BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4000 21. Wahlperiode 15.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 08.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Registrierung von Asylbewerbern, Vermeidung von Mehrfachregistrierungen und Aufklärung zur Anzahl der nicht registrierten beziehungsweise illegalen Migranten Seit Herbst 2015 unternehmen die Bundesländer und Hamburg diverse Anstrengungen, um die im Rahmen des Asylzustroms eingereisten Migranten zu registrieren, unter anderem: Einsatz von zwei mobilen Erfassungsteams des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit dem 26. Oktober 2015 zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen Unterstützung bei der Erfassung der Daten der Flüchtlinge im bundeseinheitlichen Verteilungssystem „EASY“ ab dem 9. November 2015 durch 25 Bundeswehrsoldaten Mehrarbeit und Einführung eines Schichtbetriebes zur Registrierung der neu eingereisten Flüchtlinge Trotzdem besteht derzeit große Unsicherheit über die 2015 insgesamt nach Deutschland eingereisten Personen. Verschiedene Bundesbehörden rechnen mit bis zu 500.000 Migranten, die sich unregistriert, ohne Asylantrag und damit illegal in Deutschland aufhalten. 1 Laut BAMF wurden von Januar bis Dezember 2015 im EASY-System 1.091.894 Zugänge von Asylsuchenden registriert, insgesamt aber nur 476.649 Asylanträge – davon 441.899 Erstanträge – gestellt. 649.995 Personen haben somit nach der Erstregistrierung anscheinend keinen Asylantrag gestellt. Diese Diskrepanz hat sich auch im Jahr 2016 fortgesetzt. Im Januar 2016 wurden laut BAMF 2 im EASY-System 91.671 Zugänge verzeichnet, aber nur 50.532 Erstanträge gestellt. Bekannt ist 3, dass im EASY-System neu ankommende Asylbewerber nur numerisch, jedoch ohne persönliche Datenerfassung und erkennungsdienst- 1 „Die Welt“ vom 5.4.2016; „Die Bild“ vom 5.4.16. 2 BAMF 01-2016. 3 Drs. 21/2041 vom 3.11.2015. Drucksache 21/4000 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 liche Behandlung erfasst werden. Deshalb sind Fehl- und Doppelerfassungen nicht ausgeschlossen. Die Frage ist nur, ob diese Fehler in solch hohen Prozentsätzen auftreten können. Seit Februar 2016 ist die schrittweise flächendeckende Einführung eines neuen Ankunftsnachweises geplant. Jeder Flüchtling soll nach der erkennungsdienstlichen Behandlung und dem Asylgesuch eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA) erhalten. Die BÜMA ist kein Aufenthaltstitel, sondern ein vorläufiges Aufenthaltspapier. Die BÜMA gilt als Identitätsdokument und weist nach, dass sich die Person in Deutschland befindet, um einen Asylantrag zu stellen, aber noch in keinem laufenden Asylverfahren ist. Dem eigentlichen Asylverfahren ist damit quasi ein weiteres Verfahren vorgeschaltet. Der Ankunftsnachweis soll als ein behörden- und länderübergreifendes Dokument fungieren. Erst ab der Registrierung und der Ausstellung der BÜMA haben die Betroffenen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Auch beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die dreimonatige Wartefrist für den Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Ersterfassung in Hamburg erfolgt nach Angaben des Senats durch das ausländerbehördliche IT-Fachverfahren PAULA GO, welches die Daten dann wiederum an das Ausländerzentralregister (AZR) übermittelt. Mit Einführung der BÜMA dürfte es in Zukunft keine Doppel- oder Mehrfachidentitäten mehr geben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Erfolgt die Ersterfassung neuer Asylbewerber in Hamburg im IT-System PAULA GO gleichzeitig mit Erfassung der persönlichen Daten und der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Ausstellung der BÜMA? Wenn nein: Zu welchem Zeitpunkt nach Ankunft erfolgt die erkennungsdienstliche Behandlung der Asylbewerber und wie viel Zeit vergeht bis zu dieser Erfassung? Derzeit werden die aufgenommenen Personaldaten zunächst mit dem Datenbestand im ausländerbehördlichen IT-Verfahren und im Ausländerzentralregister (AZR) abgeglichen . Ist keine unter den Daten bekannte Person zu finden, wird der Datensatz sowohl im ausländerbehördlichen IT-Verfahren in PAULA GO als auch im AZR neu angelegt und gespeichert. Die erkennungsdienstliche Erfassung erfolgt nach wie vor beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Rahmen der Asylantragstellung . Das BAMF hat auf wiederholte Nachfragen mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet, Parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. Im Mai 2016 wird in Hamburg das Verfahren zur Ausstellung des Ankunftsnachweises eingeführt. Durch die Nutzung der vom BAMF zur Verfügung gestellten sogenannten Personalisierungsinfrastrukturkomponente (PIK) erfolgt dann im Rahmen der Datenerfassung zunächst ein schneller Abgleich der Fingerabdrücke zur Prüfung, ob die Person bereits bekannt ist. Neben der Erfassung der Kerndaten erfolgt auch die Speicherung der Fingerabdrücke im AZR. 2. Wie lange dauerte es aktuell im März 2016 für Asylsuchende von der Ankunft in der ZEA bis zur Erfassung in PAULA GO in Tagen? Die Erfassung erfolgt derzeit montags bis freitags zwischen 6 Uhr und 23 Uhr. In dieser Zeit werden die Anträge der Ankommenden sofort bearbeitet. Ist keine taggenaue Bearbeitung mehr möglich, erfolgt die Bearbeitung am nächsten Werktag. 3. Gibt es in Hamburg Ende März 2016 immer noch Rückstände bei der erkennungsdienstlichen Erfassung? Wenn ja: Um wie viele Personen handelt es sich? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4000 3 Die erkennungsdienstliche Erfassung wird vom BAMF wahrgenommen. Das BAMF hat mobile Teams für die Erfassung zur Anlage der Vorakte und zur erkennungsdienstlichen Behandlung eingesetzt. Über den Stand der Erfassung und mögliche Rückstände liegen hier keine Informationen vor. Das BAMF hat auf wiederholte Nachfragen mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet, Parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. 4. Wie vielen Asylsuchenden wurde im Februar und März 2016 eine BÜMA ausgestellt? In der zur Beantwortung dieser Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit konnte nur ausgewertet werden, wie viele Personen sich insgesamt als Asylsuchende (Erst- und Folgeantragsteller) in Hamburg gemeldet haben. Dies waren im Februar 2.710 Personen und im März 1.273 Personen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Folgeantragsteller keine neue Verteilungsentscheidung, also auch keine BÜMA, erhalten. 5. Erfolgt die Übermittlung der anonymisierten Daten für das EASY-System automatisch oder müssen die Daten manuell von PAULA GO nachgetragen werden? Und wenn manuell, wie viele Arbeitskräfte sind derzeit damit beschäftigt? In das EASY-System werden nur die Anzahl der zu verteilenden Personen (auch Familienverbund) und das Herkunftsland eingegeben. Die Eingabe in das EASY-System ist eine Teilaufgabe der Sachbearbeitung und wird daher jetzt wie auch nach Einführung der PIK von allen Sachbearbeitern wahrgenommen. 6. Gemäß des AsylG § 63a erhalten Asylsuchende die Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende erst nach der erkennungsdienstlichen Erfassung und haben erst dann Anspruch auf Leistungen aus dem AsylbLG. Gibt es in Hamburg trotz des Rückgangs der bundesweiten Asylzahlen Rückstände bei der Erfassung? Wie viele Personen erhielten pro Monat, von Januar bis März 2016, keine Leistungen nach AsylbLG, weil sie noch nicht erkennungsdienstlich erfasst waren? Die Prüfung der Leistungsgewährung schließt sich an die Aufnahme in die ZEA an. Die Leistung ist nach den gesetzlichen Vorgaben rückwirkend ab dem Aufnahmetag zu gewähren. 7. Wie viele Doppel- oder Mehrfachidentitäten von Asylsuchenden wurden im Zeitraum Januar 2015 bis März 2016 in Hamburg durch Datenabgleich festgestellt? Für das Jahr 2015 hat das BAMF für Hamburg 9.231 Fälle von Doppelidentitäten ermittelt. Für 2016 liegt noch keine statistische Auswertung vor. 8. Wann erfolgt ein Datenabgleich der durch erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Daten mit: a) den Datenbanken des Bundeskriminalamtes (BKA) und b) den Datenbanken der Landeskriminalämter sowie c) der europäischen Datenbank Eurodac (Fingerabdrücke)? Mit der Einführung der PIK werden die Fingerabdrücke entsprechend der Neuregelungen durch das Datenaustauschverbesserungsgesetz im AZR erfasst. Es erfolgt bereits bei der ersten Überprüfung (Fast-ID) eine Prüfung der Daten beim BKA. Die Eurodac- Auswertung wird gleichzeitig angestoßen, benötigt in der Auswertung aber etwas länger (bis zu eine Stunde) und wird dem BAMF direkt übermittelt. Die Eurodac- Auswertung ist wegen der möglichen Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens wichtiger für das BAMF als für die Ausländerbehörden. 9. Kann der Senat Mehrfachidentitäten unter den Asylsuchenden in Hamburg aktuell ausschließen? Drucksache 21/4000 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn nein: Was gedenkt der Senat zu tun, um Mehrfachidentitäten in Zukunft auszuschließen? Derzeit können solche Mehrfachidentitäten nicht ausgeschlossen werden, sie werden jedoch für die Altfälle (bis zur Einführung der PIK) durch die erkennungsdienstliche Behandlung des BAMF aufgedeckt, siehe auch Antwort zu Frage 7. Nach der Einführung der PIK steht die Identitätsprüfung durch Fast-ID am Anfang, sodass eine Mehrfachantragstellung ausgeschlossen werden kann.