des Bedarfsplans macht darauf aufmerksam, dass es einen gewissen Trend gibt, dass Ärztinnen und Ärzte im Rahmen einer Anstellung tätig werden , anstatt als selbständige Ärztinnen und Ärzte mit eigener Zulassung tätig zu werden . 6. In welchen Stadtteilen und Stadtteilclustern gab es in den zurückliegenden fünf Jahren eine Reduktion von Praxisstandorten? Bitte nach Facharztgruppen aufschlüsseln. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3899 3 Nach der anliegenden Übersicht (Anlage 3) über vertragsärztliche und psychotherapeutische Veränderungen in den Hamburger Bezirken hat es von Anfang 2014 bis Anfang 2016 bei einigen Fachrichtungen Veränderungen von Praxisstandorten gegeben . Eine händische Aufschlüsselung von Veränderungen auf Ebene der Stadtteile bzw. Stadtteilcluster in den zurückliegenden fünf Jahren wäre nach Auffassung der KVH mit einem nicht vertretbaren zeitlichen Auswertungsaufwand verbunden. 7. Wie viel Arztsitze sind aufgrund der Bildung von MVZ in Hamburg in den letzten zwölf Jahren aus der Fläche verschwunden beziehungsweise aufgekauft worden? Bitte auflisten nach Fachgruppen, Stadtteilen et cetera. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärztinnen und Ärzte als Vertragsärztinnen/-ärzte oder Angestellte tätig sind. Voraussetzung zur Anstellung von Ärztinnen und Ärzten ist, dass das MVZ über entsprechende Praxissitze verfügt. Dies ist möglich, wenn eine Vertragsärztin oder ein Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichtet und eine Übertragung und Umwandlung dieses Praxissitzes in ein MVZ-Angestelltenverhältnis erfolgt. Insofern gehen von einem MVZ übernommene beziehungsweise „aufgekaufte“ Vertragsarztsitze nicht verloren oder „verschwinden“, sondern sind von MVZ übernommen und teilweise verlegt worden. Aufgrund des Maßnahmenkatalogs zur flexiblen Gestaltung der ambulanten Versorgung in Hamburg (Anlage zum Bedarfsplan, siehe Antwort zu 1.) wird laut KVH unter anderem bei jeder Verlegung eines Praxissitzes vom Zulassungsausschuss Ärzte und Krankenkassen geprüft, ob Gründe der vertragsärztlichen Versorgung einer Übernahme beziehungsweise Verlegung eines Praxissitzes durch ein MVZ entgegenstehen . Eine Auflistung von Arztsitzen, die in den letzten zwölf Jahren aufgrund eines Verzichts auf die Zulassung zugunsten einer Anstellung von einem MVZ übernommen und verlegt wurden, lässt sich laut KVH maschinell nicht abfragen. Eine händische Ermittlung wäre nach Auffassung der KVH mit einem nicht vertretbaren zeitlichen Auswertungsaufwand verbunden. 8. Nach §1, Absatz 2, des Hamburger Gesetzes über die Bildung einer Landeskonferenz Versorgung (HmbLKVG) können „Anregungen und Empfehlungen zur gesundheitlichen Versorgung und Entwicklung medizinischer Versorgungsstrukturen, insbesondere sektorenübergreifende Versorgungsaufgaben“ abgegeben werden. Wie oft und wie konkret ist das seit Inkrafttreten des Gesetzes geschehen? Die Landeskonferenz Versorgung hat bisher Empfehlungen zur gesundheitlichen und sektorenübergreifenden Versorgung in Hamburg ausgesprochen, die sich auf die Themen ambulante Bedarfsplanung (siehe Antwort zu 1.), Vereinbarung eines Modellprojekts zum MRGN-Screening, Durchführung einer öffentlichkeitswirksamen Impfkampagne zu Masern, Kriterienkatalog und Durchführung einer Studie zum leichteren und barrierefreien Zugang zur ambulanten medizinischen Versorgung sowie Beantragung eines Projektes zur sektorenübergreifenden Versorgung in Billstedt und Horn beim Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses beziehen. Drucksache 21/3899 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 1 KVH – Besuchsdienst: Jahr Besuche telefonische Beratung Gesamt 2012 101.609 19.721 121.330 2013 104.200 17.401 121.601 2014 96.876 18.383 115.259 2015 101.115 20.264 121.379 Laut KVH ist das Einsatzvolumen über den betrachteten Zeitraum als weitgehend stabil einzuordnen . KVH – Notfallpraxen Altona und Farmsen: Jahr NFP Altona NFP Farmsen Gesamt 2012 29.805 31.481 61.286 2013 32.395 35.043 67.438 2014 34.254 35.937 70.191 2015 34.388 37.642 72.030 Laut KVH ist bei den Behandlungszahlen in den Notfallpraxen der KVH im Zeitraum 2012 bis 2015 ist eine deutliche Steigerung zu verzeichnen. Aktuell ist kein Ende dieses Trends zu erkennen. KVH – Kinderärztliche Notdienst: Jahr Asklepios Klinik Nord- Heidberg Altonaer Kinderkranken - haus Helios Mariahilf Klinik Kinderkrankenhaus Wilhelmstift Gesamt 2012 4.851 5.986 5.461 10.264 26.562 2013 4.743 6.018 5.519 10.773 27.053 2014 4.554 5.851 6.437 10.046 26.888 2015 4.435 5.865 5.097 10.794 26.191 Laut KVH ist die Zahl der pro Jahr im Kinderärztlichen Notfalldienst versorgten Patienten im Zeitraum 2012 bis 2015 stabil. Der Kinderärztliche Notfalldienst am Standort des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift hebt sich im Vergleich zu den drei anderen Standorten deutlich ab. Gründe dafür sind das bis weit nach Schleswig-Holstein hineinreichende Einzugsgebiet des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift und der Umstand, dass an diesem Standort auch am Mittwochnachmittag der Kinderärztliche Notfalldienst durchgeführt wird. 4.851 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3899 5 Anlage 2 Drucksache 21/3899 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage 3 3899ska_Text 3899ska_Anlagen 3899ska_Antwort_Anlage1 3899ska_Antwort_Anlage2 3899ska_Antwort_Anlage3