BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/3996 21. Wahlperiode 15.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dora Heyenn (fraktionslos) vom 08.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Genehmigung von Studiengängen (Akkreditierung) Die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach Studiengänge durch Agenturen „nach den geltenden Regelungen“ akkreditiert werden müssen, sind mit dem Grundgesetz (Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 GG) unvereinbar. Dies hat Bundesverfassungsgericht am 17. Februar 2016 entschieden . Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen darf der Gesetzgeber nicht anderen Akteuren überlassen. Die Länder müssen nun verfassungsgemäße Rechtsgrundlagen bis spätestens zum 31. Dezember 2017 herstellen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Bundesverfassungsgericht (1. Senat) hat am 17. Februar 2016 festgestellt, dass § 72 Absatz 2 Satz 6 und § 7 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 31. Oktober 2006 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein- Westfalen 2006, Seite 474) sowie § 73 Absatz 4 und § 7 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2014 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2014, Seite 547) mit Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar sind (Az.: 1 BvL 8/10). Es hat zugleich beschlossen, dass diese Bestimmungen bis zu einer Neuregelung durch den nordrhein-westfälischen Gesetzgeber , längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2017, fortgelten und damit anwendbares Recht bleiben. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes) Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegensteht. Allerdings muss der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung selbst treffen. Welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Rechtslage in Hamburg hat, wird von der zuständigen Behörde derzeit geprüft. Auch die Gremien der Kultusministerkonferenz (KMK) werden sich mit der Entscheidung befassen. Hieran wird die Freie und Hansestadt Hamburg mitwirken. Konkrete Beschlüsse oder Beratungsunterlagen auf KMK-Ebene liegen derzeit noch nicht vor. Über Anpassungsbedarfe am hamburgischen Landesrecht kann erst nach Abschluss der Prüfungen entschieden werden. Bis dahin bleiben die Regelungen im Hamburgischen Hochschulgesetz (HmbHG) geltendes und anwendbares Recht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/3996 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21 Wahlperiode 2 1. Welche Konsequenzen hat der Beschluss des BVerfG vom 17. Februar 2016 – 1 BvL 8/10 – nach Auffassung der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG) für die zukünftige Akkreditierung und Reakkreditierung von Studiengängen an Hamburger Hochschulen? 2. Ist die BWFG aktiv in die Diskussionen des Akkreditierungsrates und der KMK über die Folgen des oben genannten Beschlusses des BVerfG – 1 BvL 8/10 – eingebunden? Falls nein, warum nicht? Falls ja, in welcher Art und Weise nimmt es Einfluss? Siehe Vorbemerkung. 3. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Akkreditierung beziehungsweise Reakkreditierung von Studiengänge in Hamburg? Für die staatlichen Hochschulen gilt § 52 Absatz 8 HmbHG, für staatlich anerkannte Hochschulen Dritter gelten § 112 Absatz 6, § 113 Absatz 5 und § 114 Absatz 4 HmbHG. 4. Welche Kompetenzen haben die Akkreditierungsagenturen an den Hamburger Hochschulen und wie bewertet die BWFG den Umfang der Kompetenzen hinsichtlich Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 GG? Die Akkreditierungsagenturen haben in Hamburg keine hoheitlichen Kompetenzen. Die Aufsicht über die staatlichen Hochschulen und über die staatlich anerkannten Hochschulen Dritter liegt ausschließlich bei der zuständigen Behörde (§§ 5, 6, 107, 112 Absatz 5, 113 Absatz 2, 116 HmbHG). 5. Wo sieht die BWFG Veränderungs- beziehungsweise Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Akkreditierung beziehungsweise Reakkreditierung von Studiengängen? Die zuständige Behörde teilt die Einschätzung des Wissenschaftsrates, dass sich Programm- und Systemakkreditierung grundsätzlich bewährt haben. Änderungsbedarf ergibt sich zunächst auf rechtlicher Ebene als unmittelbare Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Inhaltlichen Nachbesserungsbedarf sieht die zuständige Behörde mit Blick auf die Aufwandsreduktion der etablierten Qualitätssicherungsverfahren (Programm-/Systemakkreditierung, Evaluationen, institutionelle Akkreditierung). Die zuständige Behörde begrüßt ferner, dass der Akkreditierungsrat sich verstärkt dem Thema „Studienqualität“ zugewendet und hierzu eine online- Diskussion gestartet hat (http://forum.akkreditierungsrat.de/). In der Kultusministerkonferenz (KMK) wurde am 7. Februar 2013 beschlossen, das System im Sinne der Empfehlungen des Wissenschaftsrates fortzuentwickeln. Auf dieser Grundlage hat sich der Akkreditierungsrat dafür ausgesprochen, im Rahmen einer sogenannten Experimentierklausel neben Programm- und Systemakkreditierung auch andere Qualitätssicherungsverfahren zu erproben (Beschluss des Akkreditierungsrates vom 17. September 2014). 6. Wie viel Prozent der Studiengänge insgesamt und an welchen Hochschulen sind zurzeit akkreditiert? Hochschule Anteil der akkreditierten Studiengänge Staatliche Hochschulen: Universität Hamburg (UHH) 8 Prozent Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) 100 Prozent 1) HafenCity Universität Hamburg (HCU) 100 Prozent Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK) 100 Prozent 2) Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HFMT) 87,5 Prozent Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/3996 3 Hochschule Anteil der akkreditierten Studiengänge Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) 77 Prozent Staatlich anerkannte Hochschulen Dritter: Universität der Bundeswehr Hamburg 100 Prozent Evangelische Hochschule für soziale Arbeit und Diakonie 100 Prozent Hamburger Fern-Hochschule 100 Prozent Kühne Logistics University 100 Prozent Bucerius Law School 100 Prozent MSH Medical School Hamburg 100 Prozent NBS Northern Business School 100 Prozent Euro-FH 100 Prozent EBC Hochschule 100 Prozent Hamburg School of Business Administration 100 Prozent 1) Bezogen auf alle Studiengänge, ausgenommen den hochschulübergreifenden Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ (BA/MA) 2) Bezogen auf den einzigen konsekutiven Studiengang „Bildende Künste“ (BA/MA) 7. Seit einigen Jahren besteht für Hochschulen alternativ zur Programmakkreditierung die Möglichkeit, das Qualitätssicherungssystem der Hochschule im Rahmen einer sogenannten Systemakkreditierung zertifizieren zu lassen. Welche Hamburger Hochschulen haben die Systemakkreditierung beantragt und welche weiteren Informationen hat die BWFG diesbezüglich? Die UHH hat die Systemakkreditierung der Teileinheit „Lehrerbildung“ beantragt und ist im Dezember 2015 zugelassen worden. Die erste Begehung findet im Sommersemester 2016 statt, die zweite Begehung im Wintersemester 2016/2017. Die HAW Hamburg bereitet sich derzeit auf das Verfahren zur Systemakkreditierung vor und hat hierzu den Vorprüfungsantrag bei der Agentur AQAS eingereicht. Der Antrag auf Zulassung ist für den Herbst 2016 geplant. Die HCU hat bewusst keine Systemakkreditierung beantragt; es wird zurzeit (2015/ 2016) die Programm(re)akkreditierung für alle Studienprogramme durchgeführt. Die HfMT befindet sich aktuell im Verfahren zur Systemakkreditierung. Sie ist bereits zum sogenannten Hauptverfahren zugelassen. Am 12. April 2016 findet eine erste Begehung der von der Akkreditierungsagentur zusammengestellten Gutachtergruppe statt. 8. Wie hoch waren die Kosten für die Akkreditierungsverfahren beziehungsweise Reakkreditierungsverfahren an den einzelnen staatlichen Hamburger Hochschulen jeweils in den Jahren 2012, 2013 2014 und 2015 insgesamt? Hochschule Kosten (in Euro) 2012 2013 2014 2015 UHH 12.400,-- 1) 0,-- 12.000,-- 1) 12.000,- 1) HAW 57.000,-- 72.000,-- 50.000,-- 52.000,-- HCU 0,-- 0,-- 0,-- 16.906,-- HfbK 0,-- 0,-- 12.840,-- 0,-- HfMT 0,-- 0,-- 0,-- 10.529,-- 2) TUHH 9.349,-- 3.116,-- 30.495,-- 97.937,-- 1) zuzüglich 7 Prozent Umsatzsteuer 2) Keine Programmakkreditierung, sondern Teilbetrag für die Kosten des laufenden Systemakkreditierungsverfahrens 9. Wie hoch waren jeweils die Durchschnittskosten für eine Akkreditierung beziehungsweise Reakkreditierung eines Studienganges an den einzel- Drucksache 21/3996 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21 Wahlperiode 4 nen staatlichen Hamburger Hochschulen in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015? Hochschule Durchschnittskosten UHH Es wurde in den abgefragten Jahren nur jeweils ein Studiengang akkreditiert. Zu den Kosten s. Antwort zu Frage 8. HAW Bei einer Einzelakkreditierung entstehen Durchschnittskosten in Höhe von etwa 10.000,-- Euro pro Studiengang. Die HAW Hamburg hat ihre Studiengänge i.d.R. im Clusterverfahren (re-) akkreditiert, wodurch durchschnittliche Kosten in Höhe von etwa 3.500,-- bis 4.000,-- Euro pro Studiengang entstanden sind. HCU In den Jahren 2012 bis 2014 sind keine Kosten entstanden. Im Jahr 2015 betrugen die Durchschnittskosten pro Studienprogramm , die aus dem in der Antwort zu Frage 8 genannten Betrag resultieren, 1.537,-- Euro. HfbK 12.840,-- Euro im Jahr 2014. An der HfbK wird nur ein konsekutiver BA/MA Studiengang „Bildende Künste“ angeboten. HfMT 10.529,-- Euro im Jahre 2015 (s. Antwort zu Frage 8). TUHH 2012 wurde nur ein Akkreditierungsverfahren durchgeführt, welches 2012 und 2013 in Teilbeträgen in Rechnung gestellt wurde. Die Kosten betrugen insgesamt 12.465,-- Euro. Der höhere Wert kommt daher zustande, dass es sich um ein Verfahren mit einem einzigen Studiengang gehandelt hat, während die anderen Studiengänge in Clusterverfahren mit mehreren Studiengängen durchgeführt wurden. Ferner sind folgende Kosten entstanden: 2014: durchschnittlich 5.083,- Euro pro Studiengang 2015: durchschnittlich 4.664,- Euro pro Studiengang. 10. Welche Maßnahmen wird die BWFG in der 21. Legislaturperiode ergreifen bezüglich der externen Qualitätssicherung in der Lehre (Akkreditierung ) und inwieweit und wann wird die Bürgerschaft in die Entscheidungen der BWFG eingebunden? Die zuständige Behörde wird sich aktiv im Rahmen der KMK an der Diskussion zur Reform der Akkreditierung beteiligen. Hierbei erforderliche Rechtsänderungen wird der Senat der Bürgerschaft in Form entsprechender Drucksachen vorlegen.